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Dem Film vorangestellt ist – nach einer etwa mehr als eineinhalbminütigen Sequenz des musikalischen Grundthemas sowie den Title Cards – ein Zitat aus William Shakespeares ''Julius Caesar'' (1599):
 
Dem Film vorangestellt ist – nach einer etwa mehr als eineinhalbminütigen Sequenz des musikalischen Grundthemas sowie den Title Cards – ein Zitat aus William Shakespeares ''Julius Caesar'' (1599):
 
: "The Fault … is not in our stars, but in ourselves …" (00:03:17)
 
: "The Fault … is not in our stars, but in ourselves …" (00:03:17)
In der Tragödie von Cassius geäußert – "The fault, dear Brutus, is not in our stars / But in ourselves, that we are underlings." (I.2, 139f.) –, verweist das Zitat dabei auf die (antike) Vorstellung, das Schicksal des Menschen sei etwa durch den Verlauf der Sterne vorgeprägt (vgl. dazu die Anmerkung bei Shakespeare 2006, 172), dreht dieses Paradigma nun aber im Sinne der neuzeitlichen Psychologie und Psychoanalyse um.
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In der Tragödie von Cassius geäußert – "The fault, dear Brutus, is not in our stars / But in ourselves, that we are underlings" (I.2, 139f.) –, verweist das Zitat dabei auf die (antike) Vorstellung, das Schicksal des Menschen sei etwa durch den Verlauf der Sterne vorgeprägt (vgl. dazu die Anmerkung bei Shakespeare 2006, 172), dreht dieses Paradigma nun aber im Sinne der neuzeitlichen Psychologie und Psychoanalyse um.
    
Daraufhin folgen drei langsam durch das Bild laufende Textblöcke mit zusätzlichen Informationen für das Publikum, offenbar auf persönlichen Wunsch von Selznick hinzugefügt (vgl. Freedman 1999, 80):
 
Daraufhin folgen drei langsam durch das Bild laufende Textblöcke mit zusätzlichen Informationen für das Publikum, offenbar auf persönlichen Wunsch von Selznick hinzugefügt (vgl. Freedman 1999, 80):
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===Handlung===
 
===Handlung===
Die Filmhandlung ist in nahezu 'typischer' Hitchcock-Manier an das klassische Suspense-Schema angelehnt und durch zahlreiche Wendungen und Zufälle so diffus wie ein (Alb-)Traum selbst: Nachdem der bisherige Klinikleiter Dr. Murchison nach einem Nervenzusammenbruch abgelöst werden soll, übernimmt der junge Dr. Anthony Edwardes die Leitung einer Heilanstalt im beschaulichen Vermont. Doch als sich Edwardes und die kühl-distanzierte Psychologin Dr. Constance Petersen näher kommen, werden einige seltsame Verhaltensweisen auffällig – etwa als er von den Linien und Nahtstreifen auf ihrem weißen Morgenmantel aus der Fassung gerät (00:27:33). Die Ärzte von Green Manors haben einen schrecklichen Verdacht: Bei dem neuen Kollegen muss es sich um einen Doppelgänger handeln, der allem Anschein nach den tatsächlichen Dr. Edwardes ermordet hat.
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Die Filmhandlung ist in nahezu 'typischer' Hitchcock-Manier an das klassische Suspense-Schema angelehnt und durch zahlreiche Wendungen und Zufälle so diffus wie ein (Alp-)Traum selbst: Nachdem der bisherige Klinikleiter Dr. Murchison nach einem Nervenzusammenbruch abgelöst werden soll, übernimmt der junge Dr. Anthony Edwardes die Leitung einer Heilanstalt im beschaulichen Vermont. Doch als sich Edwardes und die kühl-distanzierte Psychologin Dr. Constance Petersen näher kommen, werden einige seltsame Verhaltensweisen von Edwardes auffällig – etwa als er durch die Linien und Nahtstreifen auf ihrem weißen Morgenmantel aus der Fassung gerät (00:27:33). Die Ärzte von Green Manors haben einen schrecklichen Verdacht: Bei dem neuen Kollegen muss es sich um einen Doppelgänger handeln, der allem Anschein nach den tatsächlichen Dr. Edwardes ermordet hat.
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Der vermeintliche Hochstapler setzt sich nach New York ab, Petersen folgt ihm. Gemeinsam suchen sie den Psychoanalytiker Dr. Brulov in Rochester auf (01:00:12), der John Brown (so inzwischen sein Deckname) untersucht und eine Traumsequenz analysiert: So scheint das Trauma mit einem verhängnisvollen Ereignis während eines Skiurlaubs zusammenzuhängen, und sofort reisen Petersen und Brown weiter nach Gabriel Valley. In einer Art 'Schocktherapie' soll das traumatische Ereignis möglichst authentisch wiedererlebt werden – und tatsächlich kann sich John Brown nun an seine Vergangenheit erinnern (01:33:05): Unter seinem wirklichen Namen John Ballantyne hatte er als Kind einen Unfall verursacht, bei dem sein Bruder ums Leben kam.
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Der vermeintliche Hochstapler setzt sich nach New York ab, Petersen folgt ihm. Gemeinsam suchen sie Petersons Mentor, den Psychoanalytiker Dr. Brulov, in Rochester auf (01:00:12). Dieser untersucht John Brown (so inzwischen sein Deckname) und analysiert eine Traumsequenz; danach scheint das Trauma mit einem verhängnisvollen Ereignis während eines Skiurlaubs zusammenzuhänge. Sofort reisen Petersen und Brown weiter nach Gabriel Valley. In einer Art 'Schocktherapie' soll das traumatische Ereignis möglichst authentisch wiedererlebt werden – und tatsächlich kann sich John Brown nun an seine Vergangenheit erinnern (01:33:05): Unter seinem wirklichen Namen John Ballantyne hatte er als Kind einen Unfall verursacht, bei dem sein Bruder ums Leben kam.
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Allerdings ist ein Happy Ending weiterhin nicht in Sicht: Die Polizei nimmt Ballantyne wegen des Mordes an Dr. Edwardes fest, dessen Leiche mit Schusswunden inzwischen gefunden wurde; er wird verurteilt und inhaftiert.
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Allerdings ist ein Happy Ending weiterhin nicht in Sicht: Die Polizei nimmt Ballantyne wegen des Mordes an Dr. Edwardes fest, dessen Leiche mit Schusswunden inzwischen gefunden wurde. Verzweifelt kehrt Dr. Constance Petersen nach Green Manors zurück, das inzwischen wieder unter der Leitung von Dr. Murchison steht. Hier nimmt die Filmhandlung eine erneute Wendung: Durch eine Freud'sche Fehlleistung enttarnt sich Murchison als der tatsächliche Mörder von Edwardes, und Petersen kann durch eine erneute psychoanalytische Deutung von Ballantynes Traum die Ereignisse – und vor allem das Symbol des Rades als die Tatwaffe – rekonstruieren (01:46:55).
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Verzweifelt kehrt Dr. Constance Petersen nach Green Manors zurück, das inzwischen wieder unter der Leitung von Dr. Murchison steht. Doch die Filmhandlung nimmt eine erneute Wendung: Durch eine Freud'sche Fehlleistung enttarnt sich Murchison als der tatsächliche Mörder von Edwardes, und Petersen kann durch eine erneute psychoanalytische Deutung von Ballantynes vorherigem Traum die Ereignisse – und vor allem das Symbol des Rades als die Tatwaffe – rekonstruieren (01:46:55).
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Murchison erschießt sich in der Klinik; der entlastete Ballantyne kann aus dem Gefängnis freikommen, und einer gemeinsamen Zukunft mit Constance Petersen steht nun nichts mehr im Wege.
 
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Murchison erschießt sich in der Klinik, der entlastete Ballantyne kann aus dem Gefängnis freikommen, und einer gemeinsamen Zukunft mit Constance Petersen steht nun nichts mehr im Wege.
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[[Datei:Spellbound_2721.jpg|thumb|right|300px|Abb. 1: ''Spellbound'' (00:27:21)]]
 
[[Datei:Spellbound_2721.jpg|thumb|right|300px|Abb. 1: ''Spellbound'' (00:27:21)]]
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Durchaus mehrdeutig zu verstehen, mag diese symbolische Verschiebung einerseits auf die Reglementierungen der Filmzensur zurückgehen, schließlich lässt der "Production Code" der frühen 1930er Jahre weder "lustful kissing" ("The 1930 Production Code" 2000, 304) noch über mehrere Sekunden andauernde Küsse zu. Wenn Hitchcock diese Einschränkungen später in ''Notorious'' (1946) in einer minutenlangen Szene durch zahlreiche Unterbrechungen umgeht, oder die orgasmische Leidenschaft in ''To Catch a Thief'' (1955) durch das Feuerwerk im Hintergrund sowie in ''North by Northwest'' (1959) durch die auf den Kuss folgende Einfahrt des Zuges in einen Tunnel verschlüsselt angedeutet wird, kommt dem Öffnen der Türen hier (wie auch in der Overture angedeutet) im Kontext der Psychoanalyse allerdings noch eine weitere Bedeutung zu.
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Durchaus mehrdeutig zu verstehen, mag diese symbolische Verschiebung einerseits auf die Reglementierungen der Filmzensur zurückgehen, schließlich lässt der "Production Code" der frühen 1930er Jahre weder "lustful kissing" ("The 1930 Production Code" 2000, 304) noch über mehrere Sekunden andauernde Küsse zu. Wenn Hitchcock diese Einschränkungen später in ''Notorious'' (1946) in einer minutenlangen Szene durch zahlreiche Unterbrechungen umgeht, oder die orgasmische Leidenschaft in ''To Catch a Thief'' (1955) durch das Feuerwerk im Hintergrund sowie in ''North by Northwest'' (1959) durch die auf den Kuss folgende Einfahrt des Zuges in einen Tunnel verschlüsselt, kommt dem Öffnen der Türen hier (wie auch in der Overture angedeutet) im Kontext der Psychoanalyse allerdings noch eine weitere Bedeutung zu.
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Dort ist das 'Öffnen der Türe' zwar auch als Traumsymbol sexuell konnotiert (vgl. Freud 2009, 355ff.), doch wird die analytische Traumdeutung selbst immer wieder metaphorisch mit dem hinter den Türen Verborgenen und dem Geheimnisvollen des Unbewussten in Verbindung gebracht (vgl. Friebe 2005, 104ff.).
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Dort ist das 'Öffnen der Türe' zwar auch als Traumsymbol sexuell konnotiert (vgl. Freud 2009, 355ff.), doch wird die analytische Traumdeutung selbst immer wieder metaphorisch mit dem hinter den Türen Verborgenen und dem Geheimnisvollen des Unbewussten in Verbindung gebracht (vgl. Friebe 2005, 104 ff.).
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Und auch Hitchcock selbst verwendet "the locked doors of the mind" (zit. n. Auiler 2001, 558) als Metapher im Trailer zu seinem eigenen Film, und habe ohnehin, so erinnert sich der Drehbuchautor Hecht, während der Dreharbeiten 'vor Albträumen nur so gestrahlt' ("was beaming amid his nightmares"; zit. n. Spoto 1983, 273).
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Und auch Hitchcock selbst verwendet "the locked doors of the mind" (zit. n. Auiler 2001, 558) als Metapher im Trailer zu seinem eigenen Film, und habe ohnehin, so erinnert sich der Drehbuchautor Hecht, während der Dreharbeiten 'vor Alpträumen nur so gestrahlt' ("was beaming amid his nightmares"; zit. n. Spoto 1983, 273).
    
===Traum und Geheimnis===
 
===Traum und Geheimnis===
Bei Dr. Brulov (der nicht nur äußerlich an den Wiener 'Übervater' Sigmund Freud angelehnt ist) kann schließlich die Psychoanalyse – im Anschluss an die stereotype Frage nach Ballantynes Verhältnis zu Mutter und Vater – beginnen: Brulov nimmt die Rolle des "father image" (01:17:28) ein und attestiert nahezu augenblicklich einen "guilt complex" (01:18:14). Nach einem Kamerazoom auf Ballantynes Gesicht öffnet sich durch eine Überblendung gewissermaßen die 'Tür' in seinen Kopf (01:20:22), und die visuelle und gleichzeitig aus dem off kommentierte Nacherzählung des Traums beginnt (vgl. dazu detailliert Engel 2020, 573ff.).
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Bei Dr. Brulov (der nicht nur äußerlich an den Wiener 'Übervater' Sigmund Freud angelehnt ist) kann schließlich die Psychoanalyse – im Anschluss an die stereotype Frage nach Ballantynes Verhältnis zu Mutter und Vater – beginnen: Brulov nimmt die Rolle des "father image" (01:17:28) ein und attestiert nahezu augenblicklich einen "guilt complex" (01:18:14). Nach einem Kamerazoom auf Ballantynes Gesicht öffnet sich durch eine Überblendung gewissermaßen die 'Tür' in seinen Kopf (01:20:22), und die visuelle und gleichzeitig aus dem off von Ballantyne kommentierte Nacherzählung des Traums beginnt (vgl. dazu detailliert Engel 2020, 573 ff.).
    
(1) Zunächst bewegen sich einzelne Augen vor einem schwarzem Hintergrund, bevor diese schließlich zum Hintergrundbild eines stilvollen Casinos werden; ein Mann mit einer riesigen Schere zerschneidet jedoch die bedruckten Vorhänge, während eine leicht bekleidete Frau beginnt die Männer an den Spieltischen zu küssen. Die Sequenz wird durch eine Nachfrage von Dr. Bulov nach der geheimnisvollen Frau unterbrochen und sogleich als 'Wunschtraum' gedeutet (01:21:13).
 
(1) Zunächst bewegen sich einzelne Augen vor einem schwarzem Hintergrund, bevor diese schließlich zum Hintergrundbild eines stilvollen Casinos werden; ein Mann mit einer riesigen Schere zerschneidet jedoch die bedruckten Vorhänge, während eine leicht bekleidete Frau beginnt die Männer an den Spieltischen zu küssen. Die Sequenz wird durch eine Nachfrage von Dr. Bulov nach der geheimnisvollen Frau unterbrochen und sogleich als 'Wunschtraum' gedeutet (01:21:13).

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