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'''(3) in Saitos (geträumtem) Haus/Arthurs Traumebene''': Cobb und Arthur versuchen, Saitos Geheimnis aus dem ‚Safe‘ seines Unterbewusstseins zu stehlen. Dies scheitert, als eine Frau (Cobbs verstorbene Frau Mal bzw. Cobbs Projektion von ihr) auftaucht und das Geschehen sabotiert. Die Ebene beginnt zusammenzubrechen, was sich durch Erschütterungen ankündigt und im Zuge der sich entspinnenden Verfolgungsjagden und Kämpfe eskaliert, bis die Ebene schließlich durch einen Wassereinbruch aus Ebene (2) beendet wird. Cobb kann Papiere aus dem Safe (Unterphase, siehe auch die ''inception'') stehlen, sieht aber, dass darin viele Stellen geschwärzt sind.
 
'''(3) in Saitos (geträumtem) Haus/Arthurs Traumebene''': Cobb und Arthur versuchen, Saitos Geheimnis aus dem ‚Safe‘ seines Unterbewusstseins zu stehlen. Dies scheitert, als eine Frau (Cobbs verstorbene Frau Mal bzw. Cobbs Projektion von ihr) auftaucht und das Geschehen sabotiert. Die Ebene beginnt zusammenzubrechen, was sich durch Erschütterungen ankündigt und im Zuge der sich entspinnenden Verfolgungsjagden und Kämpfe eskaliert, bis die Ebene schließlich durch einen Wassereinbruch aus Ebene (2) beendet wird. Cobb kann Papiere aus dem Safe (Unterphase, siehe auch die ''inception'') stehlen, sieht aber, dass darin viele Stellen geschwärzt sind.
 
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[[Datei:In 1030.png|mini|Zeitlupeneinstellung des ins Wasser stürzenden Cobb in der ''extraction'' (2) (In 10:30)]]
 
'''(2) in Saitos (geträumter) Zweitwohnung/Nashs Traumebene''': Außerhalb sind Tumulte und Explosionen zu sehen, Nash (Lukas Haas) und Arthur wecken Saito mittels einer Maschine (PASIV) und versuchen, Cobb zu wecken. Dies gelingt schließlich nur mittels eines ''kicks'', der Cobb rückwärts in eine Badewanne fallen lässt und auf Ebene (3) das Traum-Gebäude mit Wasser flutet. Das Team verhört Saito zu den Geheimnissen, dieser bemerkt aber anhand der Textur des Teppichs, dass auch diese Ebene nicht real ist. Saito erwähnt, dass es sich um einen Test gehandelt habe, den sie nicht bestanden hätten. Tadashi, ein japanischer Teenager, setzt Nash währenddessen in einem Schnellzug Kopfhörer auf, die das Lied ''Non, je ne regrette rien'' von Édith Piaf spielen. Die eskalierenden Tumulte sowie der Einfluss aus Ebene (1) mit dem Piaf-Lied führen zum Aufwachen.  
 
'''(2) in Saitos (geträumter) Zweitwohnung/Nashs Traumebene''': Außerhalb sind Tumulte und Explosionen zu sehen, Nash (Lukas Haas) und Arthur wecken Saito mittels einer Maschine (PASIV) und versuchen, Cobb zu wecken. Dies gelingt schließlich nur mittels eines ''kicks'', der Cobb rückwärts in eine Badewanne fallen lässt und auf Ebene (3) das Traum-Gebäude mit Wasser flutet. Das Team verhört Saito zu den Geheimnissen, dieser bemerkt aber anhand der Textur des Teppichs, dass auch diese Ebene nicht real ist. Saito erwähnt, dass es sich um einen Test gehandelt habe, den sie nicht bestanden hätten. Tadashi, ein japanischer Teenager, setzt Nash währenddessen in einem Schnellzug Kopfhörer auf, die das Lied ''Non, je ne regrette rien'' von Édith Piaf spielen. Die eskalierenden Tumulte sowie der Einfluss aus Ebene (1) mit dem Piaf-Lied führen zum Aufwachen.  
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Filmisch sind neben der damit einhergehenden hohen Schnittfrequenz als charakteristisch besonders zeitgestaltende Mittel zu beobachten: Die erwähnten Parallelmontagen ermöglichen ein schnelles Wechseln zwischen gleichzeitig stattfindenden Ereignissen auf verschiedenen Traumebenen, das Zeigen der ebenenübergreifenden Konsequenzen einzelner Handlungen (z.B. Cobb fällt in (2) ins Wasser, in (3) wird das Haus überflutet) sowie eine dennoch bleibende Orientierung, nachdem der Ebenenwechsel einmal bekannt ist. Im Kontrast stehen wiederholt eingesetzte Zeitlupen (z.B. bei dem Sturz ins Wasser), die außerdem die besondere Zeit der Traumebenen verdeutlichen, denn später wird erkennbar, dass Zeit auf den tieferen Ebenen wesentlich schneller vergeht (d.h. dort vergeht subjektiv mehr Zeit als auf einer höheren Ebene bzw. in der Wachwelt). Wiederholt wird dazu eine Detailaufnahme eines Chronographen gezeigt (vgl. z.B. In 12:05–07), dessen voranlaufender Zeiger sich plötzlich verlangsamt. Nolan sagt über den Einsatz zeitgestaltender Mittel wie Zeitlupe im Film: „We’ve embraced it as part of the narrative. What’s different about the film is also what’s familiar about the film. We’ve repurposed the techniques you’ve seen in other movies to have a narrative meaning“ (Taubin und Nolan 2010, 35).
 
Filmisch sind neben der damit einhergehenden hohen Schnittfrequenz als charakteristisch besonders zeitgestaltende Mittel zu beobachten: Die erwähnten Parallelmontagen ermöglichen ein schnelles Wechseln zwischen gleichzeitig stattfindenden Ereignissen auf verschiedenen Traumebenen, das Zeigen der ebenenübergreifenden Konsequenzen einzelner Handlungen (z.B. Cobb fällt in (2) ins Wasser, in (3) wird das Haus überflutet) sowie eine dennoch bleibende Orientierung, nachdem der Ebenenwechsel einmal bekannt ist. Im Kontrast stehen wiederholt eingesetzte Zeitlupen (z.B. bei dem Sturz ins Wasser), die außerdem die besondere Zeit der Traumebenen verdeutlichen, denn später wird erkennbar, dass Zeit auf den tieferen Ebenen wesentlich schneller vergeht (d.h. dort vergeht subjektiv mehr Zeit als auf einer höheren Ebene bzw. in der Wachwelt). Wiederholt wird dazu eine Detailaufnahme eines Chronographen gezeigt (vgl. z.B. In 12:05–07), dessen voranlaufender Zeiger sich plötzlich verlangsamt. Nolan sagt über den Einsatz zeitgestaltender Mittel wie Zeitlupe im Film: „We’ve embraced it as part of the narrative. What’s different about the film is also what’s familiar about the film. We’ve repurposed the techniques you’ve seen in other movies to have a narrative meaning“ (Taubin und Nolan 2010, 35).
Neben den oben beschriebenen Elementen sind die Ebenenübergänge, die sich hier teils auch diegetisch unterscheiden,<ref>Erzähltheoretisch werden Träume und darauf basierend auch Traumebenen häufig mit diegetischen Ebenen (Erzählebenen) gleichgesetzt, so etwa bei Genette (vgl. 2010, 149f.) und filmnarratologisch bei Markus Kuhn (vgl. 2011, 152, 285f.) und Bumeder (vgl. 2014, 260f.). Mit Matthias Brütsch (vgl. 2011a, 255f.) nehme ich aber an, dass es sich nur dann um eine diegetische Ebene handelt, wenn diese auch explizit von einer Figur erzählt wird. In Inception ist insofern eine Sondersituation gegeben, als es deutlich erzählte/fokalisierte Partien gibt (v.a., wenn Cobb Ariadne von Mal erzählt). Diskutabel ist, ob die oft einer Person zugeordnete Verantwortung für eine Traumebene ebenfalls als ‚erzählt werden‘ angesehen werden kann. Kiss spricht von „illusory metalepsis“ in diesem Zusammenhang (2012, 37), aber bei den Traumleveln ebenfalls von vier ‚hypodiegetischen Ebenen‘ (vgl. ebd., 38) – das ist Mieke Bals analoge Bezeichnung zu Genettes ‚intra-, meta-, metameta-diegetisch‘ etc. Siehe auch die Untersuchung im Sinne der Possible Worlds Theory (PWT) in Lugea 2013.</ref> durch Augenschließen und -öffnen träumender Personen verdeutlicht (vgl. etwa In 08:45f., 13:59–14:05). Es zeigt sich, dass über die Maschine hinaus, an die die Träumenden auf mehreren Ebenen angeschlossen sind, weitere Möglichkeiten zum Aufwachen auf der nächsthöheren Ebene durch einen Außenwelteinfluss bzw. Einfluss von der nächsten Ebene vorhanden sind (Wasser, das leitmotivische Piaf-Chanson) sowie im Extremfall durch das ‚Töten‘ einer träumenden Person auf einer Traumebene.
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Neben den oben beschriebenen Elementen sind die Ebenenübergänge, die sich hier teils auch diegetisch unterscheiden,<ref>Erzähltheoretisch werden Träume und darauf basierend auch Traumebenen häufig mit diegetischen Ebenen (Erzählebenen) gleichgesetzt, so etwa bei Genette (vgl. 2010, 149f.) und filmnarratologisch bei Markus Kuhn (vgl. 2011, 152, 285f.) und Bumeder (vgl. 2014, 260f.). Mit Matthias Brütsch (vgl. 2011a, 255f.) nehme ich aber an, dass es sich nur dann um eine diegetische Ebene handelt, wenn diese auch explizit von einer Figur erzählt wird. In Inception ist insofern eine Sondersituation gegeben, als es deutlich erzählte/fokalisierte Partien gibt (v.a., wenn Cobb Ariadne von Mal erzählt). Diskutabel ist, ob die oft einer Person zugeordnete Verantwor-tung für eine Traumebene ebenfalls als ‚erzählt werden‘ angesehen werden kann. Kiss spricht von „illusory metalepsis“ in diesem Zusammenhang (2012, 37), aber bei den Traumleveln ebenfalls von vier ‚hypodiegeti-schen Ebenen‘ (vgl. ebd., 38) – das ist Mieke Bals analoge Bezeichnung zu Genettes ‚intra-, meta-, metameta-diegetisch‘ etc. Siehe auch die Untersuchung im Sinne der Possible Worlds Theory (PWT) in Lugea 2013.</ref> durch Augenschließen und -öffnen träumender Personen verdeutlicht (vgl. etwa In 08:45f., 13:59–14:05). Es zeigt sich, dass über die Maschine hinaus, an die die Träumenden auf mehreren Ebenen angeschlossen sind, weitere Möglichkeiten zum Aufwachen auf der nächsthöheren Ebene durch einen Außenwelteinfluss bzw. Einfluss von der nächsten Ebene vorhanden sind (Wasser, das leitmotivische Piaf-Chanson) sowie im Extremfall durch das ‚Töten‘ einer träumenden Person auf einer Traumebene.
    
=== Lernträume ===
 
=== Lernträume ===
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Als er darauf zu sprechen kommt, dass man die Seltsamkeit des Traums erst beim Erwachen bemerke und sich in der Regel nicht an den Beginn eines Traums erinnere, stutzt Ariadne; Cobb erläutert, dass sie sich in Wirklichkeit in ihren Arbeitsräumen befinde und die Umgebung des Cafés mit Gemüseständen etc. beginnt, sich in ihre Bestandteile ‚aufzusprengen‘. Ariadne erwacht, wobei das Augenöffnen in einer schräg gekanteten Nahaufnahme gefilmt ist. Danach ist im Hintergrund das Piaf-Chanson zu hören, während Arthur und Cobb Ariadne erklären, dass die zugrundeliegende Technologie vom Militär zu Trainingszwecken entwickelt wurde. Architects wie sie seien für das Design der Träume verantwortlich. Außerdem wird deutlich, dass das Vergehen der Zeit im Traum anders wahrgenommen wird: „ARTHUR. Five minutes in the real world gives you an hour in the dream“ (In 27:40–41).
 
Als er darauf zu sprechen kommt, dass man die Seltsamkeit des Traums erst beim Erwachen bemerke und sich in der Regel nicht an den Beginn eines Traums erinnere, stutzt Ariadne; Cobb erläutert, dass sie sich in Wirklichkeit in ihren Arbeitsräumen befinde und die Umgebung des Cafés mit Gemüseständen etc. beginnt, sich in ihre Bestandteile ‚aufzusprengen‘. Ariadne erwacht, wobei das Augenöffnen in einer schräg gekanteten Nahaufnahme gefilmt ist. Danach ist im Hintergrund das Piaf-Chanson zu hören, während Arthur und Cobb Ariadne erklären, dass die zugrundeliegende Technologie vom Militär zu Trainingszwecken entwickelt wurde. Architects wie sie seien für das Design der Träume verantwortlich. Außerdem wird deutlich, dass das Vergehen der Zeit im Traum anders wahrgenommen wird: „ARTHUR. Five minutes in the real world gives you an hour in the dream“ (In 27:40–41).
 
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[[Datei:In 2911.png|mini|Ariadnes paradoxe Verformung des Pariser Boulevards im zweiten Lerntraum (In 29;11)]]
 
Der '''zweite Lerntraum''' (In 27:49–32:03) dagegen wird direkt im Anschluss eindeutig eingangsmarkiert, indem Ariadne, in halbnaher Einstellung auf einem Liegestuhl gefilmt, nach einem Zischgeräusch der trauminduzierenden Maschine wieder die Augen schließt. Nun geht es im selben Ausgangssetting (idyllische Nebenstraße) gemeinsam mit Cobb um das layout des Traums, wobei die sie umgebenden Menschen „projections in my [Cobb’s] subconscious“ (In 27:58f.) sind, denn Ariadne sei, so Cobb „the dreamer, you build this world. I am the subject, my mind populates it. You can literally talk to my subconscious, that’s one of the ways to extract information“ (In 28:00–10). Ein anderer Weg zu Geheinissen sei das Kreieren eines sicheren Objekts wie eines Safes oder Gefängnisses, das das Subjekt dann automatisch nutze. Dann beginnt Ariadne nach ihrer eigenen Frage „messing with the physics a bit“ (In 28:36) und erzeugt visuell eindrucksvolle Verformungen des geträumten Raums, die an M.C. Eschers Werke erinnern und auch auf dem Filmplakat gezeigt sind. Cobb erklärt weiterhin, dass die projections, also geträumten Menschen, durch gravierende Umformungen des Traumsettings auf die Kreation aufmerksam werden und wie ein ‚Immunsystem‘ des Unterbewusstseins funktionierten.  
 
Der '''zweite Lerntraum''' (In 27:49–32:03) dagegen wird direkt im Anschluss eindeutig eingangsmarkiert, indem Ariadne, in halbnaher Einstellung auf einem Liegestuhl gefilmt, nach einem Zischgeräusch der trauminduzierenden Maschine wieder die Augen schließt. Nun geht es im selben Ausgangssetting (idyllische Nebenstraße) gemeinsam mit Cobb um das layout des Traums, wobei die sie umgebenden Menschen „projections in my [Cobb’s] subconscious“ (In 27:58f.) sind, denn Ariadne sei, so Cobb „the dreamer, you build this world. I am the subject, my mind populates it. You can literally talk to my subconscious, that’s one of the ways to extract information“ (In 28:00–10). Ein anderer Weg zu Geheinissen sei das Kreieren eines sicheren Objekts wie eines Safes oder Gefängnisses, das das Subjekt dann automatisch nutze. Dann beginnt Ariadne nach ihrer eigenen Frage „messing with the physics a bit“ (In 28:36) und erzeugt visuell eindrucksvolle Verformungen des geträumten Raums, die an M.C. Eschers Werke erinnern und auch auf dem Filmplakat gezeigt sind. Cobb erklärt weiterhin, dass die projections, also geträumten Menschen, durch gravierende Umformungen des Traumsettings auf die Kreation aufmerksam werden und wie ein ‚Immunsystem‘ des Unterbewusstseins funktionierten.  
 
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[[Datei:In 3051.png|mini|Ariadnes Erzeugung eines ''infinity mirror'' im zweiten Lerntraum (In 30:51)]]
 
Auf einer Brücke wirkt Cobb irritiert, es sind kurze, in rosafarbenes Licht getauchte Erinnerungsbilder mit einer Frau zu sehen. Er warnt Ariadne, keine realen Orte, höchstens Details davon, zu imaginieren, da so leicht „[the] grasp for what’s real and what is a dream“ (In 31:41–43) verlorengehe. Als Ariadne eine komplexe Spiegel-im-Spiegel-Illusion erschaffen hat, beginnen die Passanten, sie anzugreifen und schließlich wird sie von einer Frau (Mal) ‚erstochen‘. Im Anschluss lernt Ariadne von Arthur, dass man vor der voreingestellten Traumdauer nur durch Getötetwerden im Traum aufwachen kann. Außerdem wird ihr der Zweck von ''totems'' wie Cobbs Kreisel erklärt, die es ermöglichen (sollen), zu verifizieren, dass man sich nicht im Traum eines anderen befindet. Ariadne zeigt sich besorgt über das Auftauchen von Cobbs Ehefrau und sich potenziell daraus ergebende Gefahren („I’m not about to just open my mind to someone like that [Cobb]“, In 33:03–05) und geht.
 
Auf einer Brücke wirkt Cobb irritiert, es sind kurze, in rosafarbenes Licht getauchte Erinnerungsbilder mit einer Frau zu sehen. Er warnt Ariadne, keine realen Orte, höchstens Details davon, zu imaginieren, da so leicht „[the] grasp for what’s real and what is a dream“ (In 31:41–43) verlorengehe. Als Ariadne eine komplexe Spiegel-im-Spiegel-Illusion erschaffen hat, beginnen die Passanten, sie anzugreifen und schließlich wird sie von einer Frau (Mal) ‚erstochen‘. Im Anschluss lernt Ariadne von Arthur, dass man vor der voreingestellten Traumdauer nur durch Getötetwerden im Traum aufwachen kann. Außerdem wird ihr der Zweck von ''totems'' wie Cobbs Kreisel erklärt, die es ermöglichen (sollen), zu verifizieren, dass man sich nicht im Traum eines anderen befindet. Ariadne zeigt sich besorgt über das Auftauchen von Cobbs Ehefrau und sich potenziell daraus ergebende Gefahren („I’m not about to just open my mind to someone like that [Cobb]“, In 33:03–05) und geht.
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Der '''zweite Traum''' erinnert in seiner Induktion an einen der ersten Traummanipulationsfilme, ''Dreamscape'' (1984), gefolgt von einer ersten Einstellung in subjektiver Kamera, die dann aber von einer filmisch geläufigeren scheinbaren Außenperspektive auf die Träumenden abgelöst wird. Wieder vermittelt er im Dialog wie auch in der visuell praktischen Erprobung durch Ariadne weitere Erklärungen zu der Kreation und den Eigenschaften künstlich erzeugter geteilter Träume. Besonders wichtig für die weitere Handlung sind die Reaktionen des ‚Immunsystems‘ sowie das erneute Auftauchen von Mal aus dem ersten Traum, die dabei wieder gewaltsam vorgeht. Das Unterbewusstsein erscheint dabei wiederum kinematografisch aufwändig in architektonischen Metaphern, die sich an Werken der Mathematik und Kunstgeschichte (‚unmögliche‘, paradoxe Räume, ''infinity mirror'' als visuelle ''mise en abyme'') orientieren, sowie in einer Rhetorik von Angriff und Verteidigung; es ist, so Cobb, nicht kontrollierbar. Neben den genannten Mitteln überwiegt mit Ausnahme der Paradoxa und eines sichtbaren Schnitts (In 28:24) dennoch continuity editing (‚unsichtbarer Schnitt‘), was die (vermeintliche) Sicherheit über den Traumstatus sowie die Kohärenz der Traumwelt verdeutlicht.
 
Der '''zweite Traum''' erinnert in seiner Induktion an einen der ersten Traummanipulationsfilme, ''Dreamscape'' (1984), gefolgt von einer ersten Einstellung in subjektiver Kamera, die dann aber von einer filmisch geläufigeren scheinbaren Außenperspektive auf die Träumenden abgelöst wird. Wieder vermittelt er im Dialog wie auch in der visuell praktischen Erprobung durch Ariadne weitere Erklärungen zu der Kreation und den Eigenschaften künstlich erzeugter geteilter Träume. Besonders wichtig für die weitere Handlung sind die Reaktionen des ‚Immunsystems‘ sowie das erneute Auftauchen von Mal aus dem ersten Traum, die dabei wieder gewaltsam vorgeht. Das Unterbewusstsein erscheint dabei wiederum kinematografisch aufwändig in architektonischen Metaphern, die sich an Werken der Mathematik und Kunstgeschichte (‚unmögliche‘, paradoxe Räume, ''infinity mirror'' als visuelle ''mise en abyme'') orientieren, sowie in einer Rhetorik von Angriff und Verteidigung; es ist, so Cobb, nicht kontrollierbar. Neben den genannten Mitteln überwiegt mit Ausnahme der Paradoxa und eines sichtbaren Schnitts (In 28:24) dennoch continuity editing (‚unsichtbarer Schnitt‘), was die (vermeintliche) Sicherheit über den Traumstatus sowie die Kohärenz der Traumwelt verdeutlicht.
 
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[[Datei:In 3832.png|mini|Aufsicht der Penrose-Treppe mit Ariadne und Arthur im dritten Lerntraum (In 38:32)]]
 
Der '''dritte Traum''' nimmt plottechnisch zwei Funktionen ein: Er lässt die Zuschauenden mehr über den ‚Bau‘ der komplexen Träume erfahren und Mal wird als reine Projektion Cobbs identifiziert, womit auf ihre Rolle im Fortgang der Handlung vorausgewiesen wird. Abermals findet dies im Dialog, diesmal mir Cobbs Partner Arthur statt. Gerade die Penrose-Treppe, hier wohl von Arthur erzeugt, wird in der ''inception'' Teil des zweiten Traumlevels mit Arthur sein (vgl. In 1:44:15–27). Die Illusion der Unendlichkeit wird durch eine Aufsicht der die Treppe betretenden Figuren zunächst aufrechterhalten, um dann durch eine vertikale Kamerafahrt zu einer starken Untersicht aufgelöst zu werden (vgl. In 38:33–40).
 
Der '''dritte Traum''' nimmt plottechnisch zwei Funktionen ein: Er lässt die Zuschauenden mehr über den ‚Bau‘ der komplexen Träume erfahren und Mal wird als reine Projektion Cobbs identifiziert, womit auf ihre Rolle im Fortgang der Handlung vorausgewiesen wird. Abermals findet dies im Dialog, diesmal mir Cobbs Partner Arthur statt. Gerade die Penrose-Treppe, hier wohl von Arthur erzeugt, wird in der ''inception'' Teil des zweiten Traumlevels mit Arthur sein (vgl. In 1:44:15–27). Die Illusion der Unendlichkeit wird durch eine Aufsicht der die Treppe betretenden Figuren zunächst aufrechterhalten, um dann durch eine vertikale Kamerafahrt zu einer starken Untersicht aufgelöst zu werden (vgl. In 38:33–40).
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Die Einordnung des Endes ist daher unterschiedlich. Fisher meint: „‘I choose to believe that Cobb gets back to his kids,’ Nolan told Robert Capps, but this doesn’t settle the matter“ (2011, 38; so auch Floury 2011, 241). Zudem könne der Kreisel lediglich beweisen „that Cobb isn’t in his ‘own’ dream“ (Fisher 2011, 42) und sei zudem ein virtuelles Objekt (vgl. ebd.), wobei er eigentlich nur beweisen kann, dass er sich nicht im Traum einer anderen Person befindet. Der Kreisel ist also – so wie auch die mutmaßlich durch Cobbs Wahrnehmung gefilterten Erinnerungssequenzen – unzuverlässig: „First of all, Cobb’s totem is extremely unreliable as a dream detector. Arthus specifically points out, when telling Ariadne about totems, that they work only to tell you that you are ‘not in someone else’s dream.’ So, even if the top falls, Cobb could still be in his own dream“ (Johnson 2012, 2; vgl. ähnlich Miller 2012, 70). Andere Interpretierende sehen es eindeutiger als Traum, so Brophy: „At the close of ''Inception'', Cobb finally walks away from reality, ultimately letting the simulacra of his children salve his broken heart“ (2011, 189) oder Böhme: „Die letzte Einstellung zeigt den Kreisel in wirbelnder Bewegung. Es ist doch ein Traum – der Film, der jetzt zu Ende gegangen ist, war ein Traum“ (2013, 457) – hier mischt sie intradiegetischen Figurentraum und extrafiktionale Filmwahrnehmung (siehe nächstes Kapitel).  
 
Die Einordnung des Endes ist daher unterschiedlich. Fisher meint: „‘I choose to believe that Cobb gets back to his kids,’ Nolan told Robert Capps, but this doesn’t settle the matter“ (2011, 38; so auch Floury 2011, 241). Zudem könne der Kreisel lediglich beweisen „that Cobb isn’t in his ‘own’ dream“ (Fisher 2011, 42) und sei zudem ein virtuelles Objekt (vgl. ebd.), wobei er eigentlich nur beweisen kann, dass er sich nicht im Traum einer anderen Person befindet. Der Kreisel ist also – so wie auch die mutmaßlich durch Cobbs Wahrnehmung gefilterten Erinnerungssequenzen – unzuverlässig: „First of all, Cobb’s totem is extremely unreliable as a dream detector. Arthus specifically points out, when telling Ariadne about totems, that they work only to tell you that you are ‘not in someone else’s dream.’ So, even if the top falls, Cobb could still be in his own dream“ (Johnson 2012, 2; vgl. ähnlich Miller 2012, 70). Andere Interpretierende sehen es eindeutiger als Traum, so Brophy: „At the close of ''Inception'', Cobb finally walks away from reality, ultimately letting the simulacra of his children salve his broken heart“ (2011, 189) oder Böhme: „Die letzte Einstellung zeigt den Kreisel in wirbelnder Bewegung. Es ist doch ein Traum – der Film, der jetzt zu Ende gegangen ist, war ein Traum“ (2013, 457) – hier mischt sie intradiegetischen Figurentraum und extrafiktionale Filmwahrnehmung (siehe nächstes Kapitel).  
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Auch Rogy betont die Wahrscheinlichkeit eines Traums, zugleich aber auch die Irrelevanz für die Figur (vgl. 2018, 170). Tatsächlich scheint die bleibende Ambivalenz (ebenso Bumeder 2014, 287) gewollt, wie Nolans Aussage bei seiner Rede für den Abschlussjahrgang in Princeton belegt: „‘The way the end of that film worked, Leonardo DiCaprio’s character Cobb — he was off with his kids, he was in his own subjective reality. He didn’t really care anymore, and that makes a statement: perhaps, all levels of reality are valid. The camera moves over the spinning top just before it appears to be wobbling, it was cut to black’“ (Lee 2015). Kiss schlägt narratologisch gar eine Schleife vor, „[an] ambiguous diegetic loop, in which the Limbo may become reality, and reality may become Limbo“ (2012, 41).<ref>Eine einschlägige Umsetzung dieses Topos ist Cortázars [["La noche boca arriba" (Julio Cortázar)|''La noche boca arriba'']] (1956); vgl. auch ''Sherlock'', „The Abominable Bride“ (2016; dazu Neis 2020).</ref>  
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Auch Rogy betont die Wahrscheinlichkeit eines Traums, zugleich aber auch die Irrelevanz für die Figur (vgl. 2018, 170). Tatsächlich scheint die bleibende Ambivalenz (ebenso Bumeder 2014, 287) gewollt, wie Nolans Aussage bei seiner Rede für den Abschlussjahrgang in Princeton belegt: „‘The way the end of that film worked, Leonardo DiCaprio’s character Cobb — he was off with his kids, he was in his own subjective reality. He didn’t really care anymore, and that makes a statement: perhaps, all levels of reality are valid. The camera moves over the spinning top just before it appears to be wobbling, it was cut to black’“ (Lee 2015). Kiss schlägt narratologisch gar eine Schleife vor, „[an] ambiguous diegetic loop, in which the Limbo may become reality, and reality may become Limbo“ (2012, 41).<ref>Eine einschlägige Umsetzung dieses Topos ist Cortázars La noche boca arriba (1956); vgl. auch Sherlock, „The Abominable Bride“ (2016).</ref>  
    
Theoretisch, so Brusberg-Kiermeier (vgl. 2016, 232–234) mit Tallmann und Johnson, existieren sogar sieben Deutungsweisen des Endes, die jedoch in ihrer Wahrscheinlichkeit variieren:
 
Theoretisch, so Brusberg-Kiermeier (vgl. 2016, 232–234) mit Tallmann und Johnson, existieren sogar sieben Deutungsweisen des Endes, die jedoch in ihrer Wahrscheinlichkeit variieren:
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Außer der genannten Invasions-Tradition wurde nach dem Erscheinen von verschiedener Seite eine Parallelität zu dem japanischen Anime-Film ''Paprika'' (2006) vermutet (vgl. differenzierter Vergleich in Wardlow 2017). Des Weiteren finden sich in dem Scrooge-McDuck-(Dagobert-Duck-)Comic ''The Dream of a Lifetime'' (2002) von Don Rosa Ähnlichkeiten (vgl. blinkuldhc 2010, Jardin 2010, O’Neal 2010), die bis auf die Zugfahrt als Traumebene (vgl. Rosa 2019, 200, Panel 3.2, 4.1f.), eine ähnliche Maschine („brain-scanner“, vgl. Rosa 2019, 186, Panel 3.1) sowie die Intention der Panzerknacker, Zugang zu Dagoberts Geld durch das Eindringen in seine Träume zu erlangen, reichen. Relativ neuartig an ''Inception'' in Bezug auf ''Traum-im-Traum-Strukturen'' ist die Kombination von vielen Traumebenen und geteiltem Träumen: „''Inception''’s greatest innovation is its nested narrative structure“ (Mayo 2020, 259), wobei in dem Film bis auf Einstieg und Ausstieg (in Anlehnung an Bumeder) die Orientierung der Ebenen erleichtert ist. Nachfolger ähnlicher Bauart ist etwa Anna (Mindscape, 2013, Regie: Jorge Dorado). Bumeder listet diverse Parodien (vgl. 2014, 75), u.a. in den TV-Serien The Simpsons und South Park.4
 
Außer der genannten Invasions-Tradition wurde nach dem Erscheinen von verschiedener Seite eine Parallelität zu dem japanischen Anime-Film ''Paprika'' (2006) vermutet (vgl. differenzierter Vergleich in Wardlow 2017). Des Weiteren finden sich in dem Scrooge-McDuck-(Dagobert-Duck-)Comic ''The Dream of a Lifetime'' (2002) von Don Rosa Ähnlichkeiten (vgl. blinkuldhc 2010, Jardin 2010, O’Neal 2010), die bis auf die Zugfahrt als Traumebene (vgl. Rosa 2019, 200, Panel 3.2, 4.1f.), eine ähnliche Maschine („brain-scanner“, vgl. Rosa 2019, 186, Panel 3.1) sowie die Intention der Panzerknacker, Zugang zu Dagoberts Geld durch das Eindringen in seine Träume zu erlangen, reichen. Relativ neuartig an ''Inception'' in Bezug auf ''Traum-im-Traum-Strukturen'' ist die Kombination von vielen Traumebenen und geteiltem Träumen: „''Inception''’s greatest innovation is its nested narrative structure“ (Mayo 2020, 259), wobei in dem Film bis auf Einstieg und Ausstieg (in Anlehnung an Bumeder) die Orientierung der Ebenen erleichtert ist. Nachfolger ähnlicher Bauart ist etwa Anna (Mindscape, 2013, Regie: Jorge Dorado). Bumeder listet diverse Parodien (vgl. 2014, 75), u.a. in den TV-Serien The Simpsons und South Park.4
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Der Name des ''limbo'', des „unconstructed dream space“ (In 1:05:50) unterhalb der vorbereiteten Ebenen, erinnert konzeptuell an die katholische Bezeichnung (‚Limbus‘) für Vorhölle oder Fegefeuer und könnte außerdem in Verbindung mit [["Divina Commedia" (Dante Alighieri)|Dantes ''Purgatorio'']] gelesen werden. Die dargestellten Konstruktionen ‚unmöglicher‘ Welten mittels der Penrose-Treppe und des ''infinity mirror'' lassen gleichfalls an darauf beruhende zeichnerische Darstellungen M.C. Eschers denken (vgl. zu Traumanalogien im Werk von Escher Kreuzer 2014, 368–371; in ''Inception'' Kiss 2012, 41; Knöppler 2015, 43; Malomfălean 2015, 151; Elsaesser 2018, 24), wobei festzustellen ist, dass diese an sich keine (markierten) Traumdarstellungen sind, sondern lediglich eine traumähnliche Wirkung erzielen können. Auch Lewis Carrolls Through the Looking-Glass (1871) behandelt einander potenziell enthaltendes geteiltes Träumen, doch steht dabei die Paradoxie im Vordergrund. Dennoch besteht eine thematische Verbindung, denn ebenso wie Alice sich dort die Frage stellen muss, in wessen Traum sie sich befindet, ist „[t]he question of whether Cobb is still dreaming or not at the film’s end […] ultimately too simple. For there’s also the problem of whose dream Cobb might be in, if not his ‘own’“ (Fisher 2011, 45). Édith Piafs Chanson ''Non, je ne regrette rien'' wird nicht nur zum Wecksignal und musikalischen Leitmotiv, das in verschiedenen Träumen in unterschiedlicher Verformung (Hall, Ton-Abblende) Anwendung findet (Ebene 3 des Eingangstraums, zweiter Lerntraum, ''inception'', Abspann), sondern klingt auch inhaltlich nach, steht der Text doch im Widerspruch zu Cobbs zunächst unbewältigter Vergangenheit.  
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Der Name des ''limbo'', des „unconstructed dream space“ (In 1:05:50) unterhalb der vorbereiteten Ebenen, erinnert konzeptuell an die katholische Bezeichnung (‚Limbus‘) für Vorhölle oder Fegefeuer und könnte außerdem in Verbindung mit [["Divina Commedia" (Dante Alighieri)|Dantes ''Purgatorio'']] gelesen werden. Die dargestellten Konstruktionen ‚unmöglicher‘ Welten mittels der Penrose-Treppe und des ''infinity mirror'' lassen gleichfalls an darauf beruhende zeichnerische Darstellungen M.C. Eschers denken (vgl. zu Traumanalogien im Werk von Escher Kreuzer 2014, 368–371; in ''Inception'' Kiss 2012, 41; Knöppler 2015, 43; Malomf?lean 2015, 151; Elsaesser 2018, 24), wobei festzustellen ist, dass diese an sich keine (markierten) Traumdarstellungen sind, sondern lediglich eine traumähnliche Wirkung erzielen können. Auch Lewis Carrolls Through the Looking-Glass (1871) behandelt einander potenziell enthaltendes geteiltes Träumen, doch steht dabei die Paradoxie im Vordergrund. Dennoch besteht eine thematische Verbindung, denn ebenso wie Alice sich dort die Frage stellen muss, in wessen Traum sie sich befindet, ist „[t]he question of whether Cobb is still dreaming or not at the film’s end […] ultimately too simple. For there’s also the problem of whose dream Cobb might be in, if not his ‘own’“ (Fisher 2011, 45). Édith Piafs Chanson ''Non, je ne regrette rien'' wird nicht nur zum Wecksignal und musikalischen Leitmotiv, das in verschiedenen Träumen in unterschiedlicher Verformung (Hall, Ton-Abblende) Anwendung findet (Ebene 3 des Eingangstraums, zweiter Lerntraum, ''inception'', Abspann), sondern klingt auch inhaltlich nach, steht der Text doch im Widerspruch zu Cobbs zunächst unbewältigter Vergangenheit.  
    
Potenziell sind traum- und filmbezogene Verweise unendlich, oder in Nolans Worten: „This is a story about people sharing a dream, so you want to be limitless in your references“ (Taubin und Nolan 2010, 32); er selbst zählt dazu retrospektiv auch ''L’année dernière a Marienbad'' (1961, Regie: Alain Resnais).
 
Potenziell sind traum- und filmbezogene Verweise unendlich, oder in Nolans Worten: „This is a story about people sharing a dream, so you want to be limitless in your references“ (Taubin und Nolan 2010, 32); er selbst zählt dazu retrospektiv auch ''L’année dernière a Marienbad'' (1961, Regie: Alain Resnais).
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Der Umstand, dass in den Träumen Dialoge wie in der Wachwelt geführt werden – im Übrigen nimmt bei den Erklärungen zur Traumtechnik das telling großen Raum ein –, dabei (zunächst) kaum als traumtypisch angesehene inhaltliche Bizarrerien auftreten („how undreamlike the dreams in the film are“, Fisher 2011, 40) und diese sich auf einzelne raumzeitliche Phänomene wie Zeitdehnung und Verformung des Raums im Sinne mathematisch-physikalischer Paradoxien beschränken (Eichner nennt noch Eames’ Gestaltwandel und Cobbs Halluzinationen, vgl. 2014, 183; Brusberg-Kiermeier das Schauspiel, vgl. 2016, 239), ist zugleich auch medial erklärbar. Zum einen bedeutet es einen geringeren Unterschied zum Drehen von Wachwelt-Sequenzen, zum anderen folgt ''Inception'' zum Teil der filmhistorischen Tradition des ‚retroaktiven Modus‘, die Zuschauende durch nachfolgende Offenbarung erst in den Traumstatus einweiht und die vorherige Täuschung erkennbar macht (Brütsch 2011b nennt es ‚filmischer Prototyp‘ des unzuverlässigen Erzählens); vermeintliche Außenperspektiven zeigen sich dann als Innenperspektiven (unsichtbare interne Fokalisierung). Außerdem steht ''Inception'' damit in der Reihe von Bewusstseinsfilmen, die in den 1990–2010er Jahren einen Boom erlebt haben und sich filmnarratologisch durch Fokussierung auf Innenwelten, Täuschung und narrative Unzuverlässigkeit auszeichnen. Nicht vergessen werden sollten die dennoch spektakulären Effekte in Erinnerung an das frühe cinema of attractions (vgl. Brütsch 2011a, 394 nach Gunning) der sich zerstörenden Traum-Gebäude, der Verformung der Pariser Boulevards oder visuellen Paradoxa, die zugleich, wie der scheinbar unendliche Spiegel als ''mise en abyme'', als Metaphern für Traum im Traum wie Weltenkonstruktion verstanden werden können.
 
Der Umstand, dass in den Träumen Dialoge wie in der Wachwelt geführt werden – im Übrigen nimmt bei den Erklärungen zur Traumtechnik das telling großen Raum ein –, dabei (zunächst) kaum als traumtypisch angesehene inhaltliche Bizarrerien auftreten („how undreamlike the dreams in the film are“, Fisher 2011, 40) und diese sich auf einzelne raumzeitliche Phänomene wie Zeitdehnung und Verformung des Raums im Sinne mathematisch-physikalischer Paradoxien beschränken (Eichner nennt noch Eames’ Gestaltwandel und Cobbs Halluzinationen, vgl. 2014, 183; Brusberg-Kiermeier das Schauspiel, vgl. 2016, 239), ist zugleich auch medial erklärbar. Zum einen bedeutet es einen geringeren Unterschied zum Drehen von Wachwelt-Sequenzen, zum anderen folgt ''Inception'' zum Teil der filmhistorischen Tradition des ‚retroaktiven Modus‘, die Zuschauende durch nachfolgende Offenbarung erst in den Traumstatus einweiht und die vorherige Täuschung erkennbar macht (Brütsch 2011b nennt es ‚filmischer Prototyp‘ des unzuverlässigen Erzählens); vermeintliche Außenperspektiven zeigen sich dann als Innenperspektiven (unsichtbare interne Fokalisierung). Außerdem steht ''Inception'' damit in der Reihe von Bewusstseinsfilmen, die in den 1990–2010er Jahren einen Boom erlebt haben und sich filmnarratologisch durch Fokussierung auf Innenwelten, Täuschung und narrative Unzuverlässigkeit auszeichnen. Nicht vergessen werden sollten die dennoch spektakulären Effekte in Erinnerung an das frühe cinema of attractions (vgl. Brütsch 2011a, 394 nach Gunning) der sich zerstörenden Traum-Gebäude, der Verformung der Pariser Boulevards oder visuellen Paradoxa, die zugleich, wie der scheinbar unendliche Spiegel als ''mise en abyme'', als Metaphern für Traum im Traum wie Weltenkonstruktion verstanden werden können.
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Neben dem Klarträumen zeigt der Film weitere Traumkonzepte, die auch an bekannte Traumtheorien gebunden sind. Die eben beschriebene wachwelt-ähnliche Gestaltung der Träume bedingt auch, dass Traum bzw. das Unterbewusstsein der Träumenden topografisch als Orte (Landschaft, Architektur, Aufzug) realisiert sind, wobei ganze Städte kreiert werden, mit der Traumebene instabil werden und ‚zusammenstürzen‘ (vgl. zur metropolen Zerfallsästhetik Koebner 2018, 165; zur Verwendung von Landschaftssymbolik in ‚inneren Topografien‘ Mayo 2020, 259–261; in ''Inception'' Knöppler 2015; Malomfălean 2015, 150; im Kontext von Städteträumen Oster 2022, 578–580). Sie werden aus Erinnerungsbestandteilen erstellt (Tagesreste-Konzept) und können ‚von außen‘ beeinflusst werden (Leibreiz-Konzept). Die Besonderheit liegt jedoch darin, wie beim ‚Wassereinbruch‘ in der ''extraction'' oder der ‚Schwerelosigkeit‘ in einer tieferen Traumebene in der ''inception'', dass dies von einer weiteren Traumebene aus geschieht, wodurch Traumtheorien immanent reflektiert werden. Objekte nehmen darin auch symbolische Funktion ein, so der Aufzug als Mittel, ‚in die Tiefen‘ von Cobbs Unterbewusstsein vorzudringen, und die Metaphorik des Einschließens von Geheimnissen in geträumten ‚Safes‘ als ‚(T)Räume im (T)Raum‘.  
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Neben dem Klarträumen zeigt der Film weitere Traumkonzepte, die auch an bekannte Traumtheorien gebunden sind. Die eben beschriebene wachwelt-ähnliche Gestaltung der Träume bedingt auch, dass Traum bzw. das Unterbewusstsein der Träumenden topografisch als Orte (Landschaft, Architektur, Aufzug) realisiert sind, wobei ganze Städte kreiert werden, mit der Traumebene instabil werden und ‚zusammenstürzen‘ (vgl. zur metropolen Zerfallsästhetik Koebner 2018, 165; zur Verwendung von Landschaftssymbolik in ‚inneren Topografien‘ Mayo 2020, 259–261; in ''Inception'' Knöppler 2015; Malomf?lean 2015, 150; im Kontext von Städteträumen Oster 2022, 578–580). Sie werden aus Erinnerungsbestandteilen erstellt (Tagesreste-Konzept) und können ‚von außen‘ beeinflusst werden (Leibreiz-Konzept). Die Besonderheit liegt jedoch darin, wie beim ‚Wassereinbruch‘ in der ''extraction'' oder der ‚Schwerelosigkeit‘ in einer tieferen Traumebene in der ''inception'', dass dies von einer weiteren Traumebene aus geschieht, wodurch Traumtheorien immanent reflektiert werden. Objekte nehmen darin auch symbolische Funktion ein, so der Aufzug als Mittel, ‚in die Tiefen‘ von Cobbs Unterbewusstsein vorzudringen, und die Metaphorik des Einschließens von Geheimnissen in geträumten ‚Safes‘ als ‚(T)Räume im (T)Raum‘.  
    
Zusätzlich wird das Unterbewusstsein in Analogie zum Immunsystem des menschlichen Körpers inszeniert, in dem wehrhafte projections Eindringlinge angreifen. Damit und auch durch die gezeigte Manipulierbarkeit und Kapitalisierbarkeit des Wissens durch Zutritt zum Unterbewusstsein via Traum werden die mehrlagigen Träume wortwörtlich zu Schlachtfeldern (vgl. ebenso Fitsch 2018, 117) mit Kämpfen, Explosionen, Anschlägen und geträumten Toden, wobei die moralische Komponente der Traumspionage kaum hinterfragt wird (vgl. Koebner 2018, 163). Zugleich gilt das ritualisierte Inszenieren von Träumen (Trauminkubation, vgl. Engel 2017, 34–36) auch therapeutischen Zwecken wie der Heilung von vergangenen Versehrungen im Kontext des Hollywood-Bewusstseinsfilms (vgl. zum therapeutischen Zweck auch Floury 2011, 234). Knöppler argumentiert, dass abseits einer vereinfachenden Bewusstseinsrepräsentation dabei eher der Versuch einer Selbstkonstruktion (Cobbs) verdeutlicht werden soll (vgl. 2015, 45). Dromms Abgleich mit empirischer Traumforschung zeigt dagegen oft Unzulänglichkeiten (vgl. Dromm 2012; vgl. anders Bulkeley 2010). Nolan zufolge war eine getreue Wiedergabe gar nicht seine Absicht: „No, it’s all just stuff I made up“ (Taubin und Nolan 2010, 34).
 
Zusätzlich wird das Unterbewusstsein in Analogie zum Immunsystem des menschlichen Körpers inszeniert, in dem wehrhafte projections Eindringlinge angreifen. Damit und auch durch die gezeigte Manipulierbarkeit und Kapitalisierbarkeit des Wissens durch Zutritt zum Unterbewusstsein via Traum werden die mehrlagigen Träume wortwörtlich zu Schlachtfeldern (vgl. ebenso Fitsch 2018, 117) mit Kämpfen, Explosionen, Anschlägen und geträumten Toden, wobei die moralische Komponente der Traumspionage kaum hinterfragt wird (vgl. Koebner 2018, 163). Zugleich gilt das ritualisierte Inszenieren von Träumen (Trauminkubation, vgl. Engel 2017, 34–36) auch therapeutischen Zwecken wie der Heilung von vergangenen Versehrungen im Kontext des Hollywood-Bewusstseinsfilms (vgl. zum therapeutischen Zweck auch Floury 2011, 234). Knöppler argumentiert, dass abseits einer vereinfachenden Bewusstseinsrepräsentation dabei eher der Versuch einer Selbstkonstruktion (Cobbs) verdeutlicht werden soll (vgl. 2015, 45). Dromms Abgleich mit empirischer Traumforschung zeigt dagegen oft Unzulänglichkeiten (vgl. Dromm 2012; vgl. anders Bulkeley 2010). Nolan zufolge war eine getreue Wiedergabe gar nicht seine Absicht: „No, it’s all just stuff I made up“ (Taubin und Nolan 2010, 34).
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*Lee, Ashley: Christopher Nolan Talks ‘Inception’ Ending, Batman and “Chasing Reality” in Princeton Grad Speech. In: The Hollywood Reporter, 01.06.2015; https://www.hollywoodreporter.com/movies/movie-news/christopher-nolan-princeton-graduation-speech-799121/.
 
*Lee, Ashley: Christopher Nolan Talks ‘Inception’ Ending, Batman and “Chasing Reality” in Princeton Grad Speech. In: The Hollywood Reporter, 01.06.2015; https://www.hollywoodreporter.com/movies/movie-news/christopher-nolan-princeton-graduation-speech-799121/.
 
*Taubin, Amy/Nolan, Christopher: Dream Work [Text und Interview]. In: Film Comment 46 (2010), 30–35.
 
*Taubin, Amy/Nolan, Christopher: Dream Work [Text und Interview]. In: Film Comment 46 (2010), 30–35.
*Jung, C. G.: Über die Psychologie des Unbewussten. 7., vermehrte und verbesserte Aufl. von ‚Das Unbewusste im normalen und kranken Seelenleben‘. Zürich und Stuttgart: Rascher-Verlag 1960.
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*Jung, C. G.: Über die Psychologie des Unbewussten. 7., vermehrte und verbesserte Aufl. von ‚Das Unbewusste im normalen und Kranken Seelenleben‘. Zürich und Stuttgart: Rascher-Verlag 1960.
 
*Jung, C. G.: Traumsymbole des Individuationsprozesses. In:  C. G. Jung: Gesammelte Werke. Zwölfter Band: Psychologie und Alchemie, hg. von Dieter Baumann/Lilly Jung-Merker/Elisabeth Rüf. Olsten und Freiburg i. B.: Walter 1972, 59–264.
 
*Jung, C. G.: Traumsymbole des Individuationsprozesses. In:  C. G. Jung: Gesammelte Werke. Zwölfter Band: Psychologie und Alchemie, hg. von Dieter Baumann/Lilly Jung-Merker/Elisabeth Rüf. Olsten und Freiburg i. B.: Walter 1972, 59–264.
 
*Truffaut, François/Scott, Helen G.: Mr. Hitchcock, wie haben Sie das gemacht? Hg. von Robert Fischer, übersetzt von Frieda Grafe und Enno Patalas. 6. Aufl. München: Wilhelm Heyne Verlag 2010.
 
*Truffaut, François/Scott, Helen G.: Mr. Hitchcock, wie haben Sie das gemacht? Hg. von Robert Fischer, übersetzt von Frieda Grafe und Enno Patalas. 6. Aufl. München: Wilhelm Heyne Verlag 2010.
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*Sharp, Daryl: Subjective level. In: Jung Lexicon. A Primer of Terms & Concepts. Toronto, Canada: Inner City Books 1991, 128–129.
 
*Sharp, Daryl: Subjective level. In: Jung Lexicon. A Primer of Terms & Concepts. Toronto, Canada: Inner City Books 1991, 128–129.
 
*Spiegel, Simon: Die Gegenwart des Zukünftigen – Science-Fiction. In: Alexander Geimer/Carsten Heinze/Rainer Winter (Hg.): Handbuch Filmsoziologie. Wiesbaden: Springer Fachmedien 2018, 1–18.
 
*Spiegel, Simon: Die Gegenwart des Zukünftigen – Science-Fiction. In: Alexander Geimer/Carsten Heinze/Rainer Winter (Hg.): Handbuch Filmsoziologie. Wiesbaden: Springer Fachmedien 2018, 1–18.
*Steierer, Benedikt: „Deine Welt ist nicht real!“. Überlegungen zu Traum – Bewusstsein – Film und zur filmischen Produktion von Präsenz in Christopher Nolans ‚Inception‘. In: Tanja Prokić/Anne Kolb/ Oliver Jahraus (Hg.): Wider die Repräsentation. Präsens/z Erzählen in Literatur, Film und bildender Kunst. Frankfurt a. M.: Peter Lang 2011, 270–96.
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*Steierer, Benedikt: „Deine Welt ist nicht real!“. Überlegungen zu Traum – Bewusstsein – Film und zur filmischen Produktion von Präsenz in Christopher Nolans ‚Inception‘. In: Tanja Proki?/Anne Kolb/ Oliver Jahraus (Hg.): Wider die Repräsentation. Präsens/z Erzählen in Literatur, Film und bildender Kunst. Frankfurt a. M.: Peter Lang 2011, 270–96.
 
*Strank, Willem: Twist Ending. In: Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (Hg.): Das Lexikon der Filmbegriffe, 10.03.2022; https://filmlexikon.uni-kiel.de/doku.php/t:twistending-8845.
 
*Strank, Willem: Twist Ending. In: Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (Hg.): Das Lexikon der Filmbegriffe, 10.03.2022; https://filmlexikon.uni-kiel.de/doku.php/t:twistending-8845.
 
*Wardlow, Ciara: The Synergy of ‘Inception’ and ‘Paprika’. In: Film School Rejects (blog), 02.03.2017; https://filmschoolrejects.com/inception-paprika-synergy/.
 
*Wardlow, Ciara: The Synergy of ‘Inception’ and ‘Paprika’. In: Film School Rejects (blog), 02.03.2017; https://filmschoolrejects.com/inception-paprika-synergy/.
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