"Divina Commedia" (Dante Alighieri): Unterschied zwischen den Versionen

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==Einordnung in zeitgenössische Traumdiskurse==
==Einordnung in zeitgenössische Traumdiskurse==
In literarischen Texten des Mittelalters wird Träumen vermehrt eine prophetische Dimension zugeschrieben (Haag 2003, Heiduk u.a. 2021). Auch Dantes Texte sind informiert von mittelalterlichen Traumtheorien, die aufbauend auf antiken Vorstellungen, keine klare Unterscheidung zwischen Traum und Vision etablieren (Cervigni 1986). Macrobius z.B. unterscheidet drei Typen eines oneirischen Bewusstseinszustand: ''somnium'' (ein Traum, der gedeutet werden muss), ''visio'' (eine prophetische Vision) und ''oraculum'' (eine göttliche Offenbarung). Auch Augustinus unterscheidet im zwölften Buch seines Werkes ''Über den Wortlaut der Genesis'' (Kap. VII, 9) drei Stufen der mystischen Erfahrung: Die erste, die ''visio corporalis'' betrifft einen physiologischen Vorgang des Sehens, während die zweite, die ''visio spiritualis'', die inneren Sinne mobilisiert. Sie ist also der Imagination nahe und ereignet sich vorrangig im Traum. Die dritte Stufe, die ''visio intellectualis'', ereignet sich jenseits der Bildlichkeit und eröffnet dem Menschen Zugang zur göttlichen Erfahrung über Ekstase, Traum oder Traumdeutung.  
In literarischen Texten des Mittelalters wird Träumen vermehrt eine prophetische Dimension zugeschrieben (Haag 2003, Heiduk u.a. 2021). Auch Dantes Texte sind informiert von mittelalterlichen Traumtheorien, die aufbauend auf antiken Vorstellungen, eine enge Verbindung von Traum und Vision etablieren (Cervigni 1986, 23-37). Macrobius z.B. unterscheidet drei Typen eines oneirischen Bewusstseinszustand: ''somnium'' (ein Traum, der gedeutet werden muss), ''visio'' (eine prophetische Vision) und ''oraculum'' (eine göttliche Offenbarung). Auch Augustinus unterscheidet im zwölften Buch seines Werkes ''Über den Wortlaut der Genesis'' (Kap. VII, 9) drei Stufen der mystischen Erfahrung: Die erste, die ''visio corporalis'' betrifft einen physiologischen Vorgang des Sehens, während die zweite, die ''visio spiritualis'', die inneren Sinne mobilisiert. Sie ist also der Imagination nahe und ereignet sich vorrangig im Traum. Die dritte Stufe, die ''visio intellectualis'', ereignet sich jenseits der Bildlichkeit und eröffnet dem Menschen Zugang zur göttlichen Erfahrung über Ekstase, Traum oder Traumdeutung.  
Ab dem 13. Jahrhundert kommt es jedoch im Zuge einer erneuten Beschäftigung mit der aristotelischen Schule durch die Scholastiker zu einem bis dahin unbekannten physiologischen Interesse für das menschliche Träumen jenseits der religiös-mystischen Vereinnahmung. Albertus Magnus z.B. plädiert in seinem Werk ''De somno et vigilia'' dafür, den Traum primär als körperlichen Vorgang zu verstehen (Lerner 1995, 16). Auch diese physiologische Faszination für das Träumen ist in Dantes Werk erkennbar.
Ab dem 13. Jahrhundert kommt es jedoch im Zuge einer erneuten Beschäftigung mit der aristotelischen Schule durch die Scholastiker zu einem bis dahin unbekannten physiologischen Interesse für das menschliche Träumen jenseits der religiös-mystischen Vereinnahmung. Albertus Magnus z.B. plädiert in seinem Werk ''De somno et vigilia'' dafür, den Traum primär als körperlichen Vorgang zu verstehen (Lerner 1995, 16). Auch diese physiologische Faszination für das Träumen ist in Dantes Werk erkennbar.


==Traum und Träumen in der ''Divina Commedia''==
==Traum und Träumen in der ''Divina Commedia''==
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