"Ein Geschäft mit Träumen" (Ingeborg Bachmann): Unterschied zwischen den Versionen

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Das Hörspiel ''Ein Geschäft mit Träumen'' (1952) stellt eine der frühesten Beschäftigungen der österreichischen Schriftstellerin Ingeborg Bachmann (1926–1973) mit dem Thema des Traums dar. Ihre literarische Inszenierung nähert sich dieser hochgradig subjektiven Erfahrung an und ist von der Forschung häufig als Konsum- oder Gesellschaftskritik gelesen wordene.
Das Hörspiel ''Ein Geschäft mit Träumen'' (1952) stellt eine der frühesten Beschäftigungen der österreichischen Schriftstellerin Ingeborg Bachmann (1926–1973) mit dem Thema Traum dar. Ihre literarische Inszenierung nähert sich dieser hochgradig subjektiven Erfahrung an und ist von der Forschung häufig als Konsum- oder Gesellschaftskritik gelesen worden.


==Bachmann und der Hörfunk==
==Bachmann und der Hörfunk==
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In dieser Zeit schreibt Bachmann auch literarische Texte für das Radio um, darunter das Stück ''Mannerhouse'' (posthum 1948) des US-amerikanischen Schriftstellers Thomas Wolfe (1900–1938), das in ihrer Übersetzung am 4. März 1952 unter dem Titel ''Das Herrschaftshaus'' bei RWR gesendet wird. Neben der Novelle ''Der Tod des Kleinbürgers'' (1927) von Franz Werfel (1890–1945) für den westdeutschen NWDR bearbeitet sie ebenso das Hörspiel ''The Dark Tower'' (1946) des nordirischen Schriftstellers Louis MacNeice (1907–1963), ausgestrahlt am 8. Oktober 1952, und verfasst schließlich drei eigene Hörspiele: ''Ein Geschäft mit Träumen'' (Erstsendung am 28. Februar 1952), ''Die Zikaden'' (25. März 1955) sowie ''Der gute Gott von Manhattan'' (29. Mai 1958).
In dieser Zeit schreibt Bachmann auch literarische Texte für das Radio um, darunter das Stück ''Mannerhouse'' (posthum 1948) des US-amerikanischen Schriftstellers Thomas Wolfe (1900–1938), das in ihrer Übersetzung am 4. März 1952 unter dem Titel ''Das Herrschaftshaus'' bei RWR gesendet wird. Neben der Novelle ''Der Tod des Kleinbürgers'' (1927) von Franz Werfel (1890–1945) für den westdeutschen NWDR bearbeitet sie ebenso das Hörspiel ''The Dark Tower'' (1946) des nordirischen Schriftstellers Louis MacNeice (1907–1963), ausgestrahlt am 8. Oktober 1952, und verfasst schließlich drei eigene Hörspiele: ''Ein Geschäft mit Träumen'' (Erstsendung am 28. Februar 1952), ''Die Zikaden'' (25. März 1955) sowie ''Der gute Gott von Manhattan'' (29. Mai 1958).


Die Popularität des Hörspiels in den Nachkriegsjahren ist nicht zuletzt auf die breite Verfügbarkeit von Radios als Empfangsmedium zurückzuführen – aufgrund der flächendeckenden Ausgabe des "Volksempfängers" als nationalsozialistischem Propagandawerkzeug. Der (bundes-)deutsche Fernsehmarkt entwickelte sich ohnehin erst mit der Gründung der "Arbeitsgemeinschaft der Rundfunkanstalten Deutschlands" (ARD) im Sommer 1950. In Österreich dauert es noch etwas länger; dort beginnt der Fernsehbetrieb mit dem Österreichischen Rundfunk (ORF) – nach einer Testphase ab 1955 – regulär erst mit dem Neujahr 1958. So wird das Radio auch in den folgenden Jahren (neben der Zeitung) das wichtigste Massenmedium bleiben und erst später vom Fernsehen abgelöst, als die Empfangsgeräte zunehmend bezahlbar werden und die Programmvielfalt wächst.
Die Popularität des Hörspiels in den Nachkriegsjahren ist nicht zuletzt auf die breite Verfügbarkeit von Radios als Empfangsmedium zurückzuführen – aufgrund der flächendeckenden Ausgabe des "Volksempfängers" als nationalsozialistisches Propagandawerkzeug. Der (bundes-)deutsche Fernsehmarkt entwickelte sich ohnehin erst mit der Gründung der "Arbeitsgemeinschaft der Rundfunkanstalten Deutschlands" (ARD) im Sommer 1950. In Österreich dauert es noch etwas länger; dort beginnt der Fernsehbetrieb mit dem Österreichischen Rundfunk (ORF) – nach einer Testphase ab 1955 – regulär erst mit dem Neujahr 1958. So wird das Radio auch in den folgenden Jahren (neben der Zeitung) das wichtigste Massenmedium bleiben und erst später vom Fernsehen abgelöst, als die Empfangsgeräte zunehmend bezahlbar werden und die Programmvielfalt wächst.


Die 'Kunst' des Hörspiels als intermediale Form besteht – im Gegensatz zur 'bloßen' Lesung eines Textes – darin, eine Geschichte mit verschiedenen Sprechern, mit Hintergrundgeräuschen und Begleitmusik, durch den gezielten Einsatz von Lautstärken und Filtern so zu inszenieren, dass ein ausgefeiltes, für den Rezipienten aber nachvollziehbares Zusammenspiel entsteht. Im Gegensatz zum audiovisuellen Fernsehen fehlt bei diesem "Spiel […], das nur gehört werden kann" (Bachmann 1983, 37) die Bildebene, und Ereignisse müssen ebenso wie Gedanken oder Gefühle sprachlich und/oder musikalisch ausgedrückt werden.
Die 'Kunst' des Hörspiels als intermediale Form besteht – im Gegensatz zur 'bloßen' Lesung eines Textes – darin, eine Geschichte mit verschiedenen Sprechern, mit Hintergrundgeräuschen und Begleitmusik, durch den gezielten Einsatz von Lautstärken und Filtern so zu inszenieren, dass ein ausgefeiltes, für den Rezipienten aber nachvollziehbares Zusammenspiel entsteht. Im Gegensatz zum audiovisuellen Fernsehen fehlt bei diesem "Spiel […], das nur gehört werden kann" (Bachmann 1983, 37) die Bildebene, und Ereignisse müssen ebenso wie Gedanken oder Gefühle sprachlich und/oder musikalisch ausgedrückt werden.
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Das erzählende Ich möchte einen Traum "von dem Mädchen auf dem großen weißen Schiff" (45) kaufen, der vom Ladeninhaber zu einem ungewöhnlichen Preis angeboten wird, nämlich für "einen Monat". Das Ich kann sich dies in seinem Arbeitsalltag nicht leisten, allerdings lässt ihm der Traum keine Ruhe – als er jedoch später wieder zu dem Geschäft kommt, existiert der Laden nicht mehr. In der Folge von einer "wohltätigen, fast schmerzlosen Krankheit ans Bett gefesselt" (47) verliert er schließlich seine Arbeit: "Ich hatte mir eben zuviel Zeit genommen, und nun wurde mir noch einmal Zeit auf lange Zeit geschenkt. Zeit wofür?" (47)
Das erzählende Ich möchte einen Traum "von dem Mädchen auf dem großen weißen Schiff" (45) kaufen, der vom Ladeninhaber zu einem ungewöhnlichen Preis angeboten wird, nämlich für "einen Monat". Das Ich kann sich dies in seinem Arbeitsalltag nicht leisten, allerdings lässt ihm der Traum keine Ruhe – als er jedoch später wieder zu dem Geschäft kommt, existiert der Laden nicht mehr. In der Folge von einer "wohltätigen, fast schmerzlosen Krankheit ans Bett gefesselt" (47) verliert er schließlich seine Arbeit: "Ich hatte mir eben zuviel Zeit genommen, und nun wurde mir noch einmal Zeit auf lange Zeit geschenkt. Zeit wofür?" (47)


Interessant ist, dass die kurze Prosaversion nicht nur Träume und das Träumen innerhalb der Handlung thematisiert, sondern – ähnlich wie Bachmanns Erzählung ''Der Kommandant'' (als Fragment des frühen Romans ''Stadt ohne Namen'' wohl zwischen 1947 und 1951 entstanden) – auch mit traumtypischen Elementen arbeitet. Dabei erinnert bereits die Ich-Perspektive im Präteritum wie auch die ausgeprägte Bildhaftigkeit (Ladeneinrichtung, Beschreibung des Traums, Wasserfrau) an die typische Nacherzählung eines Traumes; die Figur ist durch Ambivalenzen (ein "Schauen, das sich mehr nach innen als nach außen kehrte"; 41), eine tiefe Unruhe und plötzliche Handlungen ("planlos"; 42) gezeichnet, die im Widerspruch zum rational geplanten Arbeitsalltag scheinen; die Temporalität ("kaum spürend, dass ich stehenblieb"; 41) und das Verhältnis zur Zeit (Zeitdauer, Zeitwahrnehmung) wirken gestört; der scheinbar magische Raum ("wie von einem Wind bewegt"; 42) und Elemente der Phantastik (das Vorführen und Verkaufen von Träume, Zeit als Währung) widersprechen physikalischen oder logischen Gesetzen; das Spiel mit Undeutlichkeiten (Licht und Dunkelheit, Handlungsmotivation, Sprunghaftigkeit des Geschehens, später die vergebliche Suche nach dem Geschäft) wie auch die hohe Dichte von Motiven und Symbolen ist durchaus charakteristisch für literarische Traumdarstellungen der Moderne (etwa bei Arthur Schnitzler, Franz Kafka oder Hugo von Hofmannsthal).
Interessant ist, dass die kurze Prosaversion nicht nur Träume und das Träumen innerhalb der Handlung thematisiert, sondern – ähnlich wie Bachmanns Erzählung ''Der Kommandant'' (als Fragment des frühen Romans ''Stadt ohne Namen'' wohl zwischen 1947 und 1951 entstanden) – auch mit traumtypischen Elementen arbeitet. Dabei erinnert bereits die Ich-Perspektive im Präteritum wie auch die ausgeprägte Bildhaftigkeit (Ladeneinrichtung, Beschreibung des Traums, Wasserfrau) an die typische Nacherzählung eines Traumes; die Figur ist durch Ambivalenzen (ein "Schauen, das sich mehr nach innen als nach außen kehrte"; 41), eine tiefe Unruhe und plötzliche Handlungen ("planlos"; 42) gezeichnet, die im Widerspruch zum rational geplanten Arbeitsalltag scheinen; die Temporalität ("kaum spürend, dass ich stehenblieb"; 41) und das Verhältnis zur Zeit (Zeitdauer, Zeitwahrnehmung) wirken gestört; der scheinbar magische Raum ("wie von einem Wind bewegt"; 42) und Elemente der Phantastik (das Vorführen und Verkaufen von Träumen, Zeit als Währung) widersprechen physikalischen oder logischen Gesetzen; das Spiel mit Undeutlichkeiten (Licht und Dunkelheit, Handlungsmotivation, Sprunghaftigkeit des Geschehens, später die vergebliche Suche nach dem Geschäft) wie auch die hohe Dichte von Motiven und Symbolen ist durchaus charakteristisch für literarische Traumdarstellungen der Moderne (etwa bei Arthur Schnitzler, Franz Kafka oder Hugo von Hofmannsthal).


Versteht man diese narrativen Aspekte als traumtypisch, würde sich, von der Markierung abgesehen, allerdings kein Unterschied zwischen dem 'Binnen-Traum' (im Geschäft) und der restlichen Ich-Erzählung ergeben – in dieser Lesart wäre also die gesamte Geschichte ein Traum. Das Hörspiel hingegen wählt, sicherlich auch aufgrund des Medienwechsels, eine andere Herangehensweise an die inhaltlich größtenteils ähnliche Geschichte.
Versteht man diese narrativen Aspekte als traumtypisch, würde sich, von der Markierung abgesehen, allerdings kein Unterschied zwischen dem 'Binnen-Traum' (im Geschäft) und der restlichen Ich-Erzählung ergeben – in dieser Lesart wäre also die gesamte Geschichte ein Traum. Das Hörspiel hingegen wählt, sicherlich auch aufgrund des Medienwechsels, eine andere Herangehensweise an die inhaltlich größtenteils ähnliche Geschichte.
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Hier beginnt die Erzählung unvermittelt mit einem Einblick in den Büroalltag einer Firma: Die Sekretärin und Stenotypistin Anna nimmt gerade einen Brief des Angestellten Mandl auf, der etwas früher aufbrechen möchte, um noch ein Geburtstagsgeschenk für seine Frau zu kaufen. Der herrische Generaldirektor – die Szenenanweisung schreibt ihm ein "unangenehmes Organ" (GMT 181) zu – lässt seinen Mitarbeiter Laurenz rufen, den Anna als "sehr fleißig und so bescheiden" (183) beschreibt, und ihn schließlich nach Hause gehen. Laurenz gibt den Schlüssel beim Portier ab und macht sich müde auf den Heimweg durch die laute Großstadt. Unterwegs trifft er auf Mandl, den er (noch ein Geschenk suchend) ein Stück begleitet. Der Straßenlärm und die Hektik der Großstadt steigern sich in eine Collage aus Geräuschen und Gesprächsfetzen, und Laurenz wird – durch "eine leise irritierende Musik" (191) – von einem geheimnisvollen Ladengeschäft angezogen.
Hier beginnt die Erzählung unvermittelt mit einem Einblick in den Büroalltag einer Firma: Die Sekretärin und Stenotypistin Anna nimmt gerade einen Brief des Angestellten Mandl auf, der etwas früher aufbrechen möchte, um noch ein Geburtstagsgeschenk für seine Frau zu kaufen. Der herrische Generaldirektor – die Szenenanweisung schreibt ihm ein "unangenehmes Organ" (GMT 181) zu – lässt seinen Mitarbeiter Laurenz rufen, den Anna als "sehr fleißig und so bescheiden" (183) beschreibt, und ihn schließlich nach Hause gehen. Laurenz gibt den Schlüssel beim Portier ab und macht sich müde auf den Heimweg durch die laute Großstadt. Unterwegs trifft er auf Mandl, den er (noch ein Geschenk suchend) ein Stück begleitet. Der Straßenlärm und die Hektik der Großstadt steigern sich in eine Collage aus Geräuschen und Gesprächsfetzen, und Laurenz wird – durch "eine leise irritierende Musik" (191) – von einem geheimnisvollen Ladengeschäft angezogen.


Schließlich betritt er diesen ruhigen "Traumladen", wo ihm der Verkäufer drei Träume vorführt: Einen Angsttraum, in dem er vom Generaldirektor seiner Firma verfolgt wird; einen Allmachtstraum, der ihn selbst zum mächtigen Kapitalisten macht; sowie einen Traum, der ihn mit seiner Kollegin Anna zusammenbringt. Als er den letzten Traum erwerben möchte, eröffnet ihm der Verkäufer den Preis – einen Monat: "Sie müssen mit Zeit bezahlen. Träume kosten Zeit, manche sehr viel Zeit" (213). Auch im Hörspiel ist dies dem Helden ein zu hoher Preis. Da es bereits morgen geworden ist, eilt Laurenz zurück an seinen Arbeitsplatz und wird sogleich vom Generaldirektor herbeigerufen.
Schließlich betritt er diesen ruhigen "Traumladen", wo ihm der Verkäufer drei Träume vorführt: Einen Angsttraum, in dem er vom Generaldirektor seiner Firma verfolgt wird; einen Allmachtstraum, der ihn selbst zum mächtigen Kapitalisten macht; sowie einen Traum, der ihn mit seiner Kollegin Anna zusammenbringt. Als er den letzten Traum erwerben möchte, eröffnet ihm der Verkäufer den Preis – einen Monat: "Sie müssen mit Zeit bezahlen. Träume kosten Zeit, manche sehr viel Zeit" (213). Auch im Hörspiel ist dies dem Helden ein zu hoher Preis. Da es bereits Morgen geworden ist, eilt Laurenz zurück an seinen Arbeitsplatz und wird sogleich vom Generaldirektor herbeigerufen.


Im Gegensatz zur Erzählung scheinen hier Traum und Realität deutlich stärker voneinander abgegrenzt zu sein – einerseits inhaltlich durch die verhältnismäßig ausführliche Exposition (Büroalltag in der Firma, Figur der Anna), deren Wiederaufnahme dann den Rahmen bildet, andererseits akustisch durch das musikalische Thema, das im Gegensatz zu den sonstigen Straßengeräuschen steht. Diese "leise irritierende Musik" setzt erstmals als 'verlockender' Klang ein, als sich Laurenz dem Traumladen nähert (191) und wird dann beim ersten Verlassen kurzzeitig etwas leiser (vgl. 193); ebenso werden auch die drei Träume durch verschiedene Musikstücke eingeleitet und illustriert (195, 197, 200, 205, 207, 211).
Im Gegensatz zur Erzählung scheinen hier Traum und Realität deutlich stärker voneinander abgegrenzt zu sein – einerseits inhaltlich durch die verhältnismäßig ausführliche Exposition (Büroalltag in der Firma, Figur der Anna), deren Wiederaufnahme dann den Rahmen bildet, andererseits akustisch durch das musikalische Thema, das im Gegensatz zu den sonstigen Straßengeräuschen steht. Diese "leise irritierende Musik" setzt erstmals als 'verlockender' Klang ein, als sich Laurenz dem Traumladen nähert (191) und wird dann beim ersten Verlassen kurzzeitig etwas leiser (vgl. 193); ebenso werden auch die drei Träume durch verschiedene Musikstücke eingeleitet und illustriert (195, 197, 200, 205, 207, 211).
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In der Forschung wurde dieser zweite Traum des Hörspiels daher auch als eine unverhüllte "Kritik gegen eine noch im Standesdenken befangene Gesellschaft" gelesen, "die eine aus feudalen Zeiten herstammende Titelsucht als Statusdenken in einer äußerlich modernisierten Wirtschaftswelt beibehält" (Beicken 1992, 76).
In der Forschung wurde dieser zweite Traum des Hörspiels daher auch als eine unverhüllte "Kritik gegen eine noch im Standesdenken befangene Gesellschaft" gelesen, "die eine aus feudalen Zeiten herstammende Titelsucht als Statusdenken in einer äußerlich modernisierten Wirtschaftswelt beibehält" (Beicken 1992, 76).


Wenn Anna in diesem Traum als dienende und unterwürfige Marionette – "Lachen sie, sofort, verstanden?" (GmT 200) – erscheint, potenziert dies ihr tatsächliches Verhalten gegenüber Mandl und dem Generaldirektor im Büro. Denn die 'reale' Anna zu Beginn des Hörspiels ist deutlich zurückhaltender (etwa in ihrem Lachen; vgl. 183) und 'professioneller' in ihrem Umgang mit dem launischen Vorgesetzten. Im weiteren Vergleich sticht allerdings die Verwendung des Wortes "originell" im Gespräch mit dem Generaldirektor (184) wie auch im Traum (201) hervor – da Laurenz zuvor anwesend war, hat Annas Formulierung offenbar als 'Tagesrest' (Freud 2009, 542 f.) Eingang in seinen Traum gefunden hat.
Wenn Anna in diesem Traum als dienende und unterwürfige Marionette – "Lachen sie, sofort, verstanden?" (GmT 200) – erscheint, potenziert dies ihr tatsächliches Verhalten gegenüber Mandl und dem Generaldirektor im Büro. Denn die 'reale' Anna zu Beginn des Hörspiels ist deutlich zurückhaltender (etwa in ihrem Lachen; vgl. 183) und 'professioneller' in ihrem Umgang mit dem launischen Vorgesetzten. Im weiteren Vergleich sticht allerdings die Verwendung des Wortes "originell" im Gespräch mit dem Generaldirektor (184) wie auch im Traum (201) hervor – da Laurenz zuvor anwesend war, hat Annas Formulierung offenbar als 'Tagesrest' (Freud 2009, 542 f.) Eingang in seinen Traum gefunden.


====Dritter Traum====
====Dritter Traum====
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Dazu gehören auch geradezu 'märchenhaft' erscheinende Erzählelemente wie die auffällige Zahlensymbolik – im zweiten Anlauf betritt Laurenz das Geschäft; er wählt schließlich den dritten Traum aus usw. –, die auch aus der formalisierten Struktur von Märchen bekannt ist (vgl. Lüthi 2004, 30). Ohnehin erinnert der parabelartige Aufbau an das mythologische Grundmuster der 'Heldenreise' ("hero's journey") nach Joseph Campbell (1904–1987): Der Protagonist bricht aus seiner gewohnten (hektischen, lauten, kontrollierten) Welt aus, erlebt die (drei) episodischen Abenteuer und kehrt mit dieser Erfahrung zurück in den Alltag. Bereits Campbell weist auf die Nähe von Traum und Mythos hin (vgl. Campbell 2008, 1–18), deren Zusammenhang – durch narrative Grundmuster, Symbolik, Bildlichkeit usw. – von der Forschung vielfach aufgegriffen wurde (vgl. etwa Hübner 1985, 125 f.; Green 1984, 85 f.; Jung 1996, 162 f.; Lüthi 2004, 106; Schneider 1983, 205 f.).
Dazu gehören auch geradezu 'märchenhaft' erscheinende Erzählelemente wie die auffällige Zahlensymbolik – im zweiten Anlauf betritt Laurenz das Geschäft; er wählt schließlich den dritten Traum aus usw. –, die auch aus der formalisierten Struktur von Märchen bekannt ist (vgl. Lüthi 2004, 30). Ohnehin erinnert der parabelartige Aufbau an das mythologische Grundmuster der 'Heldenreise' ("hero's journey") nach Joseph Campbell (1904–1987): Der Protagonist bricht aus seiner gewohnten (hektischen, lauten, kontrollierten) Welt aus, erlebt die (drei) episodischen Abenteuer und kehrt mit dieser Erfahrung zurück in den Alltag. Bereits Campbell weist auf die Nähe von Traum und Mythos hin (vgl. Campbell 2008, 1–18), deren Zusammenhang – durch narrative Grundmuster, Symbolik, Bildlichkeit usw. – von der Forschung vielfach aufgegriffen wurde (vgl. etwa Hübner 1985, 125 f.; Green 1984, 85 f.; Jung 1996, 162 f.; Lüthi 2004, 106; Schneider 1983, 205 f.).


Ähnlich 'fantastisch' erscheint auch das Geschäftsmodell des 'Traumladens'. Nach Sigmund Freud, für den nächtliche Träume stets Ausdruck von Wunscherfüllungen sind (vgl. Freud 2009, 136ff.), würden diese drei Geschichten die Sehnsüchte des Angestellten Laurenz darstellen. Obwohl diese Träume in einem Geschäft angeboten und von einem namenlosen Verkäufer vorgeführt werden, wären sie damit in Zusammenhang mit Laurenz und als Manifestation seiner unbewussten Wünsche zu verstehen. Lehnt Laurenz nach den ersten beiden Vorführungen die ihm präsentierten Träume allerdings noch peinlich berührt ab, so ließe sich interpretieren, dass er sich seiner (unbewussten) Wünschen und Fantasien (Angsttraum, Allmachtstraum) entweder gar nicht bewusst ist oder sie sich nicht eingestehen will, sich durch die Vorführungen also 'ertappt' fühlt. Das unscheinbare Traumgeschäft, das eben nicht durch eine Neonbeleuchtung oder eine üppige Schaufensterdekoration heraussticht und die Kunden (bzw. Laurenz als ''den'' Kunden) vielmehr auf andere 'magische' Weise anzieht, wäre dementsprechend die Manifestation des Freudschen Primärprozesses.
Ähnlich 'fantastisch' erscheint auch das Geschäftsmodell des 'Traumladens'. Nach Sigmund Freud, für den nächtliche Träume stets Ausdruck von Wunscherfüllungen sind (vgl. Freud 2009, 136ff.), würden diese drei Geschichten die Sehnsüchte des Angestellten Laurenz darstellen. Obwohl diese Träume in einem Geschäft angeboten und von einem namenlosen Verkäufer vorgeführt werden, wären sie damit in Zusammenhang mit Laurenz und als Manifestation seiner unbewussten Wünsche zu verstehen. Lehnt Laurenz nach den ersten beiden Vorführungen die ihm präsentierten Träume allerdings noch peinlich berührt ab, so ließe sich interpretieren, dass er sich seiner (unbewussten) Wünsche und Fantasien (Angsttraum, Allmachtstraum) entweder gar nicht bewusst ist oder sie sich nicht eingestehen will, sich durch die Vorführungen also 'ertappt' fühlt. Das unscheinbare Traumgeschäft, das eben nicht durch eine Neonbeleuchtung oder eine üppige Schaufensterdekoration heraussticht und die Kunden (bzw. Laurenz als ''den'' Kunden) vielmehr auf andere 'magische' Weise anzieht, wäre dementsprechend die Manifestation des Freudschen Primärprozesses.


Dies wird durch die verlockende wie "leise irritierende" (und damit 'sirenenhafte') Traummusik unterstrichen, die akustisch mit dem Raum des 'Traumladens' verbunden ist: Das Hörspiel selbst wird somit "als ein 'Geschäft mit Träumen' reflektierbar" (Schuller 1984, 50). Denn während Günter Eichs Hörspiel ''[["Träume" (Günter Eich)|Träume]]'' eher durch eine "schlichte Dramaturgie und die geringe Nutzung der medialen Möglichkeiten des Tongenres" (Weigel 1999, 261) auffällt, setzt Bachmann in ihrem ersten ausgestrahlten Hörspiel gezielt Musik und Hintergrundgeräusche ein.
Dies wird durch die verlockende wie "leise irritierende" (und damit 'sirenenhafte') Traummusik unterstrichen, die akustisch mit dem Raum des 'Traumladens' verbunden ist: Das Hörspiel selbst wird somit "als ein 'Geschäft mit Träumen' reflektierbar" (Schuller 1984, 50). Denn während Günter Eichs Hörspiel ''[["Träume" (Günter Eich)|Träume]]'' eher durch eine "schlichte Dramaturgie und die geringe Nutzung der medialen Möglichkeiten des Tongenres" (Weigel 1999, 261) auffällt, setzt Bachmann in ihrem ersten ausgestrahlten Hörspiel gezielt Musik und Hintergrundgeräusche ein.


Hier zeigt sich der zentrale Medienunterschied zwischen dem Hörspiel und der etwa gleichzeitigen Erzählung, in der Musik(alität) keine Rolle spielt - was ebenso Bachmanns reflektiertes Medienbewusstsein und ihre "professionellen Erfahrungen mit dem Medium Rundfunk und dem Genre Hörspiel" (ebd., 260) spiegelt wie es eine Anlehnung an die nächtliche Erfahrungswelt des Traums darstellt. Denn das Zusammenspiel der verschiedenen akustischen Ebenen von Sprache, Geräusch und Musik erinnert an die höchst individuelle Wahrnehmung des schlafenden Ich, dessen Traum ja eigentlich weder vom wachen Bewusstsein noch einer anderen Person erfahr- oder überprüfbar und daher lediglich ansatzweise darstellbar ist. Damit kombiniert Bachmann (geschriebene bzw. gesprochene) Sprache mit der 'universellen' (weil übersprachlichen) Musik – eine "Vereinigung" (Bachmann 2005b, 251), die sie am Ende des Jahrzehnts auch in ihrem kurzen Essay ''Musik und Dichtung'' (1959) fordern wird. Selbst wenn die Ursendung des Hörspiels nicht mehr erhalten ist, scheint Bachmann aber Musik und Hintergrundgeräusche immer nur gezielt eingesetzt zu haben; in einem späteren Interview sieht sie eine regelrecht überbordende 'Geräuschkulisse' als eher kontraproduktiv für das Hörerlebnis an – stattdessen sollte man sich eher "auf die Worte verlassen" (Bachmann 1983, 37).
Hier zeigt sich der zentrale Medienunterschied zwischen dem Hörspiel und der etwa gleichzeitigen Erzählung, in der Musik(alität) keine Rolle spielt - was ebenso Bachmanns reflektiertes Medienbewusstsein und ihre "professionellen Erfahrungen mit dem Medium Rundfunk und dem Genre Hörspiel" (ebd., 260) spiegelt, wie es eine Anlehnung an die nächtliche Erfahrungswelt des Traums darstellt. Denn das Zusammenspiel der verschiedenen akustischen Ebenen von Sprache, Geräusch und Musik erinnert an die höchst individuelle Wahrnehmung des schlafenden Ich, dessen Traum ja eigentlich weder vom wachen Bewusstsein noch einer anderen Person erfahr- oder überprüfbar und daher lediglich ansatzweise darstellbar ist. Damit kombiniert Bachmann (geschriebene bzw. gesprochene) Sprache mit der 'universellen' (weil übersprachlichen) Musik – eine "Vereinigung" (Bachmann 2005b, 251), die sie am Ende des Jahrzehnts auch in ihrem kurzen Essay ''Musik und Dichtung'' (1959) fordern wird. Selbst wenn die Ursendung des Hörspiels nicht mehr erhalten ist, scheint Bachmann aber Musik und Hintergrundgeräusche immer nur gezielt eingesetzt zu haben; in einem späteren Interview sieht sie eine regelrecht überbordende 'Geräuschkulisse' als eher kontraproduktiv für das Hörerlebnis an – stattdessen sollte man sich eher "auf die Worte verlassen" (Bachmann 1983, 37).


Im Hörspiel spiegeln sich also durch die medienspezifischen Möglichkeiten die Ebenen der (inhaltlichen) Handlung und der (präsentierten) Darstellung – beide Elemente versuche auf ihre Art, im Unterbewussten 'Verborgenes' und 'Verdrängtes' sichtbar zu machen. Denn im Unterschied zu Eichs Hörspiel ''[["Träume" (Günter Eich)|Träume]]'', wo erst die "unheilvollen und bedrohlichen Träume verraten, was sich hinter der Normalität der 1950er Jahre verbirgt" (Lennox 2013, 86), stellen die Träume für Laurenz einen Gegensatz und damit einen Ausbruch aus seiner täglichen und ernüchternden Arbeitswelt dar.
Im Hörspiel spiegeln sich also durch die medienspezifischen Möglichkeiten die Ebenen der (inhaltlichen) Handlung und der (präsentierten) Darstellung – beide Elemente versuche auf ihre Art, im Unterbewussten 'Verborgenes' und 'Verdrängtes' sichtbar zu machen. Denn im Unterschied zu Eichs Hörspiel ''[["Träume" (Günter Eich)|Träume]]'', wo erst die "unheilvollen und bedrohlichen Träume verraten, was sich hinter der Normalität der 1950er Jahre verbirgt" (Lennox 2013, 86), stellen die Träume für Laurenz einen Gegensatz und damit einen Ausbruch aus seiner täglichen und ernüchternden Arbeitswelt dar.
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===Interpretation: Konsum-, Sprach- und Gesellschaftskritik===
===Interpretation: Konsum-, Sprach- und Gesellschaftskritik===
Bachmanns Erzählung und das etwa zeitgleich entstandene Hörspiel wurden von der literaturwissenschaftlichen Forschung unterschiedlich interpretiert. Deutet man beispielsweise die eingepackten Träume als "Zelluloid" (Schneider 1999, 132) und das 'Abspielen' des Traums als eine Filmvorführung, ergeben sich interessante "Analogien zwischen Traum- und Filmwahrnehmung" (Kresimon 2004, 43) - stehen Traum und Film doch ebenso für das reizvolle Versprechen einer alternativen 'Gegenwelt' wie für ein lustvolles Spiel mit dem Unbewussten bei gleichzeitigem Verlust der Unabhängigkeit von Zuschauer respektive Träumer. Die im Geschäft vorgeführten "Filmbilder", die "nur bei Dunkelheit sichtbar sind" (Weigel 1999, 262), lassen in dieser Lesart eine Kritik an der Massenkultur und besonders den kommerziellen Produkten der Filmindustrie vermuten. Bezeichnete bereits Hofmannsthal das Kino als einem "Ersatz für die Träume" (Hofmannsthal 1979, 141ff.), geht nun das erzählende Ich (bzw. im Hörspiel: Laurenz) einen regelrecht faustischen Pakt ein, um diese 'Befriedigung' zu erreichen: Die Träume sind nicht mit Geld, sondern ausschließlich mit Lebenszeit zu bezahlen.
Bachmanns Erzählung und das etwa zeitgleich entstandene Hörspiel wurden von der literaturwissenschaftlichen Forschung unterschiedlich interpretiert. Deutet man beispielsweise die eingepackten Träume als "Zelluloid" (Schneider 1999, 132) und das 'Abspielen' des Traums als eine Filmvorführung, ergeben sich interessante "Analogien zwischen Traum- und Filmwahrnehmung" (Kresimon 2004, 43) - stehen Traum und Film doch ebenso für das reizvolle Versprechen einer alternativen 'Gegenwelt' wie für ein lustvolles Spiel mit dem Unbewussten bei gleichzeitigem Verlust der Unabhängigkeit von Zuschauer respektive Träumer. Die im Geschäft vorgeführten "Filmbilder", die "nur bei Dunkelheit sichtbar sind" (Weigel 1999, 262), lassen in dieser Lesart eine Kritik an der Massenkultur und besonders den kommerziellen Produkten der Filmindustrie vermuten. Bezeichnete bereits Hofmannsthal das Kino als einen "Ersatz für die Träume" (Hofmannsthal 1979, 141ff.), geht nun das erzählende Ich (bzw. im Hörspiel: Laurenz) einen regelrecht faustischen Pakt ein, um diese 'Befriedigung' zu erreichen: Die Träume sind nicht mit Geld, sondern ausschließlich mit Lebenszeit zu bezahlen.


Dieser Topos erinnert durchaus an die Literatur der Romantik - wo etwa in Adelbert von Chamissos (1781–1838) Erzählung ''Peter Schlemihls wundersame Geschichte'' (1813) ein Reisender seinen Schatten verkauft. Bezeichnenderweise ist es nun aber nicht der Teufel, der Laurenz in Versuchung führt, sondern das fantastisch anmutende Ladengeschäft mit der Verlockung eines zeitweiligen Eskapismus. Doch auch bei Bachmann steht der Traum nun als "utopischer Impuls" (Hapkemeyer 1982, 64) und kann, übertragen auf die Mitte des 20. Jahrhundert, parabelhaft auf die kapitalistische Konsumwelt und die 'Traumfabrik' Hollywood bezogen werden. Damit lehnt sich Bachmann durchaus an die etwa zeitgleiche Kritische Theorie um Theodor W. Adorno (1903–1969) und Max Horkheimer (1895–1973) an (beide wenden sich ja gegen den "Massenbetrug" der "Kulturindustrie"), wenn sie gleich in ihrer ersten Frankfurter Poetikvorlesung (Wintersemesters 1959/60) den allgemeinen Wunsch nach Unterhaltung kritisiert: "die Leute brauchen heute Kino und Illustrierte wie Schlagsahne" (Bachmann 2005a, 268). Eine solche Konsumkritik zeigt sich in dieser Schaffensphase bei Bachmann häufig in einem collagenhaften Zusammenschnitt von Werbeslogans und floskelhaften Ausdrücken, beispielsweise in ihrem polyphonen Gedicht ''Reklame'' aus der Sammlung ''Anrufung des großen Bären'' (1956) oder auch in ihrem letzten Hörspiel ''Der gute Gott von Manhattan'' (1957/58). Daran knüpft letztlich auch die Doppeldeutigkeit des Titels "Ein Geschäft mit Träumen" an, der sowohl schlicht das Ladengeschäft und die dort verkaufte Ware bezeichnet, andererseits auf die Kommerzialisierung (das 'Geschäfte-machen') von Wünschen anspielt.
Dieser Topos erinnert durchaus an die Literatur der Romantik - wo etwa in Adelbert von Chamissos (1781–1838) Erzählung ''Peter Schlemihls wundersame Geschichte'' (1813) ein Reisender seinen Schatten verkauft. Bezeichnenderweise ist es nun aber nicht der Teufel, der Laurenz in Versuchung führt, sondern das fantastisch anmutende Ladengeschäft mit der Verlockung eines zeitweiligen Eskapismus. Doch auch bei Bachmann steht der Traum nun als "utopischer Impuls" (Hapkemeyer 1982, 64) und kann, übertragen auf die Mitte des 20. Jahrhunderts, parabelhaft auf die kapitalistische Konsumwelt und die 'Traumfabrik' Hollywood bezogen werden. Damit lehnt sich Bachmann durchaus an die etwa zeitgleiche Kritische Theorie um Theodor W. Adorno (1903–1969) und Max Horkheimer (1895–1973) an (beide wenden sich ja gegen den "Massenbetrug" der "Kulturindustrie"), wenn sie gleich in ihrer ersten Frankfurter Poetikvorlesung (Wintersemesters 1959/60) den allgemeinen Wunsch nach Unterhaltung kritisiert: "die Leute brauchen heute Kino und Illustrierte wie Schlagsahne" (Bachmann 2005a, 268). Eine solche Konsumkritik zeigt sich in dieser Schaffensphase bei Bachmann häufig in einem collagehaften Zusammenschnitt von Werbeslogans und floskelhaften Ausdrücken, beispielsweise in ihrem polyphonen Gedicht ''Reklame'' aus der Sammlung ''Anrufung des großen Bären'' (1956) oder auch in ihrem letzten Hörspiel ''Der gute Gott von Manhattan'' (1957/58). Daran knüpft letztlich auch die Doppeldeutigkeit des Titels "Ein Geschäft mit Träumen" an, der sowohl schlicht das Ladengeschäft und die dort verkaufte Ware bezeichnet, andererseits auf die Kommerzialisierung (das 'Geschäfte-machen') von Wünschen anspielt.


Während diese Lesart das Hörspiel als eine Kritik an der Banalität der Massenkultur und am Versprechen des Kommerz deutet, zielt ein anderer Interpretationsstrang eher auf die Fortführung des bereits "von Calderon [in ''La vida es sueño'', 1634] und Grillparzer [in ''Der Traum ein Leben'', 1834] bearbeiteten Themas der Vertauschbarkeit von Leben und Traum" (Hapkemeyer 1990, 45): Bachmanns "surrealistische Fabel" (Beicken 1992, 75) hebe den Gegensatz zwischen Alltagswirklichkeit und den verborgenen Trieben, Wünschen und Sehnsüchten hervor – ein Thema, mit dem sich nahezu zeitgleich auch die Kritische Theorie beschäftigt (Herbert Marcuses (1898–1979) einflussreiche Schrift ''Triebstruktur und Gesellschaft'' erscheint erstmals 1955 unter dem englischen Titel ''Eros and Civilization'', anknüpfend an Sigmund Freuds ''Jenseits des Lustprinzips'' von 1920).
Während diese Lesart das Hörspiel als eine Kritik an der Banalität der Massenkultur und am Versprechen des Kommerz deutet, zielt ein anderer Interpretationsstrang eher auf die Fortführung des bereits "von Calderon [in ''La vida es sueño'', 1634] und Grillparzer [in ''Der Traum ein Leben'', 1834] bearbeiteten Themas der Vertauschbarkeit von Leben und Traum" (Hapkemeyer 1990, 45): Bachmanns "surrealistische Fabel" (Beicken 1992, 75) hebe den Gegensatz zwischen Alltagswirklichkeit und den verborgenen Trieben, Wünschen und Sehnsüchten hervor – ein Thema, mit dem sich nahezu zeitgleich auch die Kritische Theorie beschäftigt (Herbert Marcuses (1898–1979) einflussreiche Schrift ''Triebstruktur und Gesellschaft'' erscheint erstmals 1955 unter dem englischen Titel ''Eros and Civilization'', anknüpfend an Sigmund Freuds ''Jenseits des Lustprinzips'' von 1920).

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