"Der Traum" (Friedrich Hebbel): Unterschied zwischen den Versionen

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==Autor==
==Autor==
Der deutsche Dramatiker Christian Friedrich Hebbel wird 1813 als Sohn eines Tagelöhners und  
Der deutsche Dramatiker Christian Friedrich Hebbel wird 1813 als Sohn eines Tagelöhners und Maurers in Wesselburen (Dithmarschen) geboren, das zu dieser Zeit noch unter dänischer Herrschaftstand. Er besucht die Volksschule und absolviert eine Maurerlehre. Nach dem Tod des Vaters 1827 istHebbel in Wesselburen zunächst als Laufbursche, später als Schreiber des Vogts beschäftigt und
Maurers in Wesselburen (Dithmarschen) geboren, das zu dieser Zeit noch unter dänischer Herrschaft
erhält Zugang zu dessen Bibliothek. Durch erste Veröffentlichungen in Zeitschriften (Gedichte und
stand. Er besucht die Volksschule und absolviert eine Maurerlehre. Nach dem Tod des Vaters 1827 ist
Kurzprosa) in den folgenden Jahren wird die Schriftstellerin Amalie Schoppe (1791-1858) auf ihn
Hebbel in Wesselburen zunächst als Laufbursche, später als Schreiber des Vogts beschäftigt und  
aufmerksam. Sie ermöglicht ihm, nach Hamburg umzusiedeln. Dank eines Stipendiums und durch die
erhält Zugang zu dessen Bibliothek. Durch erste Veröffentlichungen in Zeitschriften (Gedichte und  
finanzielle Unterstützung der Hamburger Näherin und Putzmacherin Elise Lensing kann Hebbel 1836
Kurzprosa) in den folgenden Jahren wird die Schriftstellerin Amalie Schoppe (1791-1858) auf ihn  
in Heidelberg studieren und sich bis 1839 in München autodidaktisch bilden. Elise Lensing wird auch
aufmerksam. Sie ermöglicht ihm, nach Hamburg umzusiedeln. Dank eines Stipendiums und durch die  
seine Geliebte; aus der Beziehung gehen zwei uneheliche Söhne hervor. 1841 wird Hebbel mit der
finanzielle Unterstützung der Hamburger Näherin und Putzmacherin Elise Lensing kann Hebbel 1836  
Veröffentlichung der Tragödie Judith einem größeren Publikum bekannt. 1842-1843 folgen
in Heidelberg studieren und sich bis 1839 in München autodidaktisch bilden. Elise Lensing wird auch  
Audienzen am Hof in Kopenhagen und ein Aufenthalt in Paris mit einem königlich-dänischen
seine Geliebte; aus der Beziehung gehen zwei uneheliche Söhne hervor. 1841 wird Hebbel mit der  
Reisestipendium. 1844-1846 reist Hebbel über Frankreich nach Italien und schließlich nach Wien.
Veröffentlichung der Tragödie Judith einem größeren Publikum bekannt. 1842-1843 folgen  
Dort heiratet er 1846 die Burgtheaterschauspielerin Christine Enghaus und gründet eine Familie. Die
Audienzen am Hof in Kopenhagen und ein Aufenthalt in Paris mit einem königlich-dänischen  
Ehe bringt Hebbel schließlich materielle Sicherheit und ermöglicht ihm den gesellschaftlichen
Reisestipendium. 1844-1846 reist Hebbel über Frankreich nach Italien und schließlich nach Wien.  
Dort heiratet er 1846 die Burgtheaterschauspielerin Christine Enghaus und gründet eine Familie. Die  
Ehe bringt Hebbel schließlich materielle Sicherheit und ermöglicht ihm den gesellschaftlichen  
Aufstieg. Bis zu seinem Tod 1863 lebt Hebbel in Wien und verfasst zahlreiche Dramen, u.a. ''Die Nibelungen'' (1861).
Aufstieg. Bis zu seinem Tod 1863 lebt Hebbel in Wien und verfasst zahlreiche Dramen, u.a. ''Die Nibelungen'' (1861).


==Entstehungs- und Druckgeschichte==
==Entstehungs- und Druckgeschichte==
''Der Traum'' wurde erstmals am 12. Februar 1829 im ''Ditmarser und Eiderstädter Boten'' anonym  
''Der Traum'' wurde erstmals am 12. Februar 1829 im ''Ditmarser und Eiderstädter Boten'' anonym veröffentlicht. Sah die Forschung in dem Prosastück zunächst nur ein Vorbild für HebbelsTraumerzählung ''Holion'', so wurde es später Hebbel zugeschrieben und hat beispielsweise Eingang indie kritische Werkausgabe der 1960er-Jahre gefunden. Diese Entscheidung wird v.a. mit einem
veröffentlicht. Sah die Forschung in dem Prosastück zunächst nur ein Vorbild für Hebbels
Aufsatz von Wolfgang Liepe begründet, der in ''Der Traum'' ein Frühwerk Hebbels zu erkennen glaubte
Traumerzählung ''Holion'', so wurde es später Hebbel zugeschrieben und hat beispielsweise Eingang in
(Liepe 1953). Da dessen Argumentation aber teilweise nicht schlüssig ist, bleibt die Autorschaft des
die kritische Werkausgabe der 1960er-Jahre gefunden. Diese Entscheidung wird v.a. mit einem  
Aufsatz von Wolfgang Liepe begründet, der in ''Der Traum'' ein Frühwerk Hebbels zu erkennen glaubte  
(Liepe 1953). Da dessen Argumentation aber teilweise nicht schlüssig ist, bleibt die Autorschaft des  
Texts letztlich zweifelhaft.
Texts letztlich zweifelhaft.


==Der Traum==
==Der Traum==
===Beschreibung===  
===Beschreibung=== ''Der Traum'' beginnt unvermittelt mit einer nächtlichen Wanderung durch eine wie ausgestorbenerscheinende Winterlandschaft, in der sich der namenlose Ich-Erzähler allmählich in einenSchneemann verwandelt: "Ich meine, ich sollte einen schwarzen Rock anhaben; ich wußte gewiß, er
''Der Traum'' beginnt unvermittelt mit einer nächtlichen Wanderung durch eine wie ausgestorben
war schwarz gewesen, ja gewesen! – nun aber ganz übersilbert von Reif und Schnee!" (233). In
erscheinende Winterlandschaft, in der sich der namenlose Ich-Erzähler allmählich in einen
Analogie zur Schneewüste und äußerlichen Vereisung gestaltet sich auch sein Inneres: "und in mir
Schneemann verwandelt: "Ich meine, ich sollte einen schwarzen Rock anhaben; ich wußte gewiß, er  
alles so öde, so leer, die Glieder so kalt, das Herz erfroren, das Gehirn Eis" (233). Sucht der Erzähler
war schwarz gewesen, ja gewesen! – nun aber ganz übersilbert von Reif und Schnee!" (233). In  
zunächst noch nach anderem Leben, erkennt er bald: "Sie schlafen ja alle, alle Tiere, alle Menschen
Analogie zur Schneewüste und äußerlichen Vereisung gestaltet sich auch sein Inneres: "und in mir  
schlafen, die ganze Welt schläft, ist gestorben, ist erfroren. Sie wollte sich vor der Kälte schirmen
alles so öde, so leer, die Glieder so kalt, das Herz erfroren, das Gehirn Eis" (233). Sucht der Erzähler  
unter der Schneedecke und hat sich in ihr Leichentuch gewickelt" (233). Der Schneemann resümiert:
zunächst noch nach anderem Leben, erkennt er bald: "Sie schlafen ja alle, alle Tiere, alle Menschen  
"alle meine Sehnsucht, meine Liebe, meine Sorge, alles was ich war, ist gewesen, gewesen, um nie
schlafen, die ganze Welt schläft, ist gestorben, ist erfroren. Sie wollte sich vor der Kälte schirmen  
wieder zu werden" (234), denn das "Dichten und Trachten war so eitel, mein Streben und Mühen so
unter der Schneedecke und hat sich in ihr Leichentuch gewickelt" (233). Der Schneemann resümiert:  
nichtig." (234). So erscheint ihm seine neue Gestalt letztlich als logische Konsequenz, da der
"alle meine Sehnsucht, meine Liebe, meine Sorge, alles was ich war, ist gewesen, gewesen, um nie  
Schneemann "nichts ist und in nichts zerfließt, wenn die Sonne aufgeht am Tage des Gerichts" (234).
wieder zu werden" (234), denn das "Dichten und Trachten war so eitel, mein Streben und Mühen so  
Als er schließlich auf der Flucht vor den Strahlen der aufgehenden Sonne zu schmelzen droht und zu
nichtig." (234). So erscheint ihm seine neue Gestalt letztlich als logische Konsequenz, da der  
den Toren seiner Heimatstadt eilt, weckt ihn seine Frau im nächtlichen Ehebett auf. Während des
Schneemann "nichts ist und in nichts zerfließt, wenn die Sonne aufgeht am Tage des Gerichts" (234).  
Schlafs war dem Erzähler die Decke heruntergeglitten, die er nun nochmals über sich zieht. Bevor er
Als er schließlich auf der Flucht vor den Strahlen der aufgehenden Sonne zu schmelzen droht und zu  
den Toren seiner Heimatstadt eilt, weckt ihn seine Frau im nächtlichen Ehebett auf. Während des  
Schlafs war dem Erzähler die Decke heruntergeglitten, die er nun nochmals über sich zieht. Bevor er  
wieder einschläft, resümiert er: "[D]as Leben ein Traum!" (235).
wieder einschläft, resümiert er: "[D]as Leben ein Traum!" (235).


===Formale Besonderheiten und Traumhaftigkeit===
===Formale Besonderheiten und Traumhaftigkeit===
Da eine einleitende Rahmung mit Zubettgehen oder Einschlafen fehlt, erlaubt erst die Aufwachszene  
Da eine einleitende Rahmung mit Zubettgehen oder Einschlafen fehlt, erlaubt erst die Aufwachszene kurz vor Textschluss eine Deutung der vorangegangenen Handlung als Traum. DieRezeptionssituation ähnelt somit der eines Träumenden: Wer träumt, weiß nicht, dass er träumt. DasTraumgeschehen ereignet sich, ohne skeptisch hinterfragt zu werden. "[I]ch bin nicht Ich, bin kein
kurz vor Textschluss eine Deutung der vorangegangenen Handlung als Traum. Die
Mensch mehr, ich bin ein wandelnder Schneemann." (233). Die Plausibilität dieser Metamorphose
Rezeptionssituation ähnelt somit der eines Träumenden: Wer träumt, weiß nicht, dass er träumt. Das
zweifelt der Erzähler nicht an. Auch die Veränderung der Erzählperspektive bzw. der Fokalisierung
Traumgeschehen ereignet sich, ohne skeptisch hinterfragt zu werden. "[I]ch bin nicht Ich, bin kein  
unterstreicht die sich auflösende Identität des Erzählers: Mal überblickt er die gesamte Welt, mal
Mensch mehr, ich bin ein wandelnder Schneemann." (233). Die Plausibilität dieser Metamorphose  
betrachtet er sich selbst in Außensicht und fürchtet sich vor der fremdartigen Gestalt: "Hu! mir
zweifelt der Erzähler nicht an. Auch die Veränderung der Erzählperspektive bzw. der Fokalisierung  
graust vor dem Schneemann, der ja so wunderlich vor mir her tanzt. Ich bin ja selber dieser
unterstreicht die sich auflösende Identität des Erzählers: Mal überblickt er die gesamte Welt, mal  
betrachtet er sich selbst in Außensicht und fürchtet sich vor der fremdartigen Gestalt: "Hu! mir  
graust vor dem Schneemann, der ja so wunderlich vor mir her tanzt. Ich bin ja selber dieser  
Schneemann, bin ja doch miterfroren mit der ganzen weiten Welt!" (234).
Schneemann, bin ja doch miterfroren mit der ganzen weiten Welt!" (234).


Ein zentrales Motiv in ''Der Traum'' ist die mit Todesmotiven aufgeladene verblasste Metapher der  
Ein zentrales Motiv in ''Der Traum'' ist die mit Todesmotiven aufgeladene verblasste Metapher der
Schneedecke, unter der die Toten "schlafen" (233): Der Schnee "hüllt" die Landschaft in ein "weites,  
Schneedecke, unter der die Toten "schlafen" (233): Der Schnee "hüllt" die Landschaft in ein "weites,
weißes Gewand" (233) und wird mit seiner todbringenden Kälte zum "Leichentuch" (233) und  
weißes Gewand" (233) und wird mit seiner todbringenden Kälte zum "Leichentuch" (233) und
"Totenkleid" (233). Retrospektiv wird Leben, Wärme, Farbigkeit, Bewegung und geschäftiges Treiben  
"Totenkleid" (233). Retrospektiv wird Leben, Wärme, Farbigkeit, Bewegung und geschäftiges Treiben
auf der einen Seite mit Tod, Kälte, Weiß, Erstarrung und Schlaf auf der anderen Seite kontrastiert. Die  
auf der einen Seite mit Tod, Kälte, Weiß, Erstarrung und Schlaf auf der anderen Seite kontrastiert. Die
zu Beginn noch realistisch deutbare, scheinbar nur symbolisch aufgeladene Naturbeschreibung  
zu Beginn noch realistisch deutbare, scheinbar nur symbolisch aufgeladene Naturbeschreibung
verweigert sich zunehmend einer uneigentlichen Lesart: "Was scharrt da mein Fuß aus dem Schnee!  
verweigert sich zunehmend einer uneigentlichen Lesart: "Was scharrt da mein Fuß aus dem Schnee!
Ein Knochengerippe, vom Schnee gebleicht! Von einem Vogel nur, vom letzten Vogel vielleicht. Tritt  
Ein Knochengerippe, vom Schnee gebleicht! Von einem Vogel nur, vom letzten Vogel vielleicht. Tritt
leiser auf, wo ein Gerippe liegt, können mehr liegen. Für einen Vogel ist das Leichentuch zu groß und  
leiser auf, wo ein Gerippe liegt, können mehr liegen. Für einen Vogel ist das Leichentuch zu groß und
weit." Die Landschaft erscheint somit ebenso (alp-)traumhaft wie die Figur des Schneemanns.
weit." Die Landschaft erscheint somit ebenso (alp-)traumhaft wie die Figur des Schneemanns.


===Interpretation===
===Interpretation===
Anders als beispielsweise ''Des Greises Traum'' oder Hebbels autobiographische Traumberichte in  
Anders als beispielsweise ''Des Greises Traum'' oder Hebbels autobiographische Traumberichte in seinen Tagebüchern wurde ''Der Traum'' von der Forschung kaum beachtet.Wolfgang Liepe vermutet in Der Traum zahlreiche intertextuelle Verweise, u.a. auf Schuberts[["Die Symbolik des Traumes" (Gotthilf Heinrich Schubert)|''Die Symbolik des Traumes'']] und seine Naturphilosophie, auf Tagebuchaufzeichnungen Hebbels und auf sein Gedicht ''Winterlandschaft'' (Liepe 1953). Seine Belege halten einer Überprüfung allerdings
seinen Tagebüchern wurde ''Der Traum'' von der Forschung kaum beachtet.  
überwiegend nicht stand. Lediglich der Bezug auf das christliche Glaubenssystem mit der sündhaften
Wolfgang Liepe vermutet in Der Traum zahlreiche intertextuelle Verweise, u.a. auf Schuberts  
Eitelkeit und den Tag des Jüngsten Gerichts sind gesichert. Er wird allerdings ebenso wie der Verweis
[[Die Symbolik des Traumes|''Symbolik des Traumes'']] und seine Naturphilosophie, auf Tagebuchaufzeichnungen Hebbels und auf sein Gedicht ''Winterlandschaft'' (Liepe 1953). Seine Belege halten einer Überprüfung allerdings  
auf den Tod als letzte Ruhe in Der Traum nicht weiter ausgestaltet. Auch die Sentenz vom Leben als
überwiegend nicht stand. Lediglich der Bezug auf das christliche Glaubenssystem mit der sündhaften  
Traum drückt in diesem Text nicht mehr aus als die Erleichterung über das Erwachen aus einem
Eitelkeit und den Tag des Jüngsten Gerichts sind gesichert. Er wird allerdings ebenso wie der Verweis  
auf den Tod als letzte Ruhe in Der Traum nicht weiter ausgestaltet. Auch die Sentenz vom Leben als  
Traum drückt in diesem Text nicht mehr aus als die Erleichterung über das Erwachen aus einem  
Alptraum.
Alptraum.


''Der Traum'' stellt letztlich einen Angsttraum in einer endzeitlich anmutenden Welt dar, die nicht  
''Der Traum'' stellt letztlich einen Angsttraum in einer endzeitlich anmutenden Welt dar, die nicht
genauer verortet werden kann. Diese Alptraumwelt erinnert an den Gottesacker in Jean Pauls ''Rede des toten Christus'', ist aber weit weniger dramatisch inszeniert und das Geschehen entfaltet nicht die  
genauer verortet werden kann. Diese Alptraumwelt erinnert an den Gottesacker in Jean Pauls ''Rede des toten Christus'', ist aber weit weniger dramatisch inszeniert und das Geschehen entfaltet nicht die
theologische Aussagekraft des möglichen Vorbilds. In beiden Texten endet die Traumhandlung  
theologische Aussagekraft des möglichen Vorbilds. In beiden Texten endet die Traumhandlung
unmittelbar vor dem Jüngsten Gericht und das abrupte Erwachen in einem friedlichen Diesseits bringt  
unmittelbar vor dem Jüngsten Gericht und das abrupte Erwachen in einem friedlichen Diesseits bringt
somit Erleichterung. Die heruntergeglittene Decke und der ausgekühlte Körper des Träumenden  
somit Erleichterung. Die heruntergeglittene Decke und der ausgekühlte Körper des Träumenden
bieten profane Auslöser für die verstörenden Traumgedanken und greifen die Metapher der  
bieten profane Auslöser für die verstörenden Traumgedanken und greifen die Metapher der
Schneedecke ins Harmlose gewendet auf. Auch der Ausspruch "[D]as Leben ein Traum!" (235) ist  
Schneedecke ins Harmlose gewendet auf. Auch der Ausspruch "[D]as Leben ein Traum!" (235) ist
eher beschwichtigend und ein Gemeinplatz, als dass auf Calderón verwiesen werden sollte.
eher beschwichtigend und ein Gemeinplatz, als dass auf Calderón verwiesen werden sollte.


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==Ausgaben==
==Ausgaben==
Die Seitenangaben der Zitate in diesem Artikel beziehen sich auf die unten stehende fünfbändige  
Die Seitenangaben der Zitate in diesem Artikel beziehen sich auf die unten stehende fünfbändige kritische Werkausgabe. In der für die Forschung nach wie vor maßgeblichen, von Richard Maria
kritische Werkausgabe. In der für die Forschung nach wie vor maßgeblichen, von Richard Maria  
Werner besorgten historisch-kritischen Werkausgabe (1901–1907) ist ''Der Traum'' nicht enthalten.
Werner besorgten historisch-kritischen Werkausgabe (1901–1907) ist ''Der Traum'' nicht enthalten.


* Der Traum. In: Friedrich Hebbel: Werke. 5 Bde. Hg. von Gerhard Fricke, Werner Keller u. Karl Pörnbacher. Bd. 3: Gedichte, Erzählungen, Theoretische Schriften. München: Hanser 1965, 233-235.
* Der Traum. In: Friedrich Hebbel: Werke. 5 Bde. Hg. von Gerhard Fricke, Werner Keller u. Karl Pörnbacher. Bd. 3: Gedichte, Erzählungen, Theoretische Schriften. München: Hanser 1965, 233-235.
(= kritische Werkausgabe)
(= kritische Werkausgabe)
* Der Traum. In: Friedrich Hebbel: Meistererzählungen. Hg. u. mit einem Nachw. von Monika Ritzer. München: dtv 2013, 157-159.
* Der Traum. In: Friedrich Hebbel: Meistererzählungen. Hg. u. mit einem Nachw. von Monika Ritzer. München: dtv 2013, 157-159.
(= empfohlene Leseausgabe)
(= empfohlene Leseausgabe)


==Forschungsliteratur==
==Forschungsliteratur==
* Engel, Manfred: "Ich hatte über Nacht einen merkwürdigen Traum." Traumnotate und Traumtheorie in Hebbels Tagebüchern. In: Hebbel-Jahrbuch 61 (2006), 7-23.
* Engel, Manfred: "Ich hatte über Nacht einen merkwürdigen Traum." Traumnotate und Traumtheorie in Hebbels Tagebüchern. In: Hebbel-Jahrbuch 61 (2006), 7-23.
* Kreuzer, Stefanie: Traum und Erzählen in Literatur, Film und Kunst. Paderborn: Fink 2014.  
* Kreuzer, Stefanie: Traum und Erzählen in Literatur, Film und Kunst. Paderborn: Fink 2014.
* Liepe, Wolfgang: Unbekannte und unerkannte Frühprosen Hebbels. Untersuchungen zur ersten geistigen Entwicklung des Dichters. In: Hebbel-Jahrbuch 1953, 28-79.  
* Liepe, Wolfgang: Unbekannte und unerkannte Frühprosen Hebbels. Untersuchungen zur ersten geistigen Entwicklung des Dichters. In: Hebbel-Jahrbuch 1953, 28-79.


==Weblinks==
==Weblinks==

Version vom 13. September 2015, 14:18 Uhr

Die 1829 anonym veröffentlichte und Friedrich Hebbel zugeschriebene kurze Erzählung Der Traum schildert einen nächtlichen Alptraum, der als Todes- oder Endzeit- bzw. Jenseitsvision gedeutet werden kann.

Autor

Der deutsche Dramatiker Christian Friedrich Hebbel wird 1813 als Sohn eines Tagelöhners und Maurers in Wesselburen (Dithmarschen) geboren, das zu dieser Zeit noch unter dänischer Herrschaftstand. Er besucht die Volksschule und absolviert eine Maurerlehre. Nach dem Tod des Vaters 1827 istHebbel in Wesselburen zunächst als Laufbursche, später als Schreiber des Vogts beschäftigt und erhält Zugang zu dessen Bibliothek. Durch erste Veröffentlichungen in Zeitschriften (Gedichte und Kurzprosa) in den folgenden Jahren wird die Schriftstellerin Amalie Schoppe (1791-1858) auf ihn aufmerksam. Sie ermöglicht ihm, nach Hamburg umzusiedeln. Dank eines Stipendiums und durch die finanzielle Unterstützung der Hamburger Näherin und Putzmacherin Elise Lensing kann Hebbel 1836 in Heidelberg studieren und sich bis 1839 in München autodidaktisch bilden. Elise Lensing wird auch seine Geliebte; aus der Beziehung gehen zwei uneheliche Söhne hervor. 1841 wird Hebbel mit der Veröffentlichung der Tragödie Judith einem größeren Publikum bekannt. 1842-1843 folgen Audienzen am Hof in Kopenhagen und ein Aufenthalt in Paris mit einem königlich-dänischen Reisestipendium. 1844-1846 reist Hebbel über Frankreich nach Italien und schließlich nach Wien. Dort heiratet er 1846 die Burgtheaterschauspielerin Christine Enghaus und gründet eine Familie. Die Ehe bringt Hebbel schließlich materielle Sicherheit und ermöglicht ihm den gesellschaftlichen Aufstieg. Bis zu seinem Tod 1863 lebt Hebbel in Wien und verfasst zahlreiche Dramen, u.a. Die Nibelungen (1861).

Entstehungs- und Druckgeschichte

Der Traum wurde erstmals am 12. Februar 1829 im Ditmarser und Eiderstädter Boten anonym veröffentlicht. Sah die Forschung in dem Prosastück zunächst nur ein Vorbild für HebbelsTraumerzählung Holion, so wurde es später Hebbel zugeschrieben und hat beispielsweise Eingang indie kritische Werkausgabe der 1960er-Jahre gefunden. Diese Entscheidung wird v.a. mit einem Aufsatz von Wolfgang Liepe begründet, der in Der Traum ein Frühwerk Hebbels zu erkennen glaubte (Liepe 1953). Da dessen Argumentation aber teilweise nicht schlüssig ist, bleibt die Autorschaft des Texts letztlich zweifelhaft.

Der Traum

===Beschreibung=== Der Traum beginnt unvermittelt mit einer nächtlichen Wanderung durch eine wie ausgestorbenerscheinende Winterlandschaft, in der sich der namenlose Ich-Erzähler allmählich in einenSchneemann verwandelt: "Ich meine, ich sollte einen schwarzen Rock anhaben; ich wußte gewiß, er war schwarz gewesen, ja gewesen! – nun aber ganz übersilbert von Reif und Schnee!" (233). In Analogie zur Schneewüste und äußerlichen Vereisung gestaltet sich auch sein Inneres: "und in mir alles so öde, so leer, die Glieder so kalt, das Herz erfroren, das Gehirn Eis" (233). Sucht der Erzähler zunächst noch nach anderem Leben, erkennt er bald: "Sie schlafen ja alle, alle Tiere, alle Menschen schlafen, die ganze Welt schläft, ist gestorben, ist erfroren. Sie wollte sich vor der Kälte schirmen unter der Schneedecke und hat sich in ihr Leichentuch gewickelt" (233). Der Schneemann resümiert: "alle meine Sehnsucht, meine Liebe, meine Sorge, alles was ich war, ist gewesen, gewesen, um nie wieder zu werden" (234), denn das "Dichten und Trachten war so eitel, mein Streben und Mühen so nichtig." (234). So erscheint ihm seine neue Gestalt letztlich als logische Konsequenz, da der Schneemann "nichts ist und in nichts zerfließt, wenn die Sonne aufgeht am Tage des Gerichts" (234). Als er schließlich auf der Flucht vor den Strahlen der aufgehenden Sonne zu schmelzen droht und zu den Toren seiner Heimatstadt eilt, weckt ihn seine Frau im nächtlichen Ehebett auf. Während des Schlafs war dem Erzähler die Decke heruntergeglitten, die er nun nochmals über sich zieht. Bevor er wieder einschläft, resümiert er: "[D]as Leben ein Traum!" (235).

Formale Besonderheiten und Traumhaftigkeit

Da eine einleitende Rahmung mit Zubettgehen oder Einschlafen fehlt, erlaubt erst die Aufwachszene kurz vor Textschluss eine Deutung der vorangegangenen Handlung als Traum. DieRezeptionssituation ähnelt somit der eines Träumenden: Wer träumt, weiß nicht, dass er träumt. DasTraumgeschehen ereignet sich, ohne skeptisch hinterfragt zu werden. "[I]ch bin nicht Ich, bin kein Mensch mehr, ich bin ein wandelnder Schneemann." (233). Die Plausibilität dieser Metamorphose zweifelt der Erzähler nicht an. Auch die Veränderung der Erzählperspektive bzw. der Fokalisierung unterstreicht die sich auflösende Identität des Erzählers: Mal überblickt er die gesamte Welt, mal betrachtet er sich selbst in Außensicht und fürchtet sich vor der fremdartigen Gestalt: "Hu! mir graust vor dem Schneemann, der ja so wunderlich vor mir her tanzt. Ich bin ja selber dieser Schneemann, bin ja doch miterfroren mit der ganzen weiten Welt!" (234).

Ein zentrales Motiv in Der Traum ist die mit Todesmotiven aufgeladene verblasste Metapher der Schneedecke, unter der die Toten "schlafen" (233): Der Schnee "hüllt" die Landschaft in ein "weites, weißes Gewand" (233) und wird mit seiner todbringenden Kälte zum "Leichentuch" (233) und "Totenkleid" (233). Retrospektiv wird Leben, Wärme, Farbigkeit, Bewegung und geschäftiges Treiben auf der einen Seite mit Tod, Kälte, Weiß, Erstarrung und Schlaf auf der anderen Seite kontrastiert. Die zu Beginn noch realistisch deutbare, scheinbar nur symbolisch aufgeladene Naturbeschreibung verweigert sich zunehmend einer uneigentlichen Lesart: "Was scharrt da mein Fuß aus dem Schnee! Ein Knochengerippe, vom Schnee gebleicht! Von einem Vogel nur, vom letzten Vogel vielleicht. Tritt leiser auf, wo ein Gerippe liegt, können mehr liegen. Für einen Vogel ist das Leichentuch zu groß und weit." Die Landschaft erscheint somit ebenso (alp-)traumhaft wie die Figur des Schneemanns.

Interpretation

Anders als beispielsweise Des Greises Traum oder Hebbels autobiographische Traumberichte in seinen Tagebüchern wurde Der Traum von der Forschung kaum beachtet.Wolfgang Liepe vermutet in Der Traum zahlreiche intertextuelle Verweise, u.a. auf SchubertsDie Symbolik des Traumes und seine Naturphilosophie, auf Tagebuchaufzeichnungen Hebbels und auf sein Gedicht Winterlandschaft (Liepe 1953). Seine Belege halten einer Überprüfung allerdings überwiegend nicht stand. Lediglich der Bezug auf das christliche Glaubenssystem mit der sündhaften Eitelkeit und den Tag des Jüngsten Gerichts sind gesichert. Er wird allerdings ebenso wie der Verweis auf den Tod als letzte Ruhe in Der Traum nicht weiter ausgestaltet. Auch die Sentenz vom Leben als Traum drückt in diesem Text nicht mehr aus als die Erleichterung über das Erwachen aus einem Alptraum.

Der Traum stellt letztlich einen Angsttraum in einer endzeitlich anmutenden Welt dar, die nicht genauer verortet werden kann. Diese Alptraumwelt erinnert an den Gottesacker in Jean Pauls Rede des toten Christus, ist aber weit weniger dramatisch inszeniert und das Geschehen entfaltet nicht die theologische Aussagekraft des möglichen Vorbilds. In beiden Texten endet die Traumhandlung unmittelbar vor dem Jüngsten Gericht und das abrupte Erwachen in einem friedlichen Diesseits bringt somit Erleichterung. Die heruntergeglittene Decke und der ausgekühlte Körper des Träumenden bieten profane Auslöser für die verstörenden Traumgedanken und greifen die Metapher der Schneedecke ins Harmlose gewendet auf. Auch der Ausspruch "[D]as Leben ein Traum!" (235) ist eher beschwichtigend und ein Gemeinplatz, als dass auf Calderón verwiesen werden sollte.

MG

Ausgaben

Die Seitenangaben der Zitate in diesem Artikel beziehen sich auf die unten stehende fünfbändige kritische Werkausgabe. In der für die Forschung nach wie vor maßgeblichen, von Richard Maria Werner besorgten historisch-kritischen Werkausgabe (1901–1907) ist Der Traum nicht enthalten.

  • Der Traum. In: Friedrich Hebbel: Werke. 5 Bde. Hg. von Gerhard Fricke, Werner Keller u. Karl Pörnbacher. Bd. 3: Gedichte, Erzählungen, Theoretische Schriften. München: Hanser 1965, 233-235.

(= kritische Werkausgabe)

  • Der Traum. In: Friedrich Hebbel: Meistererzählungen. Hg. u. mit einem Nachw. von Monika Ritzer. München: dtv 2013, 157-159.

(= empfohlene Leseausgabe)

Forschungsliteratur

  • Engel, Manfred: "Ich hatte über Nacht einen merkwürdigen Traum." Traumnotate und Traumtheorie in Hebbels Tagebüchern. In: Hebbel-Jahrbuch 61 (2006), 7-23.
  • Kreuzer, Stefanie: Traum und Erzählen in Literatur, Film und Kunst. Paderborn: Fink 2014.
  • Liepe, Wolfgang: Unbekannte und unerkannte Frühprosen Hebbels. Untersuchungen zur ersten geistigen Entwicklung des Dichters. In: Hebbel-Jahrbuch 1953, 28-79.

Weblinks

  • Wittkowski, Wolfgang: Hebbel, Christian Friedrich. In: Neue Deutsche Biographie 8 (1969), 160-164: Onlinefassung