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Lisabettas Liebe scheint – neben einer göttlich-schicksalhaften Vorhersehung – Mitauslöser für den Traum zu sein, tritt er doch genau in der Nacht auf, in der sie den verschollenen Geliebten besonders intensiv betrauert. Dass die Erscheinung einer Traumwelt angehört, wird gleich doppelt markiert – durch den Hinweis auf den „sonno“ und dadurch, dass Lorenzos wörtliche Rede eine Als-Ob-Handlung darstellt („e parvele“; „es war ihr“). Entsprechend der mittelalterlichen Vorstellung besitzt das, was Lorenzo im Traum sagt, aber einen Wahrheitsgehalt, der in die Wachwelt wirkt. Darauf verweist auch der Begriff der ''visione'' als Bezeichnung für einen prophetischen Traum. Lorenzo selbst legt durch die Zeigegeste eine Spur, die es Lisabetta ermöglicht, den Wahrheitsgehalt der Rede des Geliebten zu überprüfen: Sie begibt sich zur von Lorenzo bezeichneten Stelle und entdeckt dort seinen vergrabenen Körper. Der Traum erweist sich darin als wahr: „per che mainifestamente conobbe essere stata vera la sua visione“ (D 376; „und dadurch nur allzu deutlich die Wahrheit ihres Traumgesichts erkannte“, Dd 369). Lisabetta trennt den Kopf des Geliebten ab, pflanzt ihn in einen Basilikumtopf und begießt diesen mit ihren Tränen. Auf diese Weise entsteht eine Liebesreliquie, mit der „die Protagonistin einen anderen Weg [findet], ihre Liebesbeziehung mit dem von ihr selbst gewählten Mann fortzuführen, obwohl die Ermordung des Geliebten das Ende dieser Beziehung sein sollte“ (Samaké 2020, 250). Kommt dem Traum zum einen die Funktion zu, Lisabetta die Wahrheit über die vergangenen Ereignisse um Lorenzos Verschwinden mitzuteilen, so eröffnet er ihr zum anderen auch einen Möglichkeitsraum für die unmittelbare Zukunft: Dank des Traumwissens kann sie Lorenzo nahe sein, wenn auch an die Stelle des lebendigen Geliebten der Kopf eines Toten in einem Blumentopf getreten ist.
 
Lisabettas Liebe scheint – neben einer göttlich-schicksalhaften Vorhersehung – Mitauslöser für den Traum zu sein, tritt er doch genau in der Nacht auf, in der sie den verschollenen Geliebten besonders intensiv betrauert. Dass die Erscheinung einer Traumwelt angehört, wird gleich doppelt markiert – durch den Hinweis auf den „sonno“ und dadurch, dass Lorenzos wörtliche Rede eine Als-Ob-Handlung darstellt („e parvele“; „es war ihr“). Entsprechend der mittelalterlichen Vorstellung besitzt das, was Lorenzo im Traum sagt, aber einen Wahrheitsgehalt, der in die Wachwelt wirkt. Darauf verweist auch der Begriff der ''visione'' als Bezeichnung für einen prophetischen Traum. Lorenzo selbst legt durch die Zeigegeste eine Spur, die es Lisabetta ermöglicht, den Wahrheitsgehalt der Rede des Geliebten zu überprüfen: Sie begibt sich zur von Lorenzo bezeichneten Stelle und entdeckt dort seinen vergrabenen Körper. Der Traum erweist sich darin als wahr: „per che mainifestamente conobbe essere stata vera la sua visione“ (D 376; „und dadurch nur allzu deutlich die Wahrheit ihres Traumgesichts erkannte“, Dd 369). Lisabetta trennt den Kopf des Geliebten ab, pflanzt ihn in einen Basilikumtopf und begießt diesen mit ihren Tränen. Auf diese Weise entsteht eine Liebesreliquie, mit der „die Protagonistin einen anderen Weg [findet], ihre Liebesbeziehung mit dem von ihr selbst gewählten Mann fortzuführen, obwohl die Ermordung des Geliebten das Ende dieser Beziehung sein sollte“ (Samaké 2020, 250). Kommt dem Traum zum einen die Funktion zu, Lisabetta die Wahrheit über die vergangenen Ereignisse um Lorenzos Verschwinden mitzuteilen, so eröffnet er ihr zum anderen auch einen Möglichkeitsraum für die unmittelbare Zukunft: Dank des Traumwissens kann sie Lorenzo nahe sein, wenn auch an die Stelle des lebendigen Geliebten der Kopf eines Toten in einem Blumentopf getreten ist.
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====IV,6: Ein Doppeltraum und seine gegensätzliche Deutung==
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====IV,6: Ein Doppeltraum und seine gegensätzliche Deutung====
 
Nach der von Filomena vorgetragenen Novelle über Lisabetta und Lorenzo fällt die Rolle des Erzählers Panfilo zu. Er beginnt nicht sofort mit seiner Geschichte, sondern stellt ihr eine Reflexion zum Traum voran, die auf die vorangehende Erzählung reagiert, auf intradiegetischer Ebene „Boccaccio’s theory on dreaming“ (Bonetti 2009, 623) entfaltet und so eine Kontinuität zwischen den Novellen erzeugt (Blanc 1997, 97):
 
Nach der von Filomena vorgetragenen Novelle über Lisabetta und Lorenzo fällt die Rolle des Erzählers Panfilo zu. Er beginnt nicht sofort mit seiner Geschichte, sondern stellt ihr eine Reflexion zum Traum voran, die auf die vorangehende Erzählung reagiert, auf intradiegetischer Ebene „Boccaccio’s theory on dreaming“ (Bonetti 2009, 623) entfaltet und so eine Kontinuität zwischen den Novellen erzeugt (Blanc 1997, 97):
  
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