Änderungen

Zur Navigation springen Zur Suche springen
Zeile 253: Zeile 253:  
==Bachmann und der Traum==
 
==Bachmann und der Traum==
 
===Sprechreflektion und Sprachkritik===
 
===Sprechreflektion und Sprachkritik===
Ingeborg Bachmann ist bewusst, wie problematisch ein gedankenloser Umgang mit der deutschen (Schrift-)Sprache nach 1945 wäre. Wie vielen anderen deutschsprachigen Schriftsteller*innen der Nachkriegsliteratur auch – etwa Paul Celan, Günter Eich oder Wolfdietrich Schnurre (vgl. Bartsch 1997, 5) –, geht es ihr darum, eine 'neue' Sprache nach der nationalsozialistischen "Lingua Tertii Imperii" (Klemperer) und der von Adorno proklamierten 'Unmöglichkeit' eines Gedichts nach Auschwitz (vgl. Adorno 2003, 30) zu finden. Anstatt die vorbelastete Sprache unreflektiert zu übernehmen und (wie in der Erzählung ''Das dreißigste Jahr'') zur "Gaunersprache" (Bachmann 2010b, 108, 112, 121) eines Moll werden zu lassen, hinterfragt die promovierte Philosophin – seit ihrem Philosophiestudium von Ludwig Wittgenstein geprägt: "Die Bedeutung eines Wortes ist sein Gebrauch in der Sprache" (Wittgenstein 1984, 262) – den Sprachgebrauch sowohl praktisch in ihrer Lyrik und Prosa wie auch eher theoretisch in den Poetiken.
+
Ingeborg Bachmann ist bewusst, wie problematisch ein gedankenloser Umgang mit der deutschen (Schrift-)Sprache nach 1945 wäre. Wie vielen anderen deutschsprachigen Schriftsteller*innen der Nachkriegsliteratur auch – etwa Paul Celan, Günter Eich oder Wolfdietrich Schnurre (vgl. Bartsch 1997, 5) –, geht es ihr darum, eine 'neue' Sprache nach der nationalsozialistischen "Lingua Tertii Imperii" (Klemperer) und der von Adorno proklamierten 'Unmöglichkeit' eines Gedichts nach Auschwitz (vgl. Adorno 2003, 30) zu finden. Anstatt die vorbelastete Sprache unreflektiert zu übernehmen und (wie in der Erzählung ''Das dreißigste Jahr'') zur "Gaunersprache" (Bachmann 2010b, 108, 112, 121) eines Moll werden zu lassen, hinterfragt die promovierte Philosophin – seit ihrem Philosophiestudium von Ludwig Wittgenstein geprägt: "Die Bedeutung eines Wortes ist sein Gebrauch in der Sprache" (Wittgenstein 1984, 262) – den Sprachgebrauch sowohl praktisch in ihrer Lyrik und Prosa wie auch eher theoretisch in ihrer Poetik.
   −
Damit spürt Bachmann auch der Verbindung zwischen dem 'Ich' und der Sprache nach, dessen Verhältnis von "Selbstbezweiflung" und "Sprachverzweiflung" (Bachmann 2005b, 259) geprägt scheint. Vor allem ihre Poetikvorlesungen des Wintersemesters 1959/60 an der Frankfurter Goethe-Universität drehen sich immer wieder um die Suche nach einer Sprache, "die noch nie regiert hat, aber unsere Ahnungen regiert" (Bachmann 2005b, 348) und führen später sogar zu einer Kritik an der "Sprache der Politik und der Medien" (Bachmann 2005a, 374). Der Wunsch nach einer solchen "neuen Sprache" (Bachmann 2005b, 263) geht daher auch immer mit dem Streben nach neuen Kommunikations- und Ausdrucksmöglichkeiten einher, Wittgensteins "''Die Grenzen meiner Sprache'' bedeuten die Grenzen meiner Welt." (Wittgenstein 1984, S. 67) folgend.
+
Damit spürt Bachmann auch der Verbindung zwischen dem 'Ich' und der Sprache nach, dessen Verhältnis von "Selbstbezweiflung" und "Sprachverzweiflung" (Bachmann 2005b, 259) geprägt scheint. Vor allem ihre Poetikvorlesungen des Wintersemesters 1959/60 an der Frankfurter Goethe-Universität drehen sich immer wieder um die Suche nach einer Sprache, "die noch nie regiert hat, aber unsere Ahnungen regiert" (Bachmann 2005b, 348), und führen später sogar zu einer Kritik an der "Sprache der Politik und der Medien" (Bachmann 2005a, 374). Der Wunsch nach einer solchen "neuen Sprache" (Bachmann 2005b, 263) geht daher auch immer mit dem Streben nach neuen Kommunikations- und Ausdrucksmöglichkeiten einher, Wittgensteins "''Die Grenzen meiner Sprache'' bedeuten die Grenzen meiner Welt" (Wittgenstein 1984, 67) folgend.
    
In Bachmanns Verständnis ist es Aufgabe eines Schriftstellers, diese Beschränkungen zu testen oder gar zu sprengen; immer wieder reizt sie in ihrer Dichtung die 'natürlichen' Limitierungen der Sprache – als wörtliches "Spielfeld" (Bachmann 2005c, 191) – durch Sprachspiele aus (prominent etwa in den Erzählungen ''Alles'' oder ''Undine geht'') und setzt sich mit kreativen Neologismen wie "'Traumwäscherei'" (Bachmann 2010d, 114) im Gedicht ''Reklame'' – ähnlich zu Paul Celans "Atemwende" oder "Fadensonnen" – über sie hinweg.
 
In Bachmanns Verständnis ist es Aufgabe eines Schriftstellers, diese Beschränkungen zu testen oder gar zu sprengen; immer wieder reizt sie in ihrer Dichtung die 'natürlichen' Limitierungen der Sprache – als wörtliches "Spielfeld" (Bachmann 2005c, 191) – durch Sprachspiele aus (prominent etwa in den Erzählungen ''Alles'' oder ''Undine geht'') und setzt sich mit kreativen Neologismen wie "'Traumwäscherei'" (Bachmann 2010d, 114) im Gedicht ''Reklame'' – ähnlich zu Paul Celans "Atemwende" oder "Fadensonnen" – über sie hinweg.

Navigationsmenü