Änderungen

Zur Navigation springen Zur Suche springen
Zeile 9: Zeile 9:  
In der kurzen Erzählung finden sich einige interessante und kontrastierende traumtheoretische Elemente:  
 
In der kurzen Erzählung finden sich einige interessante und kontrastierende traumtheoretische Elemente:  
   −
Dem Mann aus Kairo erscheint im Traum ein Vermummter, der ihm eine Prophezeiung über einen weit entfernten Ort übermittelt, verbunden mit einer konkreten Handlungsanweisung: "Tú fortuna está en Persia, en Isfaján; vete a buscarla". (dt. "Dein Glück/Schicksal/Vermögen ist in Persien, in Isfaján; geh und such es".)
+
Dem Mann aus Kairo erscheint im Traum ein Vermummter, der ihm eine Prophezeiung über einen weit entfernten Ort übermittelt, verbunden mit einer konkreten Handlungsanweisung: "Tú fortuna está en Persia, en Isfaján; vete a buscarla". ("Dein Glück/Schicksal/Vermögen ist in Persien, in Isfaján; geh und such es".)
    
Die Form der direkten Rede steht hier in Kontrast zur nullfokalisierten heterodiegetischen Erzählweise zu Beginn des Cuentos. Der Traumtypus ist klar als Botschaftstraum zu identifizieren, wie man ihn auch häufig in der antiken Literatur findet, etwa in den homerischen Epen (vgl. Engel, 29-31). Wie für diese Traumart charakteristisch wird eine zentrale, für die Wachrealität handlungsleitende Botschaft übermittelt, und zwar von einer konkret manifestierten Person. Zudem ist diese Botschaft rhetorisch-sprachlich klar und kohärent formuliert, nicht etwa traumtypisch bizarr wie z.B. in surrealistischen Träumen des 20. Jahrhunderts.
 
Die Form der direkten Rede steht hier in Kontrast zur nullfokalisierten heterodiegetischen Erzählweise zu Beginn des Cuentos. Der Traumtypus ist klar als Botschaftstraum zu identifizieren, wie man ihn auch häufig in der antiken Literatur findet, etwa in den homerischen Epen (vgl. Engel, 29-31). Wie für diese Traumart charakteristisch wird eine zentrale, für die Wachrealität handlungsleitende Botschaft übermittelt, und zwar von einer konkret manifestierten Person. Zudem ist diese Botschaft rhetorisch-sprachlich klar und kohärent formuliert, nicht etwa traumtypisch bizarr wie z.B. in surrealistischen Träumen des 20. Jahrhunderts.
Zeile 33: Zeile 33:  
: ("Unter dem Brunnen seines Gartens (es war der Garten im Traum des Hauptmanns) grub er den Schatz aus.")
 
: ("Unter dem Brunnen seines Gartens (es war der Garten im Traum des Hauptmanns) grub er den Schatz aus.")
 
   
 
   
Wie es für den Autor Borges typisch ist, wird hier nicht weiter kommentiert oder erklärt. Das bleibt dem Leser überlassen. Die Botschaft ist jedoch recht klar: Der Traum des Ägypters wies enigmatisch mit der Polysemie des Wortes "fortuna" auf Persien. Sein Glück/Schicksal/Vermögen sei dort. Nun war es in der Tat nicht direkt der Schatz, der dort verborgen war, sondern vielmehr mittelbar der entscheidende Hinweis auf den Schatz, der die ganze Zeit in seinem eigenen Garten lag. Im Sinne einer philosophisch-didaktischen Funktion von Literatur kann man daraus zwei Lehren ziehen: Einerseits die Aufforderung, das eigene Glück nicht immer an einem anderen Ort oder in einem anderen Menschen zu suchen, sondern im eigenen Umfeld und in sich selbst bzw. zufrieden zu sein mit dem, was man schon hat. Das erinnert an den populären Aphorismus: "Warum in die Ferne schweifen? Sieh, das Gute liegt so nah." Andererseits wäre der Ägypter wohl aber auch ohne diesen Traum und diese Reise nicht zum Schatz gelangt, nicht auf die Idee gekommen, unter dem eigenen Brunnen zu graben. Folglich waren diese Schritte notwendig auf dem Weg zum Ziel - was an einen weiteren Aphorismus erinnert: "Der Weg ist das Ziel".  
+
Wie es für den Autor Borges typisch ist, wird hier nicht weiter kommentiert oder erklärt. Das bleibt dem Leser überlassen. Die Botschaft ist jedoch recht klar: Der Traum des Ägypters wies enigmatisch mit der Polysemie des Wortes "fortuna" auf Persien. Sein Glück/Schicksal/Vermögen sei dort. Nun war es in der Tat nicht direkt der Schatz, der dort verborgen war, sondern vielmehr mittelbar der entscheidende Hinweis auf den Schatz, der die ganze Zeit in seinem eigenen Garten lag. Im Sinne einer philosophisch-didaktischen Funktion von Literatur kann man daraus zwei Lehren ziehen: Einerseits die Aufforderung, das eigene Glück nicht immer an einem anderen Ort oder in einem anderen Menschen zu suchen, sondern im eigenen Umfeld und in sich selbst bzw. zufrieden zu sein mit dem, was man schon hat. Das erinnert an den populären Aphorismus: "Warum in die Ferne schweifen? Sieh, das Gute liegt so nah." Andererseits wäre der Ägypter wohl aber auch ohne diesen Traum und diese Reise nicht zum Schatz gelangt, nicht auf die Idee gekommen, unter dem eigenen Brunnen zu graben. Folglich waren diese Schritte notwendig auf dem Weg zum Ziel - was an einen weiteren Aphorismus erinnert: "Der Weg ist das Ziel".
    
==Fazit==
 
==Fazit==

Navigationsmenü