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Der von McCartney geschriebene B-Teil ist nicht nur musikalisch verschieden, er hat auch eine andere Erzählform: Während Lennons Strophen vorwiegend Reflexionen wiedergeben, beschreibt das lyrische Ich hier einen Tagesablauf, der mit dem auch akustisch wahrnehmbaren Klingeln eines Weckers und den Worten „woke up, fell out of bed“ (Strophe 3) beginnt. Dies geschieht hauptsächlich in stakkatoartigen Aufzählungen unter größtmöglicher Weglassung des Personalpronomens:
 
Der von McCartney geschriebene B-Teil ist nicht nur musikalisch verschieden, er hat auch eine andere Erzählform: Während Lennons Strophen vorwiegend Reflexionen wiedergeben, beschreibt das lyrische Ich hier einen Tagesablauf, der mit dem auch akustisch wahrnehmbaren Klingeln eines Weckers und den Worten „woke up, fell out of bed“ (Strophe 3) beginnt. Dies geschieht hauptsächlich in stakkatoartigen Aufzählungen unter größtmöglicher Weglassung des Personalpronomens:
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Woke up, fell out of bed
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: Woke up, fell out of bed
 
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: Dragged a comb across my head
Dragged a comb across my head
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: Found my way downstairs and drank a cup
 
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: And looking up / I noticed I was late
Found my way downstairs and drank a cup
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: Found my coat and grabbed my hat
 
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: Made the bus in seconds flat
And looking up / I noticed I was late
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: Found my way upstairs and had a smoke
 
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: And somebody spoke / and I went into a dream (The Beatles 1967, 3)
Found my coat and grabbed my hat
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Made the bus in seconds flat
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Found my way upstairs and had a smoke
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And somebody spoke / and I went into a dream (The Beatles 1967, 3)
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Zudem verwendet McCartney ein strikteres Reimschema als Lennon im A-Teil, aab(b)cdde(e)f, fast eine Art Schweifreim, wenn man die beiden Binnenzäsuren berücksichtigt, die ebenso zum ‚atemlosen‘ Eindruck beitragen, der akustisch u.a. durch ein eingeblendetes Hechelgeräusch verstärkt wird; auch die – in Metrikterminologie – annähernd anapästisch gesungenen Verse fügen sich dazu. Das Ich erwacht, steht auf, trinkt eine Tasse Kaffee und bemerkt dann, dass es sich beeilen muss, um den Bus noch zu erreichen. Am Zielort, wahrscheinlich der Arbeitsstelle, raucht es, nimmt noch das Gespräch eines Anderen wahr und scheint dann in einen Traum abzugleiten. Was es raucht (Marihuana?) und um welche Art von Traum es sich handelt, wird nicht erläutert, eignet sich aber zur Interpretation. Auffällig auch die Abwärtsbewegung in der ersten Hälfte („fell out of bed“, „found my way downstairs“), der eine Aufwärtsbewegung in der zweiten Hälfte gegenübersteht („found my way upstairs“), die dann im anschließenden Instrumentalteil eine Entsprechung findet, sowie das ‚tastende‘ Vorgehen des Ichs, ausgedrückt durch die dreimalige Verwendung von „found“. Der Tagesablauf scheint als typisch erzählt und kann als eine Parodie und Überzeichnung bürgerlichen Alltags gelesen werden (so auch Wicke 2014, iii) – oder eines langweiligen Schultages, wie McCartney beschrieb (vgl. Gaar 2017, 108) –, aus dem der Traum eine Ausbruchsmöglichkeit bietet.
 
Zudem verwendet McCartney ein strikteres Reimschema als Lennon im A-Teil, aab(b)cdde(e)f, fast eine Art Schweifreim, wenn man die beiden Binnenzäsuren berücksichtigt, die ebenso zum ‚atemlosen‘ Eindruck beitragen, der akustisch u.a. durch ein eingeblendetes Hechelgeräusch verstärkt wird; auch die – in Metrikterminologie – annähernd anapästisch gesungenen Verse fügen sich dazu. Das Ich erwacht, steht auf, trinkt eine Tasse Kaffee und bemerkt dann, dass es sich beeilen muss, um den Bus noch zu erreichen. Am Zielort, wahrscheinlich der Arbeitsstelle, raucht es, nimmt noch das Gespräch eines Anderen wahr und scheint dann in einen Traum abzugleiten. Was es raucht (Marihuana?) und um welche Art von Traum es sich handelt, wird nicht erläutert, eignet sich aber zur Interpretation. Auffällig auch die Abwärtsbewegung in der ersten Hälfte („fell out of bed“, „found my way downstairs“), der eine Aufwärtsbewegung in der zweiten Hälfte gegenübersteht („found my way upstairs“), die dann im anschließenden Instrumentalteil eine Entsprechung findet, sowie das ‚tastende‘ Vorgehen des Ichs, ausgedrückt durch die dreimalige Verwendung von „found“. Der Tagesablauf scheint als typisch erzählt und kann als eine Parodie und Überzeichnung bürgerlichen Alltags gelesen werden (so auch Wicke 2014, iii) – oder eines langweiligen Schultages, wie McCartney beschrieb (vgl. Gaar 2017, 108) –, aus dem der Traum eine Ausbruchsmöglichkeit bietet.
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===Das Video – Ein Medienwechsel===
 
===Das Video – Ein Medienwechsel===
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[[Datei:Screenshot_A_Day_in_the_Life_0001.jpg|thumb|left|200px|Musikvideo 00:01: Die wiederkehrenden abstrakten Lichteffekte.]] [[Datei:Screenshot_A_Day_in_the_Life_0117.jpg|thumb|left|200px|Musikvideo 01:17: Das Filmen im Bild.]] [[Datei:Screenshot_A_Day_in_the_Life_0051.jpg|thumb|left|200px|Musikvideo 00:51: Die extreme Nahaufnahme eines Auges.]]
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Eine Sonderstellung nimmt das Musikvideo zu ''A Day in the Life'' ein. Es wurde 1995 als Teil der ''Anthology'' veröffentlicht und ist seit 2015 auch auf dem offiziellen Youtube-Kanal der Beatles zu sehen.<ref>Ich danke meinen Kolleg*innen und besonders Sophia Mehrbrey für die Anregung zur näheren Beschäftigung mit dem Video.</ref> Im Rhythmus der Musik sind collagenartig Aufnahmen montiert, die teils abstrakter Natur sind (verschwommene bewegte Lichter, überbelichtete Filmbilder, extreme Nahaufnahmen), mehrheitlich aber von der Aufnahmesession zu ''A Day in the Life'' stammen. In Analogie zur inhärenten Steigerung des Musikstücks, besonders erkennbar in den Orchesterpartien, nehmen auch die Surrealität der Aufnahmen sowie die Schnittfrequenz zu. Schließlich (ab Instrumentalteil a) sind die klassischen Musiker im Studio mit clownesken Nasen und übergroßen Brillen zu sehen. Jeweils sind parallel zu ihren Gesangspartien John Lennon bzw. Paul McCartney im Bild. Es handelt sich zudem um assoziative Montagen, wenn z.B. die extreme Nahaufnahme eines Auges (vgl. 00:52) gezeigt wird, die an die berühmte Aufnahme zu Beginn von ''Le chien andalou'' erinnert, während Lennon von „notice“ singt, bei dem Stichwort „lights“ Scheinwerfer zu sehen sind (00:54-56), bei „film“ ein Mann mit einer Super-8-Kamera (01:12-21) oder dem hörbaren Hecheln im B-Teil das Bild eines sich kratzenden Studiogastes gegenübergestellt wird (02:35); bei „Woke up“ wackelt eine Panoramaaufnahme des House of Parliament analog zum klingelnden Wecker (02:18-21), bei „War“ sind Super-8-Aufnahmen von Kindern mit Spielgewehren sowie der englischen Polizei zu sehen (01:18-25), was fast gesellschaftskritisch anmutet. Zu den Traumreferenzen parallel sind entrückte oder rauchende Personen zu sehen (z.B. 01:39. 01:51). Auf die ‚Explosion‘ des Endes folgt eine längere Weißblende, wie sie geradezu zur filmischen Konvention geworden ist (04:20), das Nachklingen des Schlussakkords wird von Aufnahmen in Zeitlupengeschwindigkeit begleitet. Durch die Collagetechnik spiegelt das Video die Machart des Liedes selbst, durch die rhythmisierten Schnitte seine Musikalität, durch die zunehmend surrealen Einstellungen seine Rezeption, zugleich aber auch eine für Traumdarstellungen typische zunehmende Wunderbarkeit zum Aufwachen hin. Die Aufnahmen aus der Entstehungszeit bilden zudem eine Metareferenz auf die Produktion des Stückes. In diesem Licht betrachtet ist das Video doch etwas mehr als „ein bloßer Zusammenschnitt“ (Wicke 2014, iv).
 
Eine Sonderstellung nimmt das Musikvideo zu ''A Day in the Life'' ein. Es wurde 1995 als Teil der ''Anthology'' veröffentlicht und ist seit 2015 auch auf dem offiziellen Youtube-Kanal der Beatles zu sehen.<ref>Ich danke meinen Kolleg*innen und besonders Sophia Mehrbrey für die Anregung zur näheren Beschäftigung mit dem Video.</ref> Im Rhythmus der Musik sind collagenartig Aufnahmen montiert, die teils abstrakter Natur sind (verschwommene bewegte Lichter, überbelichtete Filmbilder, extreme Nahaufnahmen), mehrheitlich aber von der Aufnahmesession zu ''A Day in the Life'' stammen. In Analogie zur inhärenten Steigerung des Musikstücks, besonders erkennbar in den Orchesterpartien, nehmen auch die Surrealität der Aufnahmen sowie die Schnittfrequenz zu. Schließlich (ab Instrumentalteil a) sind die klassischen Musiker im Studio mit clownesken Nasen und übergroßen Brillen zu sehen. Jeweils sind parallel zu ihren Gesangspartien John Lennon bzw. Paul McCartney im Bild. Es handelt sich zudem um assoziative Montagen, wenn z.B. die extreme Nahaufnahme eines Auges (vgl. 00:52) gezeigt wird, die an die berühmte Aufnahme zu Beginn von ''Le chien andalou'' erinnert, während Lennon von „notice“ singt, bei dem Stichwort „lights“ Scheinwerfer zu sehen sind (00:54-56), bei „film“ ein Mann mit einer Super-8-Kamera (01:12-21) oder dem hörbaren Hecheln im B-Teil das Bild eines sich kratzenden Studiogastes gegenübergestellt wird (02:35); bei „Woke up“ wackelt eine Panoramaaufnahme des House of Parliament analog zum klingelnden Wecker (02:18-21), bei „War“ sind Super-8-Aufnahmen von Kindern mit Spielgewehren sowie der englischen Polizei zu sehen (01:18-25), was fast gesellschaftskritisch anmutet. Zu den Traumreferenzen parallel sind entrückte oder rauchende Personen zu sehen (z.B. 01:39. 01:51). Auf die ‚Explosion‘ des Endes folgt eine längere Weißblende, wie sie geradezu zur filmischen Konvention geworden ist (04:20), das Nachklingen des Schlussakkords wird von Aufnahmen in Zeitlupengeschwindigkeit begleitet. Durch die Collagetechnik spiegelt das Video die Machart des Liedes selbst, durch die rhythmisierten Schnitte seine Musikalität, durch die zunehmend surrealen Einstellungen seine Rezeption, zugleich aber auch eine für Traumdarstellungen typische zunehmende Wunderbarkeit zum Aufwachen hin. Die Aufnahmen aus der Entstehungszeit bilden zudem eine Metareferenz auf die Produktion des Stückes. In diesem Licht betrachtet ist das Video doch etwas mehr als „ein bloßer Zusammenschnitt“ (Wicke 2014, iv).
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[[Datei:Screenshot_A_Day_in_the_Life_0001.jpg|none|border|200x103px|Musikvideo 00:01: Die wiederkehrenden abstrakten Lichteffekte.]]   [[Datei:Screenshot_A_Day_in_the_Life_0117.jpg|none|frame|link=|200x103px|Musikvideo 01:17: Das Filmen im Bild.]]
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