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Filmisch sind neben der damit einhergehenden hohen Schnittfrequenz als charakteristisch besonders zeitgestaltende Mittel zu beobachten: Die erwähnten Parallelmontagen ermöglichen ein schnelles Wechseln zwischen gleichzeitig stattfindenden Ereignissen auf verschiedenen Traumebenen, das Zeigen der ebenenübergreifenden Konsequenzen einzelner Handlungen (z.B. Cobb fällt in (2) ins Wasser, in (3) wird das Haus überflutet) sowie eine dennoch bleibende Orientierung, nachdem der Ebenenwechsel einmal bekannt ist. Im Kontrast stehen wiederholt eingesetzte Zeitlupen (z.B. bei dem Sturz ins Wasser), die außerdem die besondere Zeit der Traumebenen verdeutlichen, denn später wird erkennbar, dass Zeit auf den tieferen Ebenen wesentlich schneller vergeht (d.h. dort vergeht subjektiv mehr Zeit als auf einer höheren Ebene bzw. in der Wachwelt). Wiederholt wird dazu eine Detailaufnahme eines Chronographen gezeigt (vgl. z.B. In 12:05–07), dessen voranlaufender Zeiger sich plötzlich verlangsamt. Nolan sagt über den Einsatz zeitgestaltender Mittel wie Zeitlupe im Film: „We’ve embraced it as part of the narrative. What’s different about the film is also what’s familiar about the film. We’ve repurposed the techniques you’ve seen in other movies to have a narrative meaning“ (Taubin und Nolan 2010, 35).
 
Filmisch sind neben der damit einhergehenden hohen Schnittfrequenz als charakteristisch besonders zeitgestaltende Mittel zu beobachten: Die erwähnten Parallelmontagen ermöglichen ein schnelles Wechseln zwischen gleichzeitig stattfindenden Ereignissen auf verschiedenen Traumebenen, das Zeigen der ebenenübergreifenden Konsequenzen einzelner Handlungen (z.B. Cobb fällt in (2) ins Wasser, in (3) wird das Haus überflutet) sowie eine dennoch bleibende Orientierung, nachdem der Ebenenwechsel einmal bekannt ist. Im Kontrast stehen wiederholt eingesetzte Zeitlupen (z.B. bei dem Sturz ins Wasser), die außerdem die besondere Zeit der Traumebenen verdeutlichen, denn später wird erkennbar, dass Zeit auf den tieferen Ebenen wesentlich schneller vergeht (d.h. dort vergeht subjektiv mehr Zeit als auf einer höheren Ebene bzw. in der Wachwelt). Wiederholt wird dazu eine Detailaufnahme eines Chronographen gezeigt (vgl. z.B. In 12:05–07), dessen voranlaufender Zeiger sich plötzlich verlangsamt. Nolan sagt über den Einsatz zeitgestaltender Mittel wie Zeitlupe im Film: „We’ve embraced it as part of the narrative. What’s different about the film is also what’s familiar about the film. We’ve repurposed the techniques you’ve seen in other movies to have a narrative meaning“ (Taubin und Nolan 2010, 35).
Neben den oben beschriebenen Elementen sind die Ebenenübergänge, die sich hier teils auch diegetisch unterscheiden,<ref>Erzähltheoretisch werden Träume und darauf basierend auch Traumebenen häufig mit diegetischen Ebenen (Erzählebenen) gleichgesetzt, so etwa bei Genette (vgl. 2010, 149f.) und filmnarratologisch bei Markus Kuhn (vgl. 2011, 152, 285f.) und Bumeder (vgl. 2014, 260f.). Mit Matthias Brütsch (vgl. 2011a, 255f.) nehme ich aber an, dass es sich nur dann um eine diegetische Ebene handelt, wenn diese auch explizit von einer Figur erzählt wird. In Inception ist insofern eine Sondersituation gegeben, als es deutlich erzählte/fokalisierte Partien gibt (v.a., wenn Cobb Ariadne von Mal erzählt). Diskutabel ist, ob die oft einer Person zugeordnete Verantwor-tung für eine Traumebene ebenfalls als ‚erzählt werden‘ angesehen werden kann. Kiss spricht von „illusory metalepsis“ in diesem Zusammenhang (2012, 37), aber bei den Traumleveln ebenfalls von vier ‚hypodiegeti-schen Ebenen‘ (vgl. ebd., 38) – das ist Mieke Bals analoge Bezeichnung zu Genettes ‚intra-, meta-, metameta-diegetisch‘ etc. Siehe auch die Untersuchung im Sinne der Possible Worlds Theory (PWT) in Lugea 2013.</ref> durch Augenschließen und -öffnen träumender Personen verdeutlicht (vgl. etwa In 08:45f., 13:59–14:05). Es zeigt sich, dass über die Maschine hinaus, an die die Träumenden auf mehreren Ebenen angeschlossen sind, weitere Möglichkeiten zum Aufwachen auf der nächsthöheren Ebene durch einen Außenwelteinfluss bzw. Einfluss von der nächsten Ebene vorhanden sind (Wasser, das leitmotivische Piaf-Chanson) sowie im Extremfall durch das ‚Töten‘ einer träumenden Person auf einer Traumebene.
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Neben den oben beschriebenen Elementen sind die Ebenenübergänge, die sich hier teils auch diegetisch unterscheiden,<ref>Erzähltheoretisch werden Träume und darauf basierend auch Traumebenen häufig mit diegetischen Ebenen (Erzählebenen) gleichgesetzt, so etwa bei Genette (vgl. 2010, 149f.) und filmnarratologisch bei Markus Kuhn (vgl. 2011, 152, 285f.) und Bumeder (vgl. 2014, 260f.). Mit Matthias Brütsch (vgl. 2011a, 255f.) nehme ich aber an, dass es sich nur dann um eine diegetische Ebene handelt, wenn diese auch explizit von einer Figur erzählt wird. In ''Inception'' ist insofern eine Sondersituation gegeben, als es deutlich erzählte/fokalisierte Partien gibt (v.a., wenn Cobb Ariadne von Mal erzählt). Diskutabel ist, ob die oft einer Person zugeordnete Verantwortung für eine Traumebene ebenfalls als ‚erzählt werden‘ angesehen werden kann. Kiss spricht von „illusory metalepsis“ in diesem Zusammenhang (2012, 37), aber bei den Traumleveln ebenfalls von vier ‚hypodiegetischen Ebenen‘ (vgl. ebd., 38) – das ist Mieke Bals analoge Bezeichnung zu Genettes ‚intra-, meta-, metameta-diegetisch‘ etc. Siehe auch die Untersuchung im Sinne der Possible Worlds Theory (PWT) in Lugea 2013.</ref> durch Augenschließen und -öffnen träumender Personen verdeutlicht (vgl. etwa In 08:45f., 13:59–14:05). Es zeigt sich, dass über die Maschine hinaus, an die die Träumenden auf mehreren Ebenen angeschlossen sind, weitere Möglichkeiten zum Aufwachen auf der nächsthöheren Ebene durch einen Außenwelteinfluss bzw. Einfluss von der nächsten Ebene vorhanden sind (Wasser, das leitmotivische Piaf-Chanson) sowie im Extremfall durch das ‚Töten‘ einer träumenden Person auf einer Traumebene.
    
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Die Einordnung des Endes ist daher unterschiedlich. Fisher meint: „‘I choose to believe that Cobb gets back to his kids,’ Nolan told Robert Capps, but this doesn’t settle the matter“ (2011, 38; so auch Floury 2011, 241). Zudem könne der Kreisel lediglich beweisen „that Cobb isn’t in his ‘own’ dream“ (Fisher 2011, 42) und sei zudem ein virtuelles Objekt (vgl. ebd.), wobei er eigentlich nur beweisen kann, dass er sich nicht im Traum einer anderen Person befindet. Der Kreisel ist also – so wie auch die mutmaßlich durch Cobbs Wahrnehmung gefilterten Erinnerungssequenzen – unzuverlässig: „First of all, Cobb’s totem is extremely unreliable as a dream detector. Arthus specifically points out, when telling Ariadne about totems, that they work only to tell you that you are ‘not in someone else’s dream.’ So, even if the top falls, Cobb could still be in his own dream“ (Johnson 2012, 2; vgl. ähnlich Miller 2012, 70). Andere Interpretierende sehen es eindeutiger als Traum, so Brophy: „At the close of ''Inception'', Cobb finally walks away from reality, ultimately letting the simulacra of his children salve his broken heart“ (2011, 189) oder Böhme: „Die letzte Einstellung zeigt den Kreisel in wirbelnder Bewegung. Es ist doch ein Traum – der Film, der jetzt zu Ende gegangen ist, war ein Traum“ (2013, 457) – hier mischt sie intradiegetischen Figurentraum und extrafiktionale Filmwahrnehmung (siehe nächstes Kapitel).  
 
Die Einordnung des Endes ist daher unterschiedlich. Fisher meint: „‘I choose to believe that Cobb gets back to his kids,’ Nolan told Robert Capps, but this doesn’t settle the matter“ (2011, 38; so auch Floury 2011, 241). Zudem könne der Kreisel lediglich beweisen „that Cobb isn’t in his ‘own’ dream“ (Fisher 2011, 42) und sei zudem ein virtuelles Objekt (vgl. ebd.), wobei er eigentlich nur beweisen kann, dass er sich nicht im Traum einer anderen Person befindet. Der Kreisel ist also – so wie auch die mutmaßlich durch Cobbs Wahrnehmung gefilterten Erinnerungssequenzen – unzuverlässig: „First of all, Cobb’s totem is extremely unreliable as a dream detector. Arthus specifically points out, when telling Ariadne about totems, that they work only to tell you that you are ‘not in someone else’s dream.’ So, even if the top falls, Cobb could still be in his own dream“ (Johnson 2012, 2; vgl. ähnlich Miller 2012, 70). Andere Interpretierende sehen es eindeutiger als Traum, so Brophy: „At the close of ''Inception'', Cobb finally walks away from reality, ultimately letting the simulacra of his children salve his broken heart“ (2011, 189) oder Böhme: „Die letzte Einstellung zeigt den Kreisel in wirbelnder Bewegung. Es ist doch ein Traum – der Film, der jetzt zu Ende gegangen ist, war ein Traum“ (2013, 457) – hier mischt sie intradiegetischen Figurentraum und extrafiktionale Filmwahrnehmung (siehe nächstes Kapitel).  
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Auch Rogy betont die Wahrscheinlichkeit eines Traums, zugleich aber auch die Irrelevanz für die Figur (vgl. 2018, 170). Tatsächlich scheint die bleibende Ambivalenz (ebenso Bumeder 2014, 287) gewollt, wie Nolans Aussage bei seiner Rede für den Abschlussjahrgang in Princeton belegt: „‘The way the end of that film worked, Leonardo DiCaprio’s character Cobb — he was off with his kids, he was in his own subjective reality. He didn’t really care anymore, and that makes a statement: perhaps, all levels of reality are valid. The camera moves over the spinning top just before it appears to be wobbling, it was cut to black’“ (Lee 2015). Kiss schlägt narratologisch gar eine Schleife vor, „[an] ambiguous diegetic loop, in which the Limbo may become reality, and reality may become Limbo“ (2012, 41).<ref>Eine einschlägige Umsetzung dieses Topos ist Cortázars La noche boca arriba (1956); vgl. auch Sherlock, „The Abominable Bride“ (2016).</ref>  
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Auch Rogy betont die Wahrscheinlichkeit eines Traums, zugleich aber auch die Irrelevanz für die Figur (vgl. 2018, 170). Tatsächlich scheint die bleibende Ambivalenz (ebenso Bumeder 2014, 287) gewollt, wie Nolans Aussage bei seiner Rede für den Abschlussjahrgang in Princeton belegt: „‘The way the end of that film worked, Leonardo DiCaprio’s character Cobb — he was off with his kids, he was in his own subjective reality. He didn’t really care anymore, and that makes a statement: perhaps, all levels of reality are valid. The camera moves over the spinning top just before it appears to be wobbling, it was cut to black’“ (Lee 2015). Kiss schlägt narratologisch gar eine Schleife vor, „[an] ambiguous diegetic loop, in which the Limbo may become reality, and reality may become Limbo“ (2012, 41).<ref>Eine einschlägige Umsetzung dieses Topos ist Cortázars [["La noche boca arriba" (Julio Cortázar)|''La noche boca arriba'']] (1956); vgl. auch ''Sherlock'', „The Abominable Bride“ (2016; dazu Neis 2020).</ref>  
    
Theoretisch, so Brusberg-Kiermeier (vgl. 2016, 232–234) mit Tallmann und Johnson, existieren sogar sieben Deutungsweisen des Endes, die jedoch in ihrer Wahrscheinlichkeit variieren:
 
Theoretisch, so Brusberg-Kiermeier (vgl. 2016, 232–234) mit Tallmann und Johnson, existieren sogar sieben Deutungsweisen des Endes, die jedoch in ihrer Wahrscheinlichkeit variieren:
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*[https://www.imdb.com/title/tt1375666/?ref_=nv_sr_srsg_0_tt_8_nm_0_q_inception Der Film in der Internet Movie Database (IMDb)]
 
*[https://www.imdb.com/title/tt1375666/?ref_=nv_sr_srsg_0_tt_8_nm_0_q_inception Der Film in der Internet Movie Database (IMDb)]
 
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==Anmerkungen==
 
==Anmerkungen==
 
<references />
 
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