"Un chien andalou" (Luis Buñuel): Unterschied zwischen den Versionen

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==''Un chien andalou'' (1929)==
==''Un chien andalou'' (1929)==
Der experimentelle Kurzfilm ''Un chien andalou'' – uraufgeführt am 6. Juni 1929 in Paris – stellt nun ein spannendes Paradox in einer Filmgeschichte des Traums dar. Einerseits findet sich in dem schwarz-weißen Stummfilm keine explizite Traumszene: Im Gegensatz zum kurzen Traum des Feuerwehrmanns, der in Edwin S. Porters ''Life of an American Fireman'' (1902) noch als 'Gedankenblase' montiert war, gibt es in ''Un chien andalou'' keine solch klare Markierung – die Deutung von Buñuels und Dalís Film als ein Traum ist also letztlich eine Interpretation, wenn auch eine Lesart, die sich in der Forschungsliteratur sehr häufig findet, und es schon eher verwundert, wenn dieser Film in der Filmgeschichte des Traums ausgespart wird (vgl. etwa Koebner 2018). Doch gibt es andererseits gute Gründe, den Film insgesamt aufgrund der "narrativen Kombinatorik der Bilder und Handlungsepisoden" (Kreuzer 2014: 623) als "bildliche Metaphorisierung der Traumarbeit selbst" (Jaspers 2009: 131f.) zu verstehen und daher als filmische Traumdarstellung zu verstehen.
Der experimentelle Kurzfilm ''Un chien andalou'' – uraufgeführt am 6. Juni 1929 in Paris – stellt nun ein spannendes Paradox in einer Filmgeschichte des Traums dar. Einerseits findet sich in dem schwarz-weißen Stummfilm keine explizite Traumszene: Im Gegensatz zum kurzen Traum des Feuerwehrmanns, der in Edwin S. Porters ''Life of an American Fireman'' (1902) noch als 'Gedankenblase' montiert war, gibt es in ''Un chien andalou'' keine solch klare Markierung – die Deutung von Buñuels und Dalís Film als ein Traum ist also letztlich eine Interpretation, wenn auch eine Lesart, die sich in der Forschungsliteratur sehr häufig findet, und es schon eher verwundert, wenn dieser Film in der Filmgeschichte des Traums ausgespart wird (wie etwa in Koebner 2018). Doch gibt es andererseits gute Gründe, den Film insgesamt aufgrund der "narrativen Kombinatorik der Bilder und Handlungsepisoden" (Kreuzer 2014, 623) als "bildliche Metaphorisierung der Traumarbeit selbst" (Jaspers 2009, 131 f.) zu verstehen und daher als filmische Traumdarstellung zu verstehen.


===Entstehung===
===Entstehung===
Luis Buñuel, der zunächst noch kein offizielles Mitglied der surrealistischen Gruppe war, erinnert sich in seinen 1982 erschienenen Memoiren an die Entstehung des Films:
Luis Buñuel, der zunächst noch kein offizielles Mitglied der surrealistischen Gruppe war, erinnert sich in seinen 1982 erschienenen Memoiren an die Entstehung des Films:


: "Ce film naquit de la rencontre de deux rêves. En arrivant chez Dalí, à Figueras, invité à passer quelques jours, je lui racontai que j'avais rêvé, peu de temps auparavant, d'un nuage effilé coupant la lune et d'une lame de rasoir fendant un œil. De son côté il me raconta qu’il venait de voir en rêve, la nuit précédente, une main pleine de fourmis. Il ajouta: 'Et si nous faisions un film, en partant de ça?'." (Buñuel 1982: 125)
: Ce film naquit de la rencontre de deux rêves. En arrivant chez Dalí, à Figueras, invité à passer quelques jours, je lui racontai que j'avais rêvé, peu de temps auparavant, d'un nuage effilé coupant la lune et d'une lame de rasoir fendant un œil. De son côté il me raconta qu’il venait de voir en rêve, la nuit précédente, une main pleine de fourmis. Il ajouta: 'Et si nous faisions un film, en partant de ça?'" (Buñuel 1982, 125)
 
Gemeinsam mit Dalí sei das Drehbuch in nur einer Woche entstanden und folgte dabei dem klaren Kredo
Gemeinsam mit Dalí sei das Drehbuch in nur einer Woche entstanden und folgte dabei dem klaren Kredo


: "[de] n'accepter aucune idée, aucune image qui pût donner lieu à une explication rationnelle, psychologique ou culturelle. Ouvrir toutes les portes à l'irrationnel. N’accueillir que les images qui nous frappaient, sans chercher à savoir pourquoi". (Ebd.: 125)
: [de] n'accepter aucune idée, aucune image qui pût donner lieu à une explication rationnelle, psychologique ou culturelle. Ouvrir toutes les portes à l'irrationnel. N’accueillir que les images qui nous frappaient, sans chercher à savoir pourquoi (ebd., 125).
Vielmehr solle der Film aus möglichst vielen, einzelnen hochsymbolischen Bildern bestehen – damit lässt sich zwar ''Un chien andalou'' in einzelne Erzählstränge aufteilen und es gibt durchaus Figuren und Objekte, die mehrfach auftauchen, doch insgesamt bleibt eine kohärente Handlungsstruktur aus.
 
Vielmehr solle der Film aus möglichst vielen, hochsymbolischen Bildern bestehen – damit lässt sich zwar ''Un chien andalou'' in einzelne Erzählstränge aufteilen und es gibt durchaus Figuren und Objekte, die mehrfach auftauchen, doch insgesamt bleibt eine kohärente Handlungsstruktur aus.


[[Datei:ChienAndalou_Einstellungen.png|thumb|right|300px|Szenenfolge]]
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Dies zeigt sich auch an der generellen Filmästhetik, denn der etwas mehr als 15 Minuten lange Film (dies ist letztlich abhängig von der Wiedergabegeschwindigkeit der etwa 430 Meter langen Filmrolle) besteht, inklusive der Zwischentitel zu Beginn, aus 300 Einstellungen. Dies ist angesichts der überschaubaren Spielzeit eine durchaus hohe Zahl und bedeutete eben auch, dass kaum mit Kameraschwenks gearbeitet wird und stattdessen vielmehr Schnitte zu einer anderen Einstellung erfolgen. Sehr häufig wird dabei das Montageprinzip von Schnitt und Gegenschnitt verwendet, beispielsweise gleich zu Beginn des Films: Zweimal folgt auf die Großaufnahme eines an einer Türe geschliffenen Rasiermessers die Nahaufnahme eines rauchenden Mannes (Einstellungen 7–10).
Dies zeigt sich auch an der generellen Filmästhetik, denn der etwas mehr als 15 Minuten lange Film (dies ist letztlich abhängig von der Wiedergabegeschwindigkeit der etwa 430 Meter langen Filmrolle) besteht, inklusive der Zwischentitel zu Beginn, aus 300 Einstellungen. Dies ist angesichts der überschaubaren Spielzeit eine durchaus hohe Zahl und bedeutete eben auch, dass kaum mit Kameraschwenks gearbeitet wird und stattdessen vielmehr Schnitte zu einer anderen Einstellung erfolgen. Sehr häufig wird dabei das Montageprinzip von Schnitt und Gegenschnitt verwendet, beispielsweise gleich zu Beginn des Films: Zweimal folgt auf die Großaufnahme eines an einer Türe geschliffenen Rasiermessers die Nahaufnahme eines rauchenden Mannes (Einstellungen 7–10).


Es ist daher sicherlich nicht zufällig, dass diese Sequenz nicht über einen einzigen Kameraschwenk gelöst, sondern in vier aufeinanderfolgenden Einstellungen inszeniert wird; denn auch wenn die filmische Informationsvergabe identisch wäre – die ZuschauerInnen erfahren, dass Hände und Gesicht zur gleichen Person gehören –, lehnt sich eine auf schnell aufeinanderfolgenden Einzelbildern beruhende Filmästhetik stärker an Buñuels und Dalís gewünschte Traumästhetik an.
Es ist daher sicher nicht zufällig, dass diese Sequenz nicht über einen einzigen Kameraschwenk gelöst, sondern in vier aufeinanderfolgenden Einstellungen inszeniert wird; denn auch wenn die filmische Informationsvergabe identisch wäre – die ZuschauerInnen erfahren, dass Hände und Gesicht zur gleichen Person gehören –, lehnt sich eine auf schnell aufeinanderfolgenden Einzelbildern beruhende Filmästhetik stärker an Buñuels und Dalís gewünschte Traumästhetik an.


Das bedeutet aber natürlich gleichzeitig, dass ''Un chien andalou'' als Film nur bedingt surrealistische Verfahren wie die 'écriture automatique' umsetzen kann, da ja offenbar eine sehr bewusste Nachbearbeitung im Schneideraum stattfand (vgl. Talens 1994: 51). Zwar lassen sich prinzipiell auch 'zufällige' Foto- oder Filmaufnahmen vorstellen, bei denen die Fotografin oder der Kameramann (respektive der Fotograf oder die Kamerafrau), doch ist eine Filmproduktion insgesamt nicht nur stark durchgeplant, sondern letztlich auch eine kollektive Gemeinschaftsarbeit. Bereits Jean Goudal stellte fest:
Das bedeutet aber natürlich gleichzeitig, dass ''Un chien andalou'' als Film nur bedingt surrealistische Verfahren wie die 'écriture automatique' umsetzen kann, da ja offenbar eine sehr bewusste Nachbearbeitung im Schneideraum stattfand (vgl. Talens 1994, 51). Zwar lassen sich prinzipiell auch 'zufällige' Foto- oder Filmaufnahmen vorstellen, doch ist eine Filmproduktion insgesamt nicht nur stark durchgeplant, sondern letztlich auch eine kollektive Gemeinschaftsarbeit. Bereits Jean Goudal stellte fest:


: "Dans l'état actuel du cinéma, un film n'a pas un auteur, il en a deux, trois, dix, cinquante." (Goudal 1925: 354)
: Dans l'état actuel du cinéma, un film n'a pas un auteur, il en a deux, trois, dix, cinquante (Goudal 1925, 354).
Dies musste auch schließlich André Breton eingestehen, der 1932 in einem in der Zeitschrift ''La nouvelle revue française'' veröffentlichten offenen Brief die Möglichkeiten der 'écriture automatique' zu verteidigen sucht (vgl. Breton 1932: 151ff.).
 
Dies musste auch schließlich André Breton eingestehen, der 1932 in einem in der Zeitschrift ''La nouvelle revue française'' veröffentlichten offenen Brief die Möglichkeiten der 'écriture automatique' zu verteidigen sucht (Breton 1932, 151 ff.).


Dennoch stellte ''Un chien andalou'' für Buñuel und Dalí einen großen (und auch kommerziellen) Erfolg dar: "Meiner Voraussage gemäß drang er wie ein Dolch in das Herz von Paris" (Dalí 2004, 365). Dies lag zweifelsfrei sowohl an den 'schockierenden' Szenen – der Schnitt durch den Augapfel, die verwesenden Eselleichen, die aus einer Hand krabbelnden Ameisen –, die mit den Sehgewohnheiten der RezipientInnen spielen als auch an der 'verworrenen' Handlung, die radikal mit deren Erwartungen an einen Spielfilm bricht.
Dennoch stellte ''Un chien andalou'' für Buñuel und Dalí einen großen (und auch kommerziellen) Erfolg dar: "Meiner Voraussage gemäß drang er wie ein Dolch in das Herz von Paris" (Dalí 2004, 365). Dies lag zweifelsfrei sowohl an den 'schockierenden' Szenen – der Schnitt durch den Augapfel, die verwesenden Eselleichen, die aus einer Hand krabbelnden Ameisen –, die mit den Sehgewohnheiten der RezipientInnen spielen als auch an der 'verworrenen' Handlung, die radikal mit deren Erwartungen an einen Spielfilm bricht.


===Aufbau===
===Aufbau===
Der Film – und das später als kurzer Prosatext veröffentlichte Drehbuch (Buñuel/Dalí 1974) – lassen sich in zehn Handlungsepisoden unterteilen:
Der Film – und das später als kurzer Prosatext veröffentlichte Drehbuch (Buñuel/Dalí 1929 u. 1974) – lassen sich in zehn Handlungsepisoden unterteilen:


[[Datei:ChienAndalou_Aufbau.png|thumb|right|300px|Szenenfolge und Handlungsepisoden]]
[[Datei:ChienAndalou_Aufbau.png|thumb|right|300px|Szenenfolge und Handlungsepisoden]]


: Zwischentitel: "il était und fois…" (Einstellung 6) / "Es war einmal…" (Buñuel/Dalí 1974: 91)
: Zwischentitel: "il était und fois…" (Einstellung 6) / "Es war einmal…" (Buñuel/Dalí 1974, 91).
: (1) Ein rauchender Mann schleift ein Rasiermesser an der Balkontüre und testet dessen Schärfe am Daumen; vom Balkon aus beobachtet er am Mond vorbeiziehende Wolken; eine Hand hält das Auge einer Frau auf und schneidet (wie die Wolken durch den Mond) über die Pupille
: (1) Ein rauchender Mann schleift ein Rasiermesser an der Balkontüre und testet dessen Schärfe am Daumen; vom Balkon aus beobachtet er am Mond vorbeiziehende Wolken; eine Hand hält das Auge einer Frau auf und schneidet (wie die Wolken durch den Mond) über die Pupille.
: Zwischentitel: "huit ans après." (Einstellung 19) / "Acht Jahre später" (Buñuel/Dalí 1974: 91)
: Zwischentitel: "huit ans après." (Einstellung 19) / "Acht Jahre später" (Buñuel/Dalí 1974, 91).
: (2) Ein junger Mann im Nonnenhabit und mit einer Holzbox (Großaufnahme 28) um den Hals fährt auf dem Fahrrad durch die Straße; offenbar zeitgleich schreckt eine lesende Frau auf (in ihrem Buch findet sich das Vermeer-Gemälde "De kantwerkster" von 1669/70) und blickt aus dem Fenster ihrer Wohnung, wo der Fahrradfahrer soeben plötzlich umfällt und liegen bleibt (Einstellung 38); sie tritt auf die Straße und küsst den Mann (Einstellung 48); zurück im Zimmer öffnet sie die Holzbox und ordnet den Nonnenhabit auf dem Bett an
: (2) Ein junger Mann im Nonnenhabit und mit einer Holzbox (Großaufnahme 28) um den Hals fährt auf dem Fahrrad durch die Straße; offenbar zeitgleich schreckt eine lesende Frau auf (in ihrem Buch findet sich das Vermeer-Gemälde "De kantwerkster" von 1669/70) und blickt aus dem Fenster ihrer Wohnung, wo der Fahrradfahrer soeben plötzlich umfällt und liegen bleibt (Einstellung 38); sie tritt auf die Straße und küsst den Mann (Einstellung 48); zurück im Zimmer öffnet sie die Holzbox und ordnet den Nonnenhabit auf dem Bett an.
: (3) Plötzlich steht der offenbar gleiche junge Mann im Zimmer und betrachtet seine Hand, aus der plötzlich Ameisen herauskriechen (Einstellung 63); Überblendung zum Achselhaar einer am Strand liegenden Frau (Einstellung 66) und schließlich einem Seeigel (Einstellung 67)
: (3) Plötzlich steht der offenbar gleiche junge Mann im Zimmer und betrachtet seine Hand, aus der plötzlich Ameisen herauskriechen (Einstellung 63); Überblendung zum Achselhaar einer am Strand liegenden Frau (Einstellung 66) und schließlich einem Seeigel (Einstellung 67).
: (4) Überblendung zu einer Frau, die auf der Straße steht und eine abgetrennte menschliche Hand mit einem Stock bewegt, beobachtet von Schaulustigen auf der Straße und einem Paar am Wohnungsfenster; ein Polizist spricht die Frau an, legt die Hand in die Holzbox (Einstellung 85) und überreicht sie der Frau; die Menschenmenge löst sich auf, und die Frau bleibt alleine auf der Straße zurück, während Autos an ihr vorbeirasen; das Paar am Fenster beobachtet, wie sie überfahren wird, und sich erneut Menschen um sie versammeln (Einstellung 105)
: (4) Überblendung zu einer Frau, die auf der Straße steht und eine abgetrennte menschliche Hand mit einem Stock bewegt, beobachtet von Schaulustigen auf der Straße und einem Paar am Wohnungsfenster; ein Polizist spricht die Frau an, legt die Hand in die Holzbox (Einstellung 85) und überreicht sie der Frau; die Menschenmenge löst sich auf, und die Frau bleibt alleine auf der Straße zurück, während Autos an ihr vorbeirasen; das Paar am Fenster beobachtet, wie sie überfahren wird, und sich erneut Menschen um sie versammeln (Einstellung 105).
: (5) Das Paar in der Wohnung hat den Vorfall beobachtet; plötzlich bedrängt der Mann die Frau, die erschrocken zurückweicht; er fasst ihr an die Brüste (in einer Überblenden werden diese erst unbekleidet (Einstellung 121) und dann zu nackten Pobacken (Einstellung 125)); die Frau verschanzt sich in einer Zimmerecke, während der Mann plötzlich zwei Seile vom Boden aufhebt, an denen "zwei Brüder der Armenschule" (Buñuel/Dalí 1974: 94) sowie zwei Flügel mit Eselskadavern hängen, und diese unter großen Anstrengungen in die Zimmerecke zieht; die Frau flüchtet durch eine Türe, kann diese jedoch nicht schließen, da der Arm des Mannes (mit einer Hand voller Ameisen) diese blockiert (Einstellung 167); in diesem Nebenzimmer liegt plötzlich der junge Mann im Nonnenhabit und mit der Holzbox um den Hals
: (5) Das Paar in der Wohnung hat den Vorfall beobachtet; plötzlich bedrängt der Mann die Frau, die erschrocken zurückweicht; er fasst ihr an die Brüste (in einer Überblenden werden diese erst unbekleidet (Einstellung 121) und dann zu nackten Pobacken (Einstellung 125)); die Frau verschanzt sich in einer Zimmerecke, während der Mann plötzlich zwei Seile vom Boden aufhebt, an denen "zwei Brüder der Armenschule" (Buñuel/Dalí 1974: 94) sowie zwei Flügel mit Eselskadavern hängen, und diese unter großen Anstrengungen in die Zimmerecke zieht; die Frau flüchtet durch eine Türe, kann diese jedoch nicht schließen, da der Arm des Mannes (mit einer Hand voller Ameisen) diese blockiert (Einstellung 167); in diesem Nebenzimmer liegt plötzlich der junge Mann im Nonnenhabit und mit der Holzbox um den Hals.
: Zwischentitel: "vers trois heures du matin…" (Einstellung 177) / "Gegen drei Uhr morgens" (Buñuel/Dalí 1974: 95)
: Zwischentitel: "vers trois heures du matin…" (Einstellung 177) / "Gegen drei Uhr morgens" (Buñuel/Dalí 1974: 95).
: (6) Ein Mann mit Hut klingelt an der Haustüre (das Klingeln wird durch einen Cocktail-Shaker ersetzt) und stürmt zum jungen Mann im Bett; er schreit diesen an, schlägt und schüttelt ihn, und nimmt ihm schließlich Nonnenhabit und Holzbox ab, die er aus dem Fenster wirft; der Mann mit Hut (immer nur von hinten zu sehen) schickt ihn in die gleiche Zimmerecke, in der sich die Frau zuvor verschanzt hatte, wirft seinen Hut weg und dreht sich zur Kamera um
: (6) Ein Mann mit Hut klingelt an der Haustüre (das Klingeln wird durch einen Cocktail-Shaker ersetzt) und stürmt zum jungen Mann im Bett; er schreit diesen an, schlägt und schüttelt ihn, und nimmt ihm schließlich Nonnenhabit und Holzbox ab, die er aus dem Fenster wirft; der Mann mit Hut (immer nur von hinten zu sehen) schickt ihn in die gleiche Zimmerecke, in der sich die Frau zuvor verschanzt hatte, wirft seinen Hut weg und dreht sich zur Kamera um.
: Zwischentitel: "seize ans avant" (Einstellung 215) / "Vor sechzehn Jahren" (Buñuel/Dalí 1974: 95)
: Zwischentitel: "seize ans avant" (Einstellung 215) / "Vor sechzehn Jahren" (Buñuel/Dalí 1974: 95).
: (7) Der Mann (nun ohne Hut) geht in Zeitlupe auf die Kamera zu, nimmt Bücher von einem Schreibpult in der Mitte des Raums und gibt sie dem jungen Mann; als er aus dem Zimmer gehen möchte, verwandeln sich die Bücher zu Pistolen, und der junge Mann schießt mehrfach auf 'den Neuen' (Buñuel/Dalí 1974: 95); getroffen stürzt der Mann auf den Rücken einer unbekleideten Frau in einem Wald und bleibt auf dem Boden liegen; vier Männer kommen herbei und untersuchen den Körper; der Leichenzug wird von zwei weiteren Männern begleitet
: (7) Der Mann (nun ohne Hut) geht in Zeitlupe auf die Kamera zu, nimmt Bücher von einem Schreibpult in der Mitte des Raums und gibt sie dem jungen Mann; als er aus dem Zimmer gehen möchte, verwandeln sich die Bücher zu Pistolen, und der junge Mann schießt mehrfach auf 'den Neuen' (Buñuel/Dalí 1974: 95); getroffen stürzt der Mann auf den Rücken einer unbekleideten Frau in einem Wald und bleibt auf dem Boden liegen; vier Männer kommen herbei und untersuchen den Körper; der Leichenzug wird von zwei weiteren Männern begleitet.
: (8) Eine junge Frau betritt das Zimmer und sieht einen Nachtfalter (Einstellung 261) mit einem Totenkopf-Symbol an der Wand (Einstellung 268); ein Mann wischt sich mit der Hand den Mund aus dem Gesicht (Einstellung 271); die Frau beginnt sich daraufhin übertrieben mit Lippenstift zu schminken; beim Mann wachsen plötzlich Haare über der Stelle des vorherigen Mundes, während der Frau die Achselhaare nun fehlen (Einstellung 277); sie streckt dem Mann die Zunge heraus und verlässt das Zimmer
: (8) Eine junge Frau betritt das Zimmer und sieht einen Nachtfalter (Einstellung 261) mit einem Totenkopf-Symbol an der Wand (Einstellung 268); ein Mann wischt sich mit der Hand den Mund aus dem Gesicht (Einstellung 271); die Frau beginnt sich daraufhin übertrieben mit Lippenstift zu schminken; beim Mann wachsen plötzlich Haare über der Stelle des vorherigen Mundes, während der Frau die Achselhaare nun fehlen (Einstellung 277); sie streckt dem Mann die Zunge heraus und verlässt das Zimmer.
: (9) Vor der Türe weht ihr starker Wind entgegen; die Frau sieht einen weiteren Mann an der Meeresbrandung stehen (Einstellung 285) und läuft zu ihm hin; er zeigt ihr die Zeit auf seiner Uhr, die sie ausschlägt (Einstellung 290); die Frau küsst ihn, und beide spazieren am steinigen Strand entlang; im Matsch liegt die zerbrochene Holzbox, die der Mann ins Meer kickt, und der Nonnenhabit, die er wegwirft; beide gehen gemeinsam am Strand weiter
: (9) Vor der Türe weht ihr starker Wind entgegen; die Frau sieht einen weiteren Mann an der Meeresbrandung stehen (Einstellung 285) und läuft zu ihm hin; er zeigt ihr die Zeit auf seiner Uhr, die sie ausschlägt (Einstellung 290); die Frau küsst ihn, und beide spazieren am steinigen Strand entlang; im Matsch liegt die zerbrochene Holzbox, die der Mann ins Meer kickt, und der Nonnenhabit, die er wegwirft; beide gehen gemeinsam am Strand weiter.
: Zwischentitel: "au pintemps…" (Einstellung 299) / "Mit dem Frühling" (Buñuel/Dalí 1974: 97)
: Zwischentitel: "au pintemps…" (Einstellung 299) / "Mit dem Frühling" (Buñuel/Dalí 1974: 97).
: (10) das Paar liegt, bis zum Oberkörper mit Sand und Schlick bedeckt, offenbar tot am Strand
: (10) das Paar liegt, bis zum Oberkörper mit Sand und Schlick bedeckt, offenbar tot am Strand.
 
===Traumsymbolik===
===Traumsymbolik===
Mit seiner Narration lehnt sich ''Un chien andalou'' damit tatsächlich an die Freud'sche Theorie an, nachdem sich der Traum als irrationales nächtliches Erleben zwar prinzipiell nacherzählen lässt, dabei aber weniger über eine stringente Handlung verfügt und sich vielmehr aus bruchstückhaften Fragmenten zusammensetzt, die teilweise überraschende Zusammenhänge eröffnen. Denn im Gegensatz zu einer 'klassischen' (Film-)Erzählung, die normalerweise aus der kausal aufeinander aufbauenden Abfolge verschiedener Handlungselemente besteht, die sich dadurch zu einer nachvollziehbaren Geschichte anordnen, fehlt den Träumen zumeist dieser logische Zusammenhang.
Mit seiner Narration lehnt sich ''Un chien andalou'' damit tatsächlich an die Freud'sche Theorie an, nachdem sich der Traum als irrationales nächtliches Erleben zwar prinzipiell nacherzählen lässt, dabei aber weniger über eine stringente Handlung verfügt und sich vielmehr aus bruchstückhaften Fragmenten zusammensetzt, die teilweise überraschende Zusammenhänge eröffnen. Denn im Gegensatz zu einer 'klassischen' (Film-)Erzählung, die normalerweise aus der kausal aufeinander aufbauenden Abfolge verschiedener Handlungselemente besteht, die sich dadurch zu einer nachvollziehbaren Geschichte anordnen, fehlt den Träumen zumeist dieser logische Zusammenhang.
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Auch andere Filme außerhalb der surrealistischen 'Kerngruppe' griffen durchaus die Ästhetik von ''Un chien andalou'' auf – etwa das Augenthema in Henri Storcks ''Pour vos beaux yeux'' (1929), das bereits in ''Even – As You and I'' (1937) von Roger Barlow, Harry Hay und LeRoy Robbins parodiert wird. Darüber hinaus reicht der Kreis der 'Nachahmer' (vgl. Hammond 2014: 37) im erweiterten 'surrealistischen' Umfeld von Jean Cocteaus ''Le sang d'un poète'' (1930) oder ''L'invention du monde'' (1951) von Michel Zimbacca und Jean-Louis Bédouin bis hin zu zeitgenössischen Werken von David Cronenberg, Terry Gilliam oder David Lynch.
Auch andere Filme außerhalb der surrealistischen 'Kerngruppe' griffen durchaus die Ästhetik von ''Un chien andalou'' auf – etwa das Augenthema in Henri Storcks ''Pour vos beaux yeux'' (1929), das bereits in ''Even – As You and I'' (1937) von Roger Barlow, Harry Hay und LeRoy Robbins parodiert wird. Darüber hinaus reicht der Kreis der 'Nachahmer' (vgl. Hammond 2014: 37) im erweiterten 'surrealistischen' Umfeld von Jean Cocteaus ''Le sang d'un poète'' (1930) oder ''L'invention du monde'' (1951) von Michel Zimbacca und Jean-Louis Bédouin bis hin zu zeitgenössischen Werken von David Cronenberg, Terry Gilliam oder David Lynch.


<div style="text-align: right;">[[Autoren|Jonas Nesselhauf]]</div>
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