"Das Dritte Reich des Traums" (Charlotte Beradt): Unterschied zwischen den Versionen
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"Das Dritte Reich des Traums" (Charlotte Beradt) (Quelltext anzeigen)
Version vom 17. Februar 2017, 15:24 Uhr
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Nadja Lux sieht die herausragende Bedeutung von Charlotte Beradts Traumsammlung unter anderem in der Tatsache, dass die individuellen und kollektiven Erfahrungswelten des Nationalsozialismus weder aus der „Perspektive des Exils, noch aus der erinnerten Rückschau innerer Emigranten nach 1945 vermittelt (werden), sondern im Spiegel zeitgenössischer Traumerzählungen aus dem Innenraum der Diktatur (erfolgen)“. Die Einsichten in die „Strukturen und Funktionsweisen totalitärer Herrschaft lassen sich also explizit aus der ästhetischen Form ableiten“ (Lux 2008, 15). Indem die Träume nicht die äußere Wirklichkeit zeigen, wie sie sich in der alltäglichen Wahrnehmung bietet, sondern die Struktur, die in ihr verborgen ist, enthüllen die erzählten Traumgeschichten „die geheimen Antriebskräfte und Einpassungszwänge“ der nationalsozialistischen Herrschaft. Sie „bezeugen – als fiktionale Texte – den Terror, zugleich aber sind sie Vollzugsweisen des Terrors selbst. Sie werden in den Leib diktiert“ (Koselleck in Beradt 1981, 127 und 128). | Nadja Lux sieht die herausragende Bedeutung von Charlotte Beradts Traumsammlung unter anderem in der Tatsache, dass die individuellen und kollektiven Erfahrungswelten des Nationalsozialismus hier weder aus der „Perspektive des Exils, noch aus der erinnerten Rückschau innerer Emigranten nach 1945 vermittelt (werden), sondern im Spiegel zeitgenössischer Traumerzählungen aus dem Innenraum der Diktatur (erfolgen)“. Die Einsichten in die „Strukturen und Funktionsweisen totalitärer Herrschaft lassen sich also explizit aus der ästhetischen Form ableiten“ (Lux 2008, 15). Indem die Träume nicht die äußere Wirklichkeit zeigen, wie sie sich in der alltäglichen Wahrnehmung bietet, sondern die Struktur, die in ihr verborgen ist, enthüllen die erzählten Traumgeschichten „die geheimen Antriebskräfte und Einpassungszwänge“ der nationalsozialistischen Herrschaft. Sie „bezeugen – als fiktionale Texte – den Terror, zugleich aber sind sie Vollzugsweisen des Terrors selbst. Sie werden in den Leib diktiert“ (Koselleck in Beradt 1981, 127 und 128). | ||
Die Nähe der Träume zu literarisch-ästhetischen Formen mit ihrem eigenen Erkenntnispotenzial generiert also ein spezifisches Wissen über das Verhältnis von Traum, Erzählung und Totalitarismus, das keine andere Quellengattung in dieser Abgründigkeit bietet. Damit erlangen die Traumtexte Beradts nicht nur eine besondere Bedeutung im Rahmen aktueller wissenspoetologischer Debatten und Diskussionen um die Funktionen und Potenziale von Literatur. Sie haben auch einen wesentlichen Anteil an einem Paradigmenwechsel in den Geschichtswissenschaften, der am Beispiel des Umgangs mit unterschiedlichen Quellen zum Nationalsozialismus besonders gut nachvollziehbar wird (vgl. Koselleck in Beradt 1981, 126). | Die Nähe der Träume zu literarisch-ästhetischen Formen mit ihrem eigenen Erkenntnispotenzial generiert also ein spezifisches Wissen über das Verhältnis von Traum, Erzählung und Totalitarismus, das keine andere Quellengattung in dieser Abgründigkeit bietet. Damit erlangen die Traumtexte Beradts nicht nur eine besondere Bedeutung im Rahmen aktueller wissenspoetologischer Debatten und Diskussionen um die Funktionen und Potenziale von Literatur. Sie haben auch einen wesentlichen Anteil an einem Paradigmenwechsel in den Geschichtswissenschaften, der am Beispiel des Umgangs mit unterschiedlichen Quellen zum Nationalsozialismus besonders gut nachvollziehbar wird (vgl. Koselleck in Beradt 1981, 126). | ||
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