"Marianne Dreams" (Catherine Storr): Unterschied zwischen den Versionen
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"Marianne Dreams" (Catherine Storr) (Quelltext anzeigen)
Version vom 22. Februar 2022, 16:23 Uhr
, 22. Februar 2022→Interpretation
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Der Umstand, dass die Krankheit, an der Marianne leidet, an keiner Stelle eine Diagnose erfährt, trägt dazu bei, den Spannungsbogen aufrecht zu erhalten. Auf diese Weise bleiben die Ungewissheiten, die mit dem Zustand der Krankheit verbunden sind und die ebenso in der nächtlichen Erkundung ihrer Zeichnung zur Darstellung gelangen, über die gesamte Erzählung hinweg präsent. | Der Umstand, dass die Krankheit, an der Marianne leidet, an keiner Stelle eine Diagnose erfährt, trägt dazu bei, den Spannungsbogen aufrecht zu erhalten. Auf diese Weise bleiben die Ungewissheiten, die mit dem Zustand der Krankheit verbunden sind und die ebenso in der nächtlichen Erkundung ihrer Zeichnung zur Darstellung gelangen, über die gesamte Erzählung hinweg präsent. | ||
Enggeführt werden die Zustände der Rekonvaleszenz und des Träumens auch mit jenem der Adoleszenz. Auch in diesem Zwischenstadium fehlt es an Orientierung, was die Figur wie folgt zum Ausdruck bringt: „It’s neither one thing nor the other, not being well and not being ill, and I hate it“ (MD 141). In einem Vortrag zum Thema Horror und Angst in kinder- und jugendliterarischen Werken hat Storr ausgeführt, dass die fantastische Literatur dazu prädestiniert sei, die paradoxen und mitunter beängstigenden Gefühle im Angesicht der Aufgabe, erwachsen zu werden, zu veranschaulichen. Durch die unmittelbare Verbindung ihrer Zeichnung zu ihren seriellen Träumen wird Marianne mit den im Wachen verdrängten und im Traum verdichteten ambivalenten Gefühlen, wie etwa Ungeduld, Missgunst und Eifersucht konfrontiert. Gleichzeitig erfährt sie eine Ermächtigung durch den magischen Bleistift, sodass sie sich in ihren Träumen - etwa im Streitgespräch mit Mark, der nicht einsieht, dass es noch eine andere, wache Realitätsebene gibt - Omnipotenzfantasien hingibt, die auf den Konstruktionscharakter des erträumten Hauses bezogen sind: | |||
: I will show you. First of all I’ll rub you out so I never have to see you again, and then I’ll scribble over the whole house so it’s dark all the time and you’ll never get out, and then I’ll stop dreaming about you and you’ll die! You’ll be dead if I won’t dream about you, and I won’t! There won’t be any house and there won’t be any you and then perhaps you’ll believe me (MD 58). | |||
Auch für raumtheoretische Analysen bietet die Erzählung ein reichhaltiges Potenzial. Insbesondere Theorien, die von einem anthropologischen Raumverständnis geleitet sind wie Birgit Haupts Kategorien des gestimmten Raums, Wahrnehmungs- und Erfahrungsraums, oder Ulf Abrahams Konzepts des „elementar Poetischen“ in Raumkonzepten der fantastischen Kinder- und Jugendliteratur erweisen sich als fruchtbar. Abrahams Annahme, der Mensch sei „ein Orte schaffendes, Räume gestaltendes und seine Wünsche und Ängste auf sie projizierendes Wesen“ ( | Im hellen Licht des Tages bereut sie ihren nächtlichen Wutausbruch und sinniert über die möglichen Auswirkungen ihrer künstlerischen Aktivitäten auf Marks Leben, dessen Zustand sich verschlechtert, nachdem sie im Traum gestritten haben. Eine psychoanalytische oder tiefenpsychologische Analyse des Romans erscheint daher durchaus naheliegend, ebenso wie eine vergleichende Analyse, die die Texte berücksichtigt, auf die die intertextuellen Verweise Bezug nehmen. | ||
Auch für raumtheoretische Analysen bietet die Erzählung ein reichhaltiges Potenzial. Insbesondere Theorien, die von einem anthropologischen Raumverständnis geleitet sind wie Birgit Haupts Kategorien des gestimmten Raums, Wahrnehmungs- und Erfahrungsraums, oder Ulf Abrahams Konzepts des „elementar Poetischen“ in Raumkonzepten der fantastischen Kinder- und Jugendliteratur erweisen sich als fruchtbar. Abrahams Annahme, der Mensch sei „ein Orte schaffendes, Räume gestaltendes und seine Wünsche und Ängste auf sie projizierendes Wesen“ (Abraham 314) wird in Storrs Erzählung durch das Traumsetting ästhetisch ausgestaltet. Die Annahme, dass jede Bewegung im Raum Ausdruck einer Entwicklungsaufgabe sei, findet ebenfalls eine Bestätigung. Bemerkenswert ist jedoch der Umstand, dass die Protagonistin über nahezu die gesamte Erzähldauer hinweg im Bett liegt. Die Bewegung findet demnach lediglich im Geiste bzw. der Traumsphäre statt. Doch entspricht diese Darstellung keineswegs dem Klischee eskapistischen Traumerzählungen, das dem Gros kinderliterarischer Traumreisen (wie etwa den Alice-Texten oder Peterchens Mondfahrt) anhängt, da die träumende Protagonistin den Ort ihres seriellen Traumes zunehmend als bedrohlich und einengend erfährt. Eine durch psychologische oder philosophische Überlegungen erweiterte transdisziplinäre, Raumanalyse, etwa unter Bezugnahme auf Foucaults Überwachen und Strafen oder Funkes Ausführungen in Die Dritte Haut zur psychosozialen Bedeutung von Behausungen, die er als Abbild der seelischen Struktur wahrnimmt (s. Funke 87), scheint daher ebenso ergiebig. | |||
Aufschlussreich sind zudem Motivgeschichtliche Analyse, die die Bedeutung der erträumten Behausung(en) fokussieren, oder die ambivalente kindlich/adoleszente Wahrnehmung, die im Verhältnis von wacher künstlerischer Aktivität und nächtlichem Träumen zur Darstellung gelangt: | Aufschlussreich sind zudem Motivgeschichtliche Analyse, die die Bedeutung der erträumten Behausung(en) fokussieren, oder die ambivalente kindlich/adoleszente Wahrnehmung, die im Verhältnis von wacher künstlerischer Aktivität und nächtlichem Träumen zur Darstellung gelangt: | ||
: | : She couldn’t remember why she had been so sure then that she was dreaming. Now it seemed to her that this house, this time, this boy, were as real as anything she had ever known, and yet she knew also that there was another life, an ordinary life, which went on at the same time as this one, but in a different place, and with different people, and that she belonged to both lives and both belonged to her (MD 75). | ||
Auch die Sphären von Tag und Nacht bzw. Helligkeit und Dunkelheit sind auf erstaunliche Weise ausgestaltet. Sobald Marianne den magischen Stift in die Zeichnung integriert und nun im Traum vorfindet, ist es dort nicht mehr dunkel. In sämtlichen Träumen der Traumserie, mit Ausnahme der letzten beiden Träume, herrscht Dunkelheit. In ihrem finalen Traum, mit dem die Erzählung endet, ist es sonnig und friedlich. Die Veränderung, die durch die Integration des magischen Stifts in die Traumsphäre erfolgt, macht sich demnach auch in der Gestaltung der im Traum herrschenden Tageszeit bemerkbar. | Auch die Sphären von Tag und Nacht bzw. Helligkeit und Dunkelheit sind auf erstaunliche Weise ausgestaltet. Sobald Marianne den magischen Stift in die Zeichnung integriert und nun im Traum vorfindet, ist es dort nicht mehr dunkel. In sämtlichen Träumen der Traumserie, mit Ausnahme der letzten beiden Träume, herrscht Dunkelheit. In ihrem finalen Traum, mit dem die Erzählung endet, ist es sonnig und friedlich. Die Veränderung, die durch die Integration des magischen Stifts in die Traumsphäre erfolgt, macht sich demnach auch in der Gestaltung der im Traum herrschenden Tageszeit bemerkbar. |