"Perikızı. Ein Traumspiel" (Emine Sevgi Özdamar): Unterschied zwischen den Versionen

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Einen Begegnungsraum stellt der Traum aber nicht nur auf der Textoberfläche dar. Auch Perikızıs geträumte Reise an sich bietet Raum für Begegnungen. Dabei ist das Zusammentreffen Perikızıs mit den Toten im Hades die entscheidende Begegnung in ''Perikızı''. Während die mit einer Reise gewöhnlich einhergehenden Begegnungen mit dem kulturell Anderen/Fremden im Traum allesamt scheitern, gelingt die im Wachen unmögliche, im Traum dagegen denkbare Begegnung mit den Toten. Die Grenze, die Perikızı als Lebende von den Toten trennt, überschreitet sie, wenn sie am Ende der ersten Szene durch die Spiegeltür tritt. Diese Übergangfunktion des Spiegels hat die Großmutter in der ersten Szene bereits benannt: „Schau nicht in der Nacht in den Spiegel, die Geister werden dich zu einem anderen Land treiben“ (P 274). Hier wird deutlich, dass die Grenze, die der Spiegel markiert, mehr ist, als ‚nur‘ die Grenze zwischen Wach- und Traumwelt. Die Geister, die Perikızı in ein anderes Land treiben werden, verweisen auf die Grenze von Leben und Tod, die im Traum durchlässig und in beide Richtungen passiert werden kann.
Einen Begegnungsraum stellt der Traum aber nicht nur auf der Textoberfläche dar. Auch Perikızıs geträumte Reise an sich bietet Raum für Begegnungen. Dabei ist das Zusammentreffen Perikızıs mit den Toten im Hades die entscheidende Begegnung in ''Perikızı''. Während die mit einer Reise gewöhnlich einhergehenden Begegnungen mit dem kulturell Anderen/Fremden im Traum allesamt scheitern, gelingt die im Wachen unmögliche, im Traum dagegen denkbare Begegnung mit den Toten. Die Grenze, die Perikızı als Lebende von den Toten trennt, überschreitet sie, wenn sie am Ende der ersten Szene durch die Spiegeltür tritt. Diese Übergangfunktion des Spiegels hat die Großmutter in der ersten Szene bereits benannt: „Schau nicht in der Nacht in den Spiegel, die Geister werden dich zu einem anderen Land treiben“ (P 274). Hier wird deutlich, dass die Grenze, die der Spiegel markiert, mehr ist, als ‚nur‘ die Grenze zwischen Wach- und Traumwelt. Die Geister, die Perikızı in ein anderes Land treiben werden, verweisen auf die Grenze von Leben und Tod, die im Traum durchlässig und in beide Richtungen passiert werden kann.


Mit ihrem Großvater und den beiden armenischen Jugendfreundinnen ihrer Großmutter trifft Perikızı im Traum gerade auf jene Tote, von denen sie sich in ihrem Wachleben vehement zu distanzieren versucht. Neben verstorbenen Angehörigen und Freundinnen lassen sich diese Toten auf einer allgemeingültigen Ebene aber auch als StellvertreterInnen aller Kriegs- und Völkermordsopfer sehen (vgl. Kugler/Totzke 2013, 113). Perikızıs Begegnung mit den Toten schließt daher auch die Konfrontation mit zwei großen kollektiven Traumata des 20. Jahrhunderts mit ein. Als Mitglied der Enkelgeneration ist es ihre Aufgabe, die Erinnerung an die Verfolgten und Ermordeten auch über den Tod der ZeitzeugInnen hinaus zu bewahren. Für die ZeiteugInnen tritt im Stück Perikızıs Großmutter auf, die in regelmäßigen Abständen in ihrem Alpräumen von „Bilder[n] von früher besuch[t]“ (P 276) wird. Dies äußert sich in starkem Nasenbluten und monologischen Erzählung, in denen sich die Großmutter an die gewaltsamen Todesumstände ihres Mannes und ihrer armenischen Freundinnen erinnert. Sie wünscht sich, dass auch Perikızı den Toten gedenkt. Dies vermittelt besonders ein von der Großmutter in der ersten Szene erzählter Traum, in dem Perikızı mit der Stimme und aus der Perspektive der Großmutter spricht. Auf die Traumerzählung ihrer Großmutter und überhaupt auf die Toten reagiert Perikızı in der Wachwelt mit radikaler Ablehnung, die sich in Formulierungen wie „Ich spucke auf die Toten. Ich scheiße auf die Toten“ (P 291) äußert. In ihrem Traum dagegen wandelt sich diese Ablehnung zu einer Art Akzeptanz und Aneignung der Erinnerung.
Mit ihrem Großvater und den beiden armenischen Jugendfreundinnen ihrer Großmutter trifft Perikızı im Traum gerade auf jene Tote, von denen sie sich in ihrem Wachleben vehement zu distanzieren versucht. Neben verstorbenen Angehörigen und Freundinnen lassen sich diese Toten auf einer allgemeingültigen Ebene aber auch als StellvertreterInnen aller Kriegs- und Völkermordsopfer sehen (vgl. Kugler/Totzke 2013, 113). Perikızıs Begegnung mit den Toten schließt daher auch die Konfrontation mit zwei großen kollektiven Traumata des 20. Jahrhunderts mit ein. Als Mitglied der Enkelgeneration ist es ihre Aufgabe, die Erinnerung an die Verfolgten und Ermordeten auch über den Tod der ZeitzeugInnen hinaus zu bewahren. Für die ZeiteugInnen tritt im Stück Perikızıs Großmutter auf, die in regelmäßigen Abständen in ihrem Alpträumen von „Bilder[n] von früher besuch[t]“ (P 276) wird. Dies äußert sich in starkem Nasenbluten und monologischen Erzählung, in denen sich die Großmutter an die gewaltsamen Todesumstände ihres Mannes und ihrer armenischen Freundinnen erinnert. Sie wünscht sich, dass auch Perikızı den Toten gedenkt. Dies vermittelt besonders ein von der Großmutter in der ersten Szene erzählter Traum, in dem Perikızı mit der Stimme und aus der Perspektive der Großmutter spricht. Auf die Traumerzählung ihrer Großmutter und überhaupt auf die Toten reagiert Perikızı in der Wachwelt mit radikaler Ablehnung, die sich in Formulierungen wie „Ich spucke auf die Toten. Ich scheiße auf die Toten“ (P 291) äußert. In ihrem Traum dagegen wandelt sich diese Ablehnung zu einer Art Akzeptanz und Aneignung der Erinnerung.


Wenn in der letzten Traumszene das Zusammentreffen mit den Toten im Hades mit einer Party gefeiert wird, stellt dies einen Gegensatz zu Perikızıs Abwehr der Erinnerung an die Toten in der Wachwelt dar. Zugleich wird die Möglichkeit eines anderen erinnernden Umgangs mit der traumatischen Vergangenheit formuliert, was wiederum im Kontrast zu den Alpträumen der Großmutter steht. Vor dem Hintergrund, dass der Völkermord an den Armeniern in der Türkei bis heute kein Teil eines öffentlichen Gedenkdiskures ist, erweist sich der Traum in ''Perikızı'' zudem als ein geeignetes Mittel, um diese Verdrängung und verfehlte Aufarbeitung zum Thema zu machen und zugleich einen Erinnerungsraum für die Opfer zu schaffen.
Wenn in der letzten Traumszene das Zusammentreffen mit den Toten im Hades mit einer Party gefeiert wird, stellt dies einen Gegensatz zu Perikızıs Abwehr der Erinnerung an die Toten in der Wachwelt dar. Zugleich wird die Möglichkeit eines anderen erinnernden Umgangs mit der traumatischen Vergangenheit formuliert, was wiederum im Kontrast zu den Alpträumen der Großmutter steht. Vor dem Hintergrund, dass der Völkermord an den Armeniern in der Türkei bis heute kein Teil eines öffentlichen Gedenkdiskures ist, erweist sich der Traum in ''Perikızı'' zudem als ein geeignetes Mittel, um diese Verdrängung und verfehlte Aufarbeitung zum Thema zu machen und zugleich einen Erinnerungsraum für die Opfer zu schaffen.
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