"Inception" (Christopher Nolan)

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Filmdaten
Deutscher Titel Inception
Originaltitel Inception
Produktionsland USA/UK
Originalsprache Englisch
Erscheinungsjahr 2010
Länge ca. 145 min.
Altersfreigabe 12
Stab
Regie Christopher Nolan
Drehbuch Christopher Nolan
Produktion Christopher Nolan

Emma Thomas (producer)

Chris Brigham

Thomas Tull

(executive producer)

Jordan Goldberg

(co-producer)

Kamera Wally Pfister
Schnitt Lee Smith
Musik Hans Zimmer
Besetzung
* Leonardo DiCaprio: Cobb
* Joseph Gordon-Levitt: Arthur
* Elliot Page (als Ellen Page): Ariadne
* Tom Hardy: Eames
* Ken Watanabe: Saito
* Cillian Murphy: Robert Fischer
* Marion Cotillard: Mal
* Dileep Rao: Yusuf

Inception ist ein US-amerikanischer Spielfilm aus dem Jahr 2010 und kann gegenwärtig als eines der bekanntesten Beispiele für die filmische Darstellung von Traum im Traum angesehen werden. Inception beinhaltet aus mehreren Traumebenen zusammengesetzte Träume und eine entscheidende Schlussamivalenz. Dabei stützt sich der Science-Fiction-Film nicht nur auf die Genretradition der Darstellung von Trauminvasion und -manipulation, sondern steht auch insgesamt in einer Reihe von komplexen Traum-im-Traum-Strukturen.

Regisseur/Autor

Christopher Nolan (*30.07.1970 in London) ist Filmregisseur, -produzent und Drehbuchautor. Er steht in der Tradition des auteur-Kinos in Kombination mit (post-)modernem Hollywood (vgl. Kiss 2012, 43). Zu seinen bekanntesten Filme zählen Memento (2000), Die Dark Knight-Trilogie (2005–2012), The Prestige (2006), Inception, Dunkirk (2017), Tenet (2020) und aktuell Oppenheimer (2023); er wurde mehrfach für die Academy Awards (‚Oscars‘) nominiert. Nolan hatte die Idee zu Inception laut eigener Aussage bereits 10 Jahre vor der Umsetzung, hatte aber zunächst Schwierigkeiten, sie angemessen zu schreiben (vgl. Taubin und Nolan 2010, 32).

Wichtige Themen in Inception wie die Manipulation von Gedanken oder Erinnerungen finden sich auch in anderen Werken Nolans, darunter dem anachron erzählten Memento (vgl. Knöppler 2015, 45 f.); „Nolan himself has specialized in setting puzzles that can’t be solved. Duplicity—in the sense of both deception and doubling—runs right through his work“ (Fisher 2011, 37). Auch in der Figurenanlage werden von der Forschung Parallelen gesehen: „Cobb is also one of Nolan’s guilt-ridden male protagonists, always in danger of self-destruction“ (Taubin und Nolan 2010, 32). Nolans Werk, so Kiss, durchziehe das Spiel mit der Fiktionalisierung narrativer Eigenheiten (z.B. Erzählen in umgekehrter Reihenfolge, vgl. 2012, 43), die bei ihm durch Eigenschaften menschlicher Kognition motiviert werden (wie Amnesie, vgl. ebd., 46), und sei damit Teil der „‘mainstream complexity’“ (ebd., 43), die komplexes Erzählen mit publikumstauglichem Zugang verbindet. Diese Filme erfordern oft eine mehrmalige Rezeption (vgl. auch ebd., 44). Seine Traumauffassung nennt Nolan subjektiv, er habe dazu bewusst nicht recherchiert, sondern sei von seinem eigenen Erleben ausgegangen (vgl. Taubin und Nolan 2010, 34). Dennoch findet sich populäres Traumwissen in Inception.

Inhalt

Dom(inick) Cobb (Leonardo DiCaprio) ist der Kopf eines Teams von extractors, Menschen, die eine besondere Art der Industriespionage betreiben: Sie dringen mittels neuartiger Technologie in die Träume – meistens haben diese im Film mehrere Ebenen – ihrer Opfer ein und fördern geldwerte Geheimnisse zutage. Nachdem ein Auftrag gescheitert ist, bittet (oder eher: zwingt) die ursprüngliche Zielperson, der japanische Unternehmer Saito (Ken Watanabe), das Team, eine besondere Form der Traumspionage vorzunehmen: eine inception, in der in das Unterbewusstsein des Zielsubjekts stattdessen eine Idee ‚eingepflanzt‘ werden soll. Aufgrund des Versprechens, auf diese Weise wieder nach Hause in die USA zurückkehren zu können, stimmt Cobb dem riskanten Unternehmen zu. Dabei hat jedes der Mitglieder eine spezifische Rolle. Um sicherzustellen, dass es sich nicht im Traum eines anderen befindet, hat jedes Mitglied sein individuelles totem, ein Traum-Objekt; bei Cobb ist es ein Kreisel, den er von seiner Frau übernommen hat.

Der Auftrag, einen mehrlagigen Traum des Magnatensohns Robert Fischer (Cillian Murphy) zu ‚bauen‘ und zu beeinflussen, wird durch Cobbs Vergangenheit gefährdet, denn zunehmend dringen Erinnerungen an seine verstorbene Frau Mal (Marion Cotillard) in Form von flashbacks und destruktivem Verhalten in die gemeinsamen Träume ein und bedrohen sie. Mal hatte sich das Leben genommen, nachdem sie aufgrund zu intensiven Träumens die Fähigkeit verloren hatte, zwischen Traum und Realität zu unterscheiden; dabei hielt sie das Sterben im vermeintlichen Traum für die einzige Möglichkeit, endgültig aufzuwachen. Cobb trägt daran Schuld, denn er hatte bei ihr, um sie zur Rückkehr ins Wachleben zu bewegen, diese Idee induziert.

Schließlich führt das Team dennoch die inception durch, stößt dabei jedoch auf ungeahnte Schwierigkeiten: So ‚wehrt‘ sich das Unterbewusstsein der Zielperson und insbesondere Cobb droht durch seine außer Kontrolle geratenen Erinnerungen im limbo (Limbus), der ‚untersten‘ Traumebene, zu verbleiben, in der die Zeitwahrnehmung verändert ist und aus der man schwer herausgelangen kann. Das Ende des Films suggeriert (zunächst), dass es dennoch gelingt: Zwar wachen zunächst nur die übrigen Mitglieder von ihren jeweiligen Traumebenen aus auf und Cobb bleibt im limbo zurück, wo er auf den zuvor im Traum erschossenen und dort gealterten Saito trifft, doch schließlich scheint auch er auf der Ausgangsebene zu erwachen. Die letzte Szene des Films zeigt ihn wiedervereint mit seinen Kindern. Auf dem Tisch dreht sich Cobbs Kreisel. Bevor die Zuschauenden sehen können, ob er aufhört, sich zu drehen (ein Indikator für den Traum eines anderen), folgt eine Schwarzblende; der tatsächliche Realitätsstatus bleibt damit offen.

Die Träume (Traum-im-Traum-Strukturen)

Inception besteht zu großen Teilen aus mehrstufigen Träumen in Form verschiedener Traum-im-Traum-Strukturen. Unter einer Traum-im-Traum-Struktur verstehe ich[1] eine Traumdarstellung, die mindestens einen weiteren Traum bzw. eine weitere (Traum-)Ebene enthält. Eine Traum- bzw. Realitätsebene definiert sich dabei durch einen Übergang in Form markierten Aufwachens oder Einschlafens bzw. u.U. durch individuelle Marker wie Augenschließen oder Fallen.

Im Folgenden betrachte ich die Träume innerhalb des Films näher und gehe auch gesondert auf die verschiedenen Formen der Traum-im-Traum-Strukturen ein. Ein vollständiges Sequenzprotokoll des Films findet sich bei Christian Bumeder (vgl. 2014, 290–300).

Der Eingangstraum (extraction)

Situierung und Beschreibung

Am Anfang des Films nach den Studiotiteln befindet sich zunächst eine Prolepse (dazu später; vgl. Eichner 2014, 183; Rogy 2018, 169): Ein Mann (Cobb) wird, offenbar in Asien, an einem Strand angespült, zwei Kinder werden im Sand spielend in Zeitlupe gezeigt, der Mann wird von einem Bewaffneten zu einem Japaner (Saito) gebracht. Außer einer Schusswaffe trägt der Mann einen kleinen Kreisel bei sich. Der alte Japaner erwähnt, vor langer Zeit („many, many years ago“, In 02:19 f.) schon einmal ein solches Objekt gesehen zu haben.

Der Eingangstraum (In 02:41–14:48) beginnt zunächst unbemerkt, indem statt des alten ein jüngerer Mann (Saito) zu sehen ist, der sich mit demselben Mann (Cobb) unterhält, diesmal allerdings im Rahmen einer Abendveranstaltung. Dort erklärt Cobb, dass die effizienteste Methode zur Erlangung von Geheimnissen das Eindringen in die Träume einer Zielperson sei und dabei das Gefährlichste eine Idee ist: „What is the most resilient parasite? Bacteria? A virus? An intestinal worm? […] An idea. Resilient, highly contagious. Once an idea has taken hold of the brain it’s almost impossible to eradicate. An idea that is fully formed, fully understood, that sticks right in there [zeigt auf seinen Kopf] somewhere“ (In 02:39–03:04).

Im Folgenden spielt sich das Geschehen auf drei Ebenen ab, die sukzessive offenbart werden. Speziell im Rahmen des Aufwachprozesses wird zwischen den Traumebenen immer wieder mittels Parallelmontagen – dem wohl wichtigsten filmischen Mittel in Inception (vgl. Koebner 2018, 163; Haydn Smith 2020, 195) – gewechselt.

(3) in Saitos (geträumtem) Haus/Arthurs Traumebene: Cobb und Arthur versuchen, Saitos Geheimnis aus dem ‚Safe‘ seines Unterbewusstseins zu stehlen. Dies scheitert, als eine Frau (Cobbs verstorbene Frau Mal bzw. Cobbs Projektion von ihr) auftaucht und das Geschehen sabotiert. Die Ebene beginnt zusammenzubrechen, was sich durch Erschütterungen ankündigt und im Zuge der sich entspinnenden Verfolgungsjagden und Kämpfe eskaliert, bis die Ebene schließlich durch einen Wassereinbruch aus Ebene (2) beendet wird. Cobb kann Papiere aus dem Safe (Unterphase, siehe auch die inception) stehlen, sieht aber, dass darin viele Stellen geschwärzt sind.

(2) in Saitos (geträumter) Zweitwohnung/Nashs Traumebene: Außerhalb sind Tumulte und Explosionen zu sehen, Nash (Lukas Haas) und Arthur wecken Saito mittels einer Maschine (PASIV) und versuchen, Cobb zu wecken. Dies gelingt schließlich nur mittels eines kicks, der Cobb rückwärts in eine Badewanne fallen lässt und auf Ebene (3) das Traum-Gebäude mit Wasser flutet. Das Team verhört Saito zu den Geheimnissen, dieser bemerkt aber anhand der Textur des Teppichs, dass auch diese Ebene nicht real ist. Saito erwähnt, dass es sich um einen Test gehandelt habe, den sie nicht bestanden hätten. Tadashi, ein japanischer Teenager, setzt Nash währenddessen in einem Schnellzug Kopfhörer auf, die das Lied Non, je ne regrette rien von Édith Piaf spielen. Die eskalierenden Tumulte sowie der Einfluss aus Ebene (1) mit dem Piaf-Lied führen zum Aufwachen.

(1) im Schnellzug/Wachebene, Tadashis Verantwortung: Nachdem Arthur erwacht ist und Nash in (2) angegriffen wurde, erwachen nacheinander die anderen Teammitglieder mithilfe der Maschine, streiten über das gescheiterte Unternehmen und lassen Saito zurück, der schließlich allein aufwacht, sich offenbar erinnert und lächelt. Später zeigt sich, dass Saito Cobb manipuliert hat, um zu testen, ob er und sein Team für die Durchführung einer inception geeignet sind.

Analyse und Darstellungsbesonderheiten

Der Traum im Traum („dream within a dream“, In 13:44) ist dank der vorgeschalteten Prolepse und eines Eingangstwists (vgl. zum Konzept des Twists Strank 2022) zunächst für die Zuschauenden nicht als solcher erkennbar, sondern erscheint vielmehr als Wachrealität, die jedoch zunehmend durch Irritationen wie die Erschütterungen des Gebäudes unterminiert wird. Der Status und die Besonderheiten werden den Rezipierenden sukzessive bewusst gemacht und gemeinsam mit der Zielperson Saito implizit erklärt, während die Mitglieder des extraction-Teams sich die ganze Zeit des Realitätsstatus bewusst sind, den sie selbst herbeigeführt haben und steuern. Dabei erscheint die nächsthöhere Ebene zunächst als Wachebene, bis deutlich wird, dass Saito immer noch träumt („I’m still dreaming“, In 13:29). Am Ende, nach dem Aufwachen auf der obersten Ebene (1, Wachebene), wird die Struktur des Traum im Traum deutlich: Er besteht aus drei Hauptebenen (3–1), wobei die letzte die Wachebene ist und jede Traumebene von einer anderen Person verantwortet wird. Dies macht die extraction zusätzlich zu einem – medial induzierten (vgl. Bumeder 2014, 126 nach Jahraus) – geteilten Traum (shared dream) besonderer Art, in dem nicht jede Traumpersona dieselben Möglichkeiten hat:

SAITO. Dream within a dream, huh? I’m impressed. But in my dream, you play by my rules. NASH. Ah yes, but you see, Mr. Saito … COBB. We’re not in your dream. NASH. We are in mine. (In 13:43–56)

Gestalterisch fällt auf, dass die Ebenen von verschiedenen real anmutenden Orten verkörpert werden, sozusagen eine Topografie entsteht. Dabei sind vordergründig Gebäude (Haus in Japan mit Safe, Wohnung) und Fortbewegungsmittel (Schnellzug) relevant, tatsächlich verkörpern diese aber verschiedene Aspekte des Unterbewusstseins, was als Verbildlichung von Freuds „‘topographical’ and ‘spatial’ models“, die das Bewusstsein als „as a varied and demarcated space“ (Mayo 2020, 241) darstellen, aufgefasst werden kann. Innerhalb dieser Bildmetaphorik nehmen scheinbar äußere Ereignisse eine symbolische Funktion ein. So verdeutlichen das ‚Erschüttern‘ und schließlich ‚Überfluten‘ von Ebene (3) die zunehmende Instabilität dieser Ebene von der übergeordneten Ebene (2) aus, die ‚Aufstände‘ in (2) zeigen einen zunehmenden inneren Widerstand der Zielperson gegen das Eindringen in ihre künstlich erzeugten Träume. Die auftretende Frau (Mal) wird später im Film als unberechenbares Prinzip erkennbar, das als Bestandteil eines anderen Unterbewusstseins (Cobbs) die extraction und die Traumpersonen manipuliert.

Neben den bildlichen Symbolen wirken auch Genreelemente an der vorübergehenden Täuschung, dass es sich um Geschehen in der Wachwelt handelt, mit. So erscheint das Vorgehen der Teammitglieder zunächst vorrangig Teil des Plots eines Agenten- bzw. Industriespionagethrillers und Heist-Movies (vgl. dazu Kaczmarek 2022) mit einer exklusiven Party zu sein, die als Gelegenheit für einen Saferaub dienen soll, Kämpfen, Schießereien und Verfolgungsjagden. Von der Kritik wurde daher auch angemerkt, dass das Träumen bloßer Vorwand für die Verwendung dieser Genreelemente sein könnte (vgl. Fisher 2011, 40).

Filmisch sind neben der damit einhergehenden hohen Schnittfrequenz als charakteristisch besonders zeitgestaltende Mittel zu beobachten: Die erwähnten Parallelmontagen ermöglichen ein schnelles Wechseln zwischen gleichzeitig stattfindenden Ereignissen auf verschiedenen Traumebenen, das Zeigen der ebenenübergreifenden Konsequenzen einzelner Handlungen (z.B. Cobb fällt in (2) ins Wasser, in (3) wird das Haus überflutet) sowie eine dennoch bleibende Orientierung, nachdem der Ebenenwechsel einmal bekannt ist. Im Kontrast stehen wiederholt eingesetzte Zeitlupen (z.B. bei dem Sturz ins Wasser), die außerdem die besondere Zeit der Traumebenen verdeutlichen, denn später wird erkennbar, dass Zeit auf den tieferen Ebenen wesentlich schneller vergeht (d.h. dort vergeht subjektiv mehr Zeit als auf einer höheren Ebene bzw. in der Wachwelt). Wiederholt wird dazu eine Detailaufnahme eines Chronographen gezeigt (vgl. z.B. In 12:05–07), dessen voranlaufender Zeiger sich plötzlich verlangsamt. Nolan sagt über den Einsatz zeitgestaltender Mittel wie Zeitlupe im Film: „We’ve embraced it as part of the narrative. What’s different about the film is also what’s familiar about the film. We’ve repurposed the techniques you’ve seen in other movies to have a narrative meaning“ (Taubin und Nolan 2010, 35). Neben den oben beschriebenen Elementen sind die Ebenenübergänge, die sich hier teils auch diegetisch unterscheiden,[2] durch Augenschließen und -öffnen träumender Personen verdeutlicht (vgl. etwa In 08:45 f., 13:59–14:05). Es zeigt sich, dass über die Maschine hinaus, an die die Träumenden auf mehreren Ebenen angeschlossen sind, weitere Möglichkeiten zum Aufwachen auf der nächsthöheren Ebene durch einen Außenwelteinfluss bzw. Einfluss von der nächsten Ebene vorhanden sind (Wasser, das leitmotivische Piaf-Chanson) sowie im Extremfall durch das ‚Töten‘ einer träumenden Person auf einer Traumebene.

Lernträume

Situierung und Beschreibung

Der erste ‚Lerntraum‘ (In 25:01–27:08) beginnt ebenso wie der Expositionstraum zumindest für eine der der träumenden Personen (Ariadne) unbemerkt: Nachdem die Architekturstudentin von Cobb in Paris durch Vermittlung seines Schwiegervaters angeworben wurde, indem sie ein schwer lösbares Labyrinth für ihn zeichnen sollte, ist Arthur zu sehen, der ein offenbar leerstehendes Gebäude betritt und dort aufräumt (vgl. In 23:55–25:00); später wird es zum Hauptquartier des Teams. In der nächsten Szene sitzen Ariadne und Cobb in einem pariserisch anmutenden Straßencafé (in der rue César Franck, vgl. Oster 2022, 579), während Cobb die Eigenschaften von Träumen und den Ansatzpunkt einer extraction erklärt: Im Traum nehme das Bewusstsein (mind) die Wirklichkeit wahr und kreiere sie in einem kontinuierlichen Prozess, der beides voneinander ununterscheidbar werden lasse; an diesem Punkt können sie ansetzen (vgl. In 25:20–36).

Als er darauf zu sprechen kommt, dass man die Seltsamkeit des Traums erst beim Erwachen bemerke und sich in der Regel nicht an den Beginn eines Traums erinnere, stutzt Ariadne; Cobb erläutert, dass sie sich in Wirklichkeit in ihren Arbeitsräumen befinde und die Umgebung des Cafés mit Gemüseständen etc. beginnt, sich in ihre Bestandteile ‚aufzusprengen‘. Ariadne erwacht, wobei das Augenöffnen in einer schräg gekanteten Nahaufnahme gefilmt ist. Danach ist im Hintergrund das Piaf-Chanson zu hören, während Arthur und Cobb Ariadne erklären, dass die zugrundeliegende Technologie vom Militär zu Trainingszwecken entwickelt wurde. Architects wie sie seien für das Design der Träume verantwortlich. Außerdem wird deutlich, dass das Vergehen der Zeit im Traum anders wahrgenommen wird: „ARTHUR. Five minutes in the real world gives you an hour in the dream“ (In 27:40–41).

Der zweite Lerntraum (In 27:49–32:03) dagegen wird direkt im Anschluss eindeutig eingangsmarkiert, indem Ariadne, in halbnaher Einstellung auf einem Liegestuhl gefilmt, nach einem Zischgeräusch der trauminduzierenden Maschine wieder die Augen schließt. Nun geht es im selben Ausgangssetting (idyllische Nebenstraße) gemeinsam mit Cobb um das layout des Traums, wobei die sie umgebenden Menschen „projections in my [Cobb’s] subconscious“ (In 27:58 f.) sind, denn Ariadne sei, so Cobb „the dreamer, you build this world. I am the subject, my mind populates it. You can literally talk to my subconscious, that’s one of the ways to extract information“ (In 28:00–10). Ein anderer Weg zu Geheinissen sei das Kreieren eines sicheren Objekts wie eines Safes oder Gefängnisses, das das Subjekt dann automatisch nutze. Dann beginnt Ariadne nach ihrer eigenen Frage „messing with the physics a bit“ (In 28:36) und erzeugt visuell eindrucksvolle Verformungen des geträumten Raums, die an M.C. Eschers Werke erinnern und auch auf dem Filmplakat gezeigt sind. Cobb erklärt weiterhin, dass die projections, also geträumten Menschen, durch gravierende Umformungen des Traumsettings auf die Kreation aufmerksam werden und wie ein ‚Immunsystem‘ des Unterbewusstseins funktionierten.

Auf einer Brücke wirkt Cobb irritiert, es sind kurze, in rosafarbenes Licht getauchte Erinnerungsbilder mit einer Frau zu sehen. Er warnt Ariadne, keine realen Orte, höchstens Details davon, zu imaginieren, da so leicht „[the] grasp for what’s real and what is a dream“ (In 31:41–43) verlorengehe. Als Ariadne eine komplexe Spiegel-im-Spiegel-Illusion erschaffen hat, beginnen die Passanten, sie anzugreifen und schließlich wird sie von einer Frau (Mal) ‚erstochen‘. Im Anschluss lernt Ariadne von Arthur, dass man vor der voreingestellten Traumdauer nur durch Getötetwerden im Traum aufwachen kann. Außerdem wird ihr der Zweck von totems wie Cobbs Kreisel erklärt, die es ermöglichen (sollen), zu verifizieren, dass man sich nicht im Traum eines anderen befindet. Ariadne zeigt sich besorgt über das Auftauchen von Cobbs Ehefrau und sich potenziell daraus ergebende Gefahren („I’m not about to just open my mind to someone like that [Cobb]“, In 33:03–05) und geht.

Der dritte Lerntraum (In 38:14–39:38), für den Ariadne doch, durch den künstlerischen Aspekt gereizt („It’s pure creation“, In 38:10), zurückkehrt, beginnt ohne gezeigte Traumeinleitung, doch ist durch den Kontext eindeutig markiert. Diesmal zeigt ihr Arthur „some paradoxical architecture” (In 38:12 f.) in Gestalt der Penrose-Treppe, als einen der ‚Tricks‘, die für das spätere Erzeugen von „three complete dream levels“ (38:18) erforderlich seien. Es kommt offenbar darauf an, möglichst komplexe, loop-artige Traum-Architekturen zu erschaffen, die labyrinthisch sind, um die Grenzen des Traums zu verdecken und den projections zu entkommen. Ariadne und die Zuschauenden erfahren im Traum-Gespräch von Arthur, dass Cobb keine Träume mehr selbst baut, da Mal tot ist und die Frau in den vorhergehenden Träumen somit „just his [Cobb’s] projection of her“ (In 39:31) war.

Analyse und Darstellungsbesonderheiten

Der erste Traum beinhaltet nur eine sichtbare Ebene und beginnt wieder mit einer Täuschung. In Abwandlung des Konzepts des false awakening (siehe unten) kann hier von einem falschen Wachsein gesprochen werden; Matthias Brütsch nennt es ‚retroaktiver Modus‘ (vgl. Brütsch 2011, 182–211; vgl. auch Kuhn 2011, 286). Bumeder spricht in Inception von ‚Testträumen‘ (vgl. etwa 2014, 292). Die Zuschauenden werden, diesmal gemeinsam mit Ariadne (vgl. auch Eichner 2014, 183), die zu dem Zeitpunkt zu Cobb in einem Schülerin-Lehrer-Verhältnis steht, mit dem grundlegenden Konzept weiter vertraut gemacht; die Theorie wird ihr hauptsächlich im Dialog – so auch in der Wachwelt – nahegebracht. Filmisch sind dabei besonders die special effects der sich auflösenden Umgebung bedeutsam. Das Unterbewusstsein wird als betretbarer und manipulierbarer Raum charakterisiert sowie die wichtige Zeitkomponente verdeutlicht.

Der zweite Traum erinnert in seiner Induktion an einen der ersten Traummanipulationsfilme, Dreamscape (1984), gefolgt von einer ersten Einstellung in subjektiver Kamera, die dann aber von einer filmisch geläufigeren scheinbaren Außenperspektive auf die Träumenden abgelöst wird. Wieder vermittelt er im Dialog wie auch in der visuell praktischen Erprobung durch Ariadne weitere Erklärungen zu der Kreation und den Eigenschaften künstlich erzeugter geteilter Träume. Besonders wichtig für die weitere Handlung sind die Reaktionen des ‚Immunsystems‘ sowie das erneute Auftauchen von Mal aus dem ersten Traum, die dabei wieder gewaltsam vorgeht. Das Unterbewusstsein erscheint dabei wiederum kinematografisch aufwändig in architektonischen Metaphern, die sich an Werken der Mathematik und Kunstgeschichte (‚unmögliche‘, paradoxe Räume, infinity mirror als visuelle mise en abyme) orientieren, sowie in einer Rhetorik von Angriff und Verteidigung; es ist, so Cobb, nicht kontrollierbar. Neben den genannten Mitteln überwiegt mit Ausnahme der Paradoxa und eines sichtbaren Schnitts (In 28:24) dennoch continuity editing (‚unsichtbarer Schnitt‘), was die (vermeintliche) Sicherheit über den Traumstatus sowie die Kohärenz der Traumwelt verdeutlicht.

Der dritte Traum nimmt plottechnisch zwei Funktionen ein: Er lässt die Zuschauenden mehr über den ‚Bau‘ der komplexen Träume erfahren und Mal wird als reine Projektion Cobbs identifiziert, womit auf ihre Rolle im Fortgang der Handlung vorausgewiesen wird. Abermals findet dies im Dialog, diesmal mir Cobbs Partner Arthur statt. Gerade die Penrose-Treppe, hier wohl von Arthur erzeugt, wird in der inception Teil des zweiten Traumlevels mit Arthur sein (vgl. In 1:44:15–27). Die Illusion der Unendlichkeit wird durch eine Aufsicht der die Treppe betretenden Figuren zunächst aufrechterhalten, um dann durch eine vertikale Kamerafahrt zu einer starken Untersicht aufgelöst zu werden (vgl. In 38:33–40).

Die opium den

Situierung und Beschreibung

In Mombasa trifft Cobb auf Eames (Tom Hardy), den er für die inception anheuern will. Cobb wird von Agenten von Cobol Engineering, seinem ehemaligen Auftraggeber, gejagt; somit findet auch in der (mutmaßlichen) Wachwelt eine Verfolgungsjagd im labyrinthartigen Gewirr einer Innenstadt statt. Der plötzlich auftauchende Saito rettet Cobb; durch Eames Vermittlung treffen beide auf Yusuf (Dileep Rao), der als chemist vorgesehen ist, also derjenige, der die pharmazeutischen Zutaten für tiefe und stabile Träume zur Verfügung stellt – offenbar sind Träume mit mehr als zwei Ebenen nur schwer stabil zu halten. Yusuf zeigt den anderen einen Raum im Untergeschoss, der wie eine Opiumhöhle früherer Zeit anmutet. Dort geben sich Menschen den ganzen Tag drogeninduzierten geteilten Träumen hin, da sie nur noch auf diese Weise träumen können; „the dream has become their reality“ (In 41:43–44), wie ein alter Mann sagt. In Cobbs kurzem Erinnerungstraum dort (In 41:50– 42:06) ist eine Montage von hauptsächlich Nah- und Großaufnahmen von Mal zu sehen, die zu ihm sagt: „You know how to find me. You know what you have to do“ (In 42:02–05), dazwischen eine Einstellung erschütterter Schienen, woraufhin er aufschreckt. Als er anschließend im Waschraum vor dem Spiegel steht, sieht Cobb in einer Halluzination ein Fenster mit wehenden Vorhängen und dort wieder Mal, versucht seinen Kreisel in Bewegung zu versetzen und wird von Saito unterbrochen (vgl. In 42:15–28).

Analyse und Darstellungsbesonderheiten

Hier wird die Kehrseite des shared dreaming deutlich, das wie eine Sucht zu totaler Abhängigkeit und Weltflucht führen kann. In Zusammenschau mit der inception und dem Ende des Films könnte dies auch Cobbs Schicksal sein. Zugleich liefern seine Erinnerungsbilder strukturell weitere Hinweise auf die bald folgenden Informationen über seine Vergangenheit. Außerdem stellt Cobbs kurzer Traum eine Erprobung des chemischen Mittels dar, das auch in der inception zur Anwendung kommen wird. Der Traum und die Halluzination, die gewissermaßen eine Fortführung des Traum ist, wirken wie assoziative Montagen zu Mal, sind aber tatsächlich in ihrer Bruchstückhaftigkeit nur vorläufig, da der nächste Traum und die inception das Bild komplettieren werden. Insofern erfüllen sie eine ähnliche Funktion wie die dann immer wiederkehrenden Bilder von Cobbs spielenden Kindern (siehe unten). Bemerkenswert ist, dass der Traum offensichtlich kein geteilter Traum ist, obwohl die anderen Menschen in der ‚Opiumhöhle‘ geteilt träumen. Die Szene vor dem Waschbecken greift variierend einen öfter filmisch bzw. seriell wiederkehrenden Horrortopos auf, eine ‚Spiegelszene‘, bei der die erlebende Figur im Spiegel eine unheimliche Veränderung an sich oder ihrer Umgebung bemerkt, die Erschrecken verursacht, und dann wieder erwacht. Ein kennzeichnendes Beispiel aus der SF ist die Eröffnungsszene von Star Trek: First Contact (1996; Regie: Jonathan Frakes).

Der Aufzugtraum (prison of memories)

Situierung und Beschreibung

Cobbs Aufzugtraum (In 52:24–57:55) ist in der Zeit der Vorbereitungen auf die inception situiert, in der auch eine Teambesprechung zu den verschiedenen Ebenen der Suggestion bei Fischer im Traum stattfindet (In 49:06–23), und wird nachträglich eigenmächtig von Ariadne betreten. Sie findet sich in einem altmodischen Aufzug wieder (1), der langsam nach unten fährt. Dabei sieht sie durch das Gitter zunächst auf einer Ebene ein Zimmer (a, Puppenhaus, Bumeder 2014, 294), dann die Innenansicht eines Hauses, in dem Cobb und Mal miteinander über den ‚Traum‘, den Cobb für beide gehabt habe, reden, als sie bemerkt wird und Cobb aufgebracht zu ihr in den Aufzug steigt. Ariadne rechtfertigt das Eindringen in den Traum mit dem eigenen Risiko beim geteilten Träumen. Beim Wiederaufstieg erreichen die beiden eine Ebene, wo Mal und Cobbs Kinder am Strand spielen (b), es sei „the only way I can still dream“ (In 53:50) und Cobb noch mit seiner Familie vereint sein könne. Dann fahren beide wieder abwärts. Währenddessen wird Ariadne bewusst, dass es ich um Erinnerungen handelt, die ja laut Cobb in Träumen gefährlich werden können. Sie fragt, was die unterste Ebene (B für Basement) bedeute, doch Cobb führt sie zu einer Ebene, die als einzige wichtig sei, um ihn zu verstehen.

Durch einen langen Flur betreten sie das Haus (c), während Cobb ein Erinnerungsbild (Rückenfigur) seines Sohnes ‚zeigt‘, der im Garten gräbt, und dann seiner Schwester (i). Immer sei er kurz davor, nach ihnen zu rufen, damit sie sich umdrehten, doch könne den Moment nicht verändern. Ein Mann übergibt ihm Flugtickets; er müsse nach Hause zurückkehren, um ihre Gesichter noch einmal zu sehen. Ariadne läuft allein zum Aufzug und fährt ins Basement hinab (e). Auf dem Weg kommt sie an einer Ebene mit einem rasenden Zug vorbei (d). Unten betritt sie ein scheinbar leeres, verwüstetes Hotelzimmer. Hier trifft sie auf Mal, die sie fragt, was sie hier mache. Dann spricht sie von einem Zug, auf den man warte, „you know where you hope this train will take you, but you don’t know for sure“ (In 57:16–18). Cobb taucht auf, sie laufen zum Aufzug zurück, Mal wird aggressiv, tobt, und Cobb verspricht ihr, zurückzukehren. Nach einer Schwarzblende wacht Ariadne, dann Cobb auf. Danach fragt sie ihn: „Do you think you could just build a prison of memories where you can lock her in? Do you really think that that’s gonna contain her?“ (In 58:10–15). Schließlich soll, wie Saito ankündigt, nach dem Tod von Fischer senior die inception beginnen.

Analyse und Darstellungsbesonderheiten

Der Traum ist zwar mehrteilig, aber nicht im engeren Sinne ein Traum im Traum, denn die verschiedenen ‚Stockwerke‘ sind räumlich, aber nicht durch explizites (falsches) Erwachen oder Einschlafen auf einzelnen Ebenen voneinander getrennt; dadurch können sie eher als Unterebenen oder Phasen bezeichnet werden (1a–e). Es handelt sich um einen geteilten Traum, der jedoch zum ersten Mal seit dem Eingangstraum gegen den Willen des Subjekts (Cobb) von Ariadne betreten wird (Trauminvasion), die ihn ggf. dadurch und durch ihre Fragen auch beeinflusst (Traummanipulation). Cobb, sonst derjenige, der derart vorgeht, wird davon überrascht. Da es sich um Cobbs belastete Vergangenheit handelt, kann Ariadnes Vorgehen zudem in einer Art therapeutisch intendiertem Kontext verstanden werden (vgl. im Sinne der Psychoanalyse Böhme 2013, 448 f., 450) und steht damit ebenfalls in der Tradition der Trauminvasion (im sog. „inner space film“ vgl. Mayo 2020, 239–241). In diesem Zusammenhang wäre Ariadne getreu der Rolle ihrer Namensgeberin in der griechischen Mythologie schließlich als diejenige zu verstehen, die Cobb aus dem selbstgebauten Traum-‚Labyrinth‘ heraushilft. Jedoch zeigt sie auch starke Besorgnis und involviert sich zunehmend selbst, was speziell auf der vierten Traumebene der inception große Auswirkungen hat und hier angedeutet wird.

Streng genommen sind die verschiedenen ‚Stockwerke‘ keine Träume, sondern Erinnerungen Cobbs. Allerdings spielt dabei sowohl Unzuverlässigkeit hinein (vgl. besonders Einzelbeispiele in Bumeder 2014, 212 f.) wie ergänzend die Tatsache, dass Cobb seine Erinnerungen betreten und teils variieren kann, jedoch nicht nach Belieben. Die Anordnung der Erinnerungen mit dem Mittel des ‚Aufzugs‘ verfestigt die Nutzung architektonischer Bildmetaphorik in den Träumen sowie den Eindruck, das Bewusstsein bzw. in diesem Fall das Gedächtnis sei eine Art Gebäude (siehe auch entsprechende Mnemo-Techniken), in dem die verborgensten (‚verdrängten‘) Erinnerungen sich am tiefsten Punkt (‚Untergeschoss‘) befinden, angeordnet „from good to bad, from joyful to guilty and repressed“ (Knöppler 2015, 44).

Funktionell dient diese Sequenz einer Ergänzung und Erklärung vorheriger flashback-Sequenzen (siehe vollständig im Sequenzprotokoll bei Bumeder 2014, 291, 293, 295 f., 297 f.) zu Cobbs Vergangenheit/Hintergrundgeschichte, speziell zu seinen beiden Kindern, Mals Tod und seiner Beteiligung daran, die später gegenüber Ariadne und damit den Zuschauenden noch weiter aufgedeckt werden (vgl. auch Knöppler 2015, 43 f.). Zugleich werden den Zuschauenden die Auswirkungen eines ‚zu tief gehenden‘ Träumens und später einer fehlgegangenen inception verdeutlicht, u.a., da Cobb nur noch auf diese Weise träumen kann.

Filmisch fällt auf, dass gerade die Erinnerungsbilder an die beiden Kinder, die sich motivisch durch den Film ziehen, in ein dafür typisches roséfarbenes Licht getaucht und in Zeitlupe fotografiert sind. Die Erinnerung an den Moment des Weggehens wird zudem von Cobb explizit erzählt (voice over); er tritt damit diegetisch in Erscheinung. Ebenso wie die Kinder im Erinnerungsbild sind Cobb und Ariadne beim Betreten dieser Erinnerung durch einen Gang in Rückansicht gefilmt, was die Involvierung der Rezipierenden noch verstärkt (Rückenfiguren nach Art der bildenden Kunst, vgl. dazu Schlichter 2022, oder Videospielästhetik), bevor sie mittels Schuss-Gegenschuss wieder von vorn zu sehen sind (vgl. In 54:36–47).

Schon in der Stranderinnerung tritt Hans Zimmers Score explizit filmmusikalisch in Erscheinung. Das Zugmotiv, das sowohl auf einer Ebene wie in Mals Worten vorkommt, greift Cobbs Erinnerungstraum von zuvor auf und wird auch in der inception wiederkehren, ebenso wie Mal und das Fenster des Hotelzimmers. Anders als die sexuelle Rolle von Zügen im Traum bei Hitchcock (Koebner vermutet in seinen Ausführungen zu Dreamscape gar eine direkte Verbindung, vgl. 2018, 147; Truffaut und Scott 2010, 137; vgl. dagegen Freuds eigenen Zug-Traum in Freud 1961, 458–462) erinnert der Zug hier daran, dass er Cobb als Mittel diente, um Mal und sich im Traum zu ‚töten‘ und damit aufzuwachen. Rogy erinnert ergänzend an einen der ersten Stummfilme der Lumière-Brüder, der eine Zugankunft zeigt (vgl. 2018, 170). Zudem besteht eine assoziative Verbindung zum „Eisenbahn- und Nervendiskurs“ und Träumen zu Beginn des 20. Jahrhunderts (vgl. dazu kulturhistorisch Baßler 2012, 21–25).

Die inception und die Schlussambivalenz

Situierung und Beschreibung

Die inception (In 58:17–2:15:12) stellt als eine Art Achsenspiegelung des Eingangstraums den End- und zugleich Höhepunkt des Traumgeschehens in dem Film dar. Nach den umfangreichen Vorbereitungen wird das Team im Anschluss an den oben beschriebenen Aufzugtraum durch den Tod des Vaters des Ziels Robert Fischer gedrängt, mit der inception zu beginnen, denn Fischer als Erbe des Firmenimperiums sollen in Saitos Auftrag nicht Information entzogen, sondern ein Gedanke ‚eingepflanzt‘ werden (inceptio = Beginn oder Vorhaben). Die Konstruktion dieses Gedankens war ebenfalls Gegenstand der Vorbereitungen, wobei sich das Team auf Anraten von Cobb und Eames für einen positiven als wirkmächtigeren Gedanken in Zusammenhang mit Fischers schwierigem Verhältnis zu seinem Vater entschieden hat.

Abermals handelt es sich um einen Traum im Traum, der diesmal jedoch für Figuren wie Zuschauende von Beginn an als solcher bekannt ist. Eine bedingte Ausnahme ist dabei Fischer, der erst sukzessive in die Struktur des Traums eingeweiht und die ganze Zeit von Cobbs Team manipuliert wird. Der Traum besteht – neben dem Limbus – aus drei Ebenen, für die jeweils wieder ein Mitglied verantwortlich zeichnet, das zudem eine spezifische Funktion hat: Yusuf ist als chemist dafür zuständig, ein starkes Sedativ zu verabreichen, um auf tiefere Traumebenen gelangen zu können, Arthur (Joseph Gordon-Levitt) kontrolliert die zweite Traumebene, Eames ist der Gestaltwandler (forger) und erweckt in Fischer zunächst den Eindruck, sein Pate zu sein. Cobb und Ariadne dringen dann mit Saito bis auf die dritte Traumebene und dann in den Limbus vor. Ariadne hat, resultierend aus dem vorangegangenen Aufzugtraum, darauf bestanden, ebenfalls Teil der inception zu sein.

Die inception ist nach Vorbild eines Heist-Movies dramaturgisch gestaltet, wobei sich u.a. durch Cobbs ungelöste Erinnerungen an seine Frau unvorhergesehene Probleme ergeben. Filmisch dominiert abermals die Parallelmontage, so dass sehr oft zwischen den Traumebenen per Schnitt gewechselt wird, die Zuschauenden jedoch stets über die Struktur orientiert bleiben. So enthalten die Zeiten einer Ebene zunehmend auch die parallel montierten Ereignisse auf höheren Ebenen (vgl. anders die Zusammenfassungen in Böhme 2013). Zur Differenzierung tragen auch die verschiedenen Wetterbedingungen, Settings und Farbgestaltungen bei (vgl. Kiss 2012, 47). Dabei ist das oben eingeführte unterschiedliche Vergehen der Zeit entscheidend, weshalb Zeitlupeneinstellungen als zweites wichtigstes filmisches Mittel ebenfalls prominent vorkommen.

(1) Wachebene im Flugzeug, auf der die Figuren geplant einschlafen (In 58:17–1:01:28): Das Team befindet sich gemeinsam mit Fischer auf einem Langstreckenflug (Sydney nach L.A.) in der Ersten Klasse. Sie betäuben Fischer mit einem Drink, dann werden alle mit der trauminduzierenden Maschine verbunden, die dann von der Stewardess ausgelöst wird.

(2) Traumebene in einer Stadt mit herabfallendem Van/Fischers Unterbewusstsein, Yusufs Traumebene (ab In 1:01:28): Im strömenden Regen einer Stadt (New York?) übernehmen die Teammitglieder mit Waffengewalt ein Taxi, das dann Fischer aufnimmt. Diesem erscheint das Geschehen dann als gewöhnliches Entführungsszenario. Es zeigt sich schon eine vom Plan abweichende Entwicklung, als ein Zug (der Zug aus Cobbs Erinnerungen) plötzlich auf der Straße auftaucht und Cobbs und Ariadnes Fahrzeug rammt (vgl. In 1:02:47–55). Bald darauf wird das Taxi blockiert und das Team von allen Seiten beschossen, Saito wird dabei verwundet. Nach dem Entkommen streiten Cobb und Arthur darüber, dass es sich nicht um „normal projections, they were trained“ (In 1:05:04 f.) handelt, Fischers Unterbewusstsein offensichtlich gegen Eindringen gewappnet wurde. Der verletzte Saito kann auch nicht einfach aufgeweckt werden, da alle ein Sedativ eingenommen haben. Würde er ‚sterben‘, fiele er in den Limbus (vgl. In 1:05:45–48, „unconstructed dream space“, In 1:05:52), in dem man potenziell unendlich gefangen bleiben kann, gemeinsam mit den Überbleibseln derer, die dort zuvor waren (Cobb, Mal). Cobb verdeutlicht, dass keine andere Wahl als das Fortfahren bleibe, da sonst alle von Fischers Unterbewusstsein ‚getötet‘ würden. Fischers Beteiligung wird durch einen Trick erreicht, indem Eames die Gestalt seines vermeintlich ebenfalls entführten Patenonkels Browning annimmt, der versucht, Fischer die Kombination des Safes seines Vaters zu entlocken.

Ariadne warnt Cobb, „as we go deeper into Fischer, we are also going deeper into you“ (In 1:09:39–42). Cobb erzählt ihr daraufhin, begleitet von Rückblenden, davon, wie er und Mal bei Erkunden des „dream within a dream“ (In 1:12:56) den Realitätssinn verloren hatten und ihre eigene Welt bauend etwa 50 Jahre dort verbrachten. Während Cobb dies irgendwann nicht mehr ertragen konnte, war Mal auch nach dem Erwachen „possessed by an idea, this one very simple idea that changed everything: that our world wasn’t real […] in order to get back home, we had to kill ourselves“ (In 1:14:36–58). Er erzählt auch von Mals Intrige, die in der Überzeugung, aufwachen zu müssen, sich das Leben nahm und es zuvor so inszenierte, als ob Cobb sie getötet habe. Ariadne meint, Cobb sei nicht dafür verantwortlich, aber er müsse sich später Mal stellen. Als sie von außen angegriffen werden, erzwingt das Team einen Code von Fischer, sie sedieren ihn erneut und machen sich in einem Van auf den Weg, der von Yusuf gefahren wird. Im Van werden alle mittels der Maschine auf eine weitere Traumebene befördert.

(3) Traumebene in Hotel/Arthurs Traumebene (ab In 1:21:53): Mittels eines Tricks, den sie ‚Mr. Charles‘ nennen, wollen die Teammitglieder Fischer an seinem eigenen Unterbewusstsein zweifeln lassen; Eames nimmt dazu die Gestalt einer jungen Frau an, die Fischer bestiehlt, während Cobb als derjenige auftritt, der ihm hilft. Wie im Eingangstraum treten besonders ab der zweiten Traumebene wieder Erschütterungen auf, die laut Eames nicht auf das (reale) Flugzeug, sondern die Fahrt im Van eine Ebene über ihrer zurückgehen (vgl. In 1:23:30). Wieder werden vermehrt Parallelmontagen eingesetzt. Zudem wechseln sie auch zwischen verschiedenen Orten innerhalb der Ebene (3): Bar, Hotelaufzug und -flure. Cobb, so erklärt Arthur Ariadne, stellt sich als Fischers Sicherheitschef vor und macht diesen bewusst auf den Traumstatus, genauer „the strangeness of the dream“ (In 1:25:28), und die Gefahr einer extraction aufmerksam, insbesondere die Veränderungen der Schwerkraft und Überlappung der Orte. Zudem soll er sich zum Test daran erinnern, wie er an diesen Ort gekommen ist. Dabei setzt Cobb Fischers partielle Erinnerung an die höhere Traumebene (2) ein, um ihm zu suggerieren, dass diese die Wachwelt sei. Arthur bereitet in dem Hotelzimmer den kick für das spätere Aufwachen vor. Cobb weckt Fischers Misstrauen gegenüber Browning und bringt ihn so dazu, eine weitere Traumebene zu betreten, in dem Glauben, es handle sich um Brownings, dessen wahre Motive sie herausfinden wollten.

(4) Traumebene Bergfestung/Eames’ Traumebene (ab In 1:37:00): Nun werden in Parallelmontagen die drei Traumebenen gezeigt. Auf der dritten Traumebene (4) greifen Cobb und sein Team die Bergfestung an, auf der zweiten Traumebene (3) setzt sich Arthur im Hotel gegen Fischers Unterbewusstsein zur Wehr und auf der ersten (2) muss Yusuf, während er den Van durch die Stadt steuert, ebenfalls gegen Angreifer kämpfen. Bewegungen des Vans beeinflussen dann die Beschaffenheit der unteren Ebenen; so erzeugt das Befahren einer Kurve in (2) eine subjektive Verlangsamung (gezeigt als Zeitlupeneinstellung), die in (3) die Gravitation verschiebt (schräge Kamera, ‚Schwerelosigkeit‘) und in (4) Erschütterungen und Lawinen hervorruft. In (4) hat das Team sich aufgeteilt: Fischer soll, um die ‚Wahrheit‘ über seinen Vater zu erfahren, selbst den Tresor öffnen, während Yusuf unter Beschuss in (2) den Van über die Brüstung der Brücke steuert. Durch Kopfhörer übermittelt er Arthur in (3) mittels des Piaf-Chansons, dass es bald Zeit ist, aufzuwachen. Durch die Zeitexpansion der Traumebenen hat Yusuf nur noch 10 Sekunden, Arthur 3 Minuten und haben Cobb und die anderen 1 Stunde Zeit (vgl. In 1:42:46–58), sie müssen ihre Route verkürzen.

Als sie in (4) die Lawine als ersten kick verpassen, entstehen neue Schwierigkeiten, Arthur muss eine Lösung finden, die Schwerelosigkeit in seiner Ebene aufzuheben, um alle aufwachen zu lassen. Dazu bindet er alle Schlafenden zu einer ‚Skulptur‘ zusammen und bringt sie in den Aufzug, den er später abstürzen lassen wird. Währenddessen haben Saito und Fischer die Festung durch einen Belüftungsschacht betreten, während die Projektionen von Eames sowie Cobb angegriffen und damit abgelenkt werden. Fischer betritt den strongroom (ab In 1:50:41) und wird dort kurz darauf von Mal erschossen und damit in den limbo befördert. Ariadne sieht es als möglich an, ihn dort zu suchen und dann mithilfe der koordinierten übergeordneten kicks wieder aufzuwachen (vgl. In 1:53:03). Eames und der schwerverletzte Saito verteidigen indessen die Festung gegen aggressiver angreifende Projektionen.

(5) Limbus, Cobbs und Mals Haus/gemeinsame Traumwelt (ab In 1:53:47): Cobb und Ariadne schlafen in der Festung ein und ‚wachen‘ dann in der Brandung des limbo auf. Dieser besteht aus unzähligen Gebäuden, die am Strand ähnlich wie Eisberge in der Arktis abbrechen. Cobb erzählt vom Aufbau der Stadt und der verschiedenen Häuser aus seiner und Mals Erinnerung. Schließlich in ihrem gemeinsamen Haus (bekannt aus dem Aufzugtraum) angekommen, wird offenbar, dass Cobb Mal damals die Idee ‚eingepflanzt‘ hatte, dass die aktuelle Welt nicht real sei. Die dort wartende Mal bzw. ihre Projektion deutet an, dass doch auch Cobb sich über die Realität nicht mehr sicher sei, da er sich überall gejagt und von Projektionen verfolgt fühle. Er solle sich entscheiden, im Limbus zu bleiben. Cobb erklärt, dass seine Schuld ihn immer an die Realität erinnere. Ergänzt um Rückblenden (vgl. zu der komplexen Beziehung von Ton- und Bildebene Bumeder 2014, 211–220) erzählt Cobb (voice over/Parallelmontage), wie er die erste inception bei Mal durchgeführt hatte, um sie zum Verlassen des Limbus zu bewegen: Indem er ihr totem, den Kreisel, den sie geschützt in einem Tresor aufbewahrt hatte, in Drehung versetzt hat, erzeugte er in ihr den Glauben, dass die sie umgebende Welt ein Traum ist; um aufzuwachen, ‚töteten‘ beide sich auf den Geleisen.

(b) Tresorraum mit Krankenbett als Unterphase, darin (i) Tresor mit Windrad: Indes wird eine Kette von Ereignissen, die zum Aufwachen führen sollen, in Gang gesetzt: Saito stirbt auf Ebene (4), Arthur beginnt, Eames durch das Lied zu wecken, dieser bereitet in (4) Fischers ‚Wiederbelebung‘ vor, Ariadne bemerkt diese Maßnahmen im Limbus (5) als Gewitter, der Van nähert sich dem Aufprall in (2), Arthur löst die erste Explosion des Fahrstuhlschachtes in (3) aus, Eames belebt Fischer wieder (4), Ariadne findet Fischer wieder lebendig (5). Cobb entscheidet, im Limbus zu bleiben, um Saito dort zu finden, hat aber erkannt, dass Mal nicht existiert, er sie nicht in ihrer Komplexität imaginieren und nicht wegen ihr bleiben kann. Mal greift ihn daraufhin mit einem Messer an, wird von Ariadne ‚erschossen‘, die Fischer zum Auslösen eines kicks aus dem Hochhaus stößt, der in (4) aufwacht, wo er den Tresorraum öffnet und dort seinen Vater in seinem Krankenbett vorfindet, der ihm seine letzten Worte anders auslegt („FISCHER JUN. I know you were disappointed I couldn’t be you. FISCHER SEN. No. No, no, I was disappointed that you tried“, In 2:08:03–16). Im Tresor findet er ein Windrad, das er auf einem Kindheitsfoto hatte. Eames löst auch in (4) eine Explosion aus, in (3) setzt die Schwerelosigkeit wieder ein, in (5) bemerkt Cobb, dass die Gebäude auseinandergerissen werden, Fischer erwacht in (3), dann Eames, Ariadne warnt Cobb und lässt sich in (5) fallen und erwacht in (4), dann in (3), während die Ebenentopografien zerfallen, dann in (2), während der Van aufs Wasser prallt (bis In 2:10:52). Währenddessen hält Cobb die sterbende Mal und suggeriert (?) ihr in einer möglicherweise ‚lügenden‘ Rückblende (vgl. Bumeder 2014, 212–218), wie sie zusammen alt geworden seien, beteuert, er müsse sie gehen lassen und sie stirbt.

(1?/5) Wachebene?/Rückkehr aller bis auf Cobb und Saito (In 2:12:02–2:13:23–2:15:12–2:18:39): Unter Wasser im Van in (2) erwachen Ariadne, Arthur, Yusuf, Fischer und Eames (zunächst in Brownings Gestalt) und gelangen ans Ufer; Fischer äußert sich so, dass die inception tatsächlich funktioniert zu haben scheint. Ariadne erklärt Arthur, dass Cobb Saito finden müsse, aber „he’ll be alright“ (In 2:13:18 f.). Cobb wird in (5) am Strand angespült und dann zum gealterten Saito gebracht, womit sich der Kreis zur Eröffnung des Films zu schließen scheint. Auf dem Tisch dreht sich der Kreisel, es folgt der Eröffnungsdialog in Variation:

SAITO. Have you come to kill me? I’m waiting for someone. COBB. Someone from a half-remembered dream. SAITO. Cobb? […] COBB. I’ve come back for you. To remind you of something? Something you once knew. [Kreisel] This world is not real. SAITO. To convince me to honour our arrangement. COBB. To take a leap of faith, yes. Come back, so we can be young men together again. Come back with me, come back [Saito greift nach einer Waffe]. (In 2:13:37–2:15:12)

Dann erwacht Cobb im Flugzeug (1?), die Stewardess kündigt die baldige Landung an und fragt, ob er Immigrationsformulare brauche. Die anderen Teammitglieder sind schon wach, alle wirken noch befangen, Saito tätigt einen Anruf. Dann ist Cobb in der Zollabfertigung zu sehen, blickt im Vorbeigehen alle noch einmal an und wird von seinem Schwiegervater abgeholt. In seinem Haus setzt er den Kreisel in Bewegung, sieht dann seine Kinder, die sich nun zu ihm umdrehen und ihn begrüßen. Von einer Totale des Raums schwenkt die Kamera zu dem Tisch mit dem sich weiterdrehenden Kreisel. Bevor zu verifizieren ist, ob er nach einem scheinbaren Taumeln anhalten wird, erfolgt eine Schwarzblende und der Abspann setzt ein.

Analyse und Darstellungsbesonderheiten

Abermals handelt es sich – wie schon bei der extraction, dem Eingangstraum – um einen Traum mit mehrere Traumebenen. Diese sind nicht nur hinsichtlich der ihnen zugeordneten verantwortlichen Personen voneinander unterschieden, sondern auch in Bezug auf die Orte. Erneut sind Transportmittel (Flugzeug, Van) und Architektur (Versteck, Hotel, Bergfestung) bezeichnende Gestaltungsmittel der Ebenen. Hinzu kommen die Aufzüge (zweite Traumebene und Limbus), die Röhren des Belüftungssystems in (4), durch die die Festung ‚von unten‘ betreten werden kann, die Brandung sowie der Saferaum, der Tresorraum und dort Fischer seniors Tresor als Unterphasen. Trotz der vielfach eingesetzten Parallelmontage handelt es sich jedoch nicht direkt um parallele Traumebenen (so Haydn Smith 2020, 195), da sie hierarchisch betreten werden.

Innerhalb der Traumarchitektur finden sich verschiedene Markierungen der Übergänge und filmische Gestaltungsmittel. Das Einschlafen auf der Wachebene (1) wird u.a. durch eine Großaufnahme von Fischers Hand, die schlaff zu Boden fällt, mit dem Kabel der trauminduzierenden Maschine verdeutlicht (vgl. In 1:01:26 f.), die erste Traumebene (2) beginnt dann mit einer Aufblende von Yusuf im Regen in der Stadt. Weiterhin ist diese durch Actionsequenzen mit schnellen Einstellungswechseln und unruhiger Kamera gekennzeichnet. Die zweite Traumebene (3) beginnt mit einer Nahaufnahme Fischers in der Hotelbar (vgl. In 1:21:53–55), der Übergang zur dritten Traumebene (4) wird von den hellen Vorhängen aus Cobbs Erinnerung an Mals Suizid symbolisiert, die in eine Weißblende übergehen, welche dann von einer Nahaufnahme Cobbs abgelöst wird (vgl. In 1:36:48–1:37:00). Dies deutet an, dass nunmehr auch Cobbs Bewältigung im Zentrum des Traum stehen wird. Der Übergang zum Limbus (5) ist dann wieder konventionell durch eine Nahaufnahme Ariadnes umgesetzt, die daraufhin in der geträumten Brandung aufwacht (vgl. In 1:53:43–53).

Im Rahmen von Cobbs Rekapitulation der bei Mal durchgeführten inception (In 2:01:22–2:03:45) findet sich noch eine auffällige Gestaltung deren Aufwachens (wobei es hier zu bedenken gilt, dass die vermittelnde Instanz dieser Bilder uneindeutig und unzuverlässig ist, vgl. Bumeder 2014, 213–218, 222 f.): Mal ist in einer um 90° gekanteten nahen Bildeinstellung mit dem Kopf auf den Schienen im Limbus zu sehen, dann folgen eine kurze Schwarzblende, drei subliminale Bilder (vgl. In 2:03:13), dann erwacht sie direkt in der Realität, ohne weitere Ebenen zu durchschreiten (vgl. In 2:03:13–15). Die subliminalen Bilder (Einzelbilder, nur in einem Sekundenbruchteil wahrzunehmen), die nicht genau identifizierbar sind, können auch als Zwischenschritt begriffen werden; sie wirken wie ein Blick zwischen Güterwaggons hindurch. Interessant ist auch Ariadnes Aufwachen aus dem Limbus, als sie sich nach Fischer rückwärts von einem Hochhaus stürzt (vgl. In 2:10:19–22): Dabei ist ihr Kopf in Nahaufnahme vor einer Art Rückprojektion zu sehen. Dies verdeutlicht die Irrealität der Traumumgebung und überträgt ggf. ein empfundenes Schwindelgefühl auf das Publikum. Cobbs mutmaßliches Erwachen in der Wachwelt (vgl. In 2:15:12–20) geht mit einer Großaufnahme seiner Augen einher, er blickt sich um, es folgt eine Art jump cut zu eine Halbnahaufnahme, dann wird langsam weiter auf seine Umgebung im Flugzeug herausgezoomt. Zugleich ist damit die Konzentration auf Cobbs Wahrnehmung verdeutlicht, ebenso auch seine vorübergehende Irritation und Ungläubigkeit, was die Zuschauenden gleichfalls empfinden können.

Inhaltlich liefert gerade die erste Traumebene viele wichtige Informationen für die Handlung des Films, anderes trägt zu seiner bleibenden Rätselhaftigkeit bei. Kennzeichnend für die Erklärung der Traumeigenschaften sind die Besonderheiten, wegen der Gabe eines Sedativs beim ‚Tod‘ in den limbo zu führen statt zum Aufwachen (Traum im Traum), sowie besonders Cobbs Informationen (Rückblenden) zu seinem und Mals Aufenthalt im Limbus und den gravierenden Folgen für Mal. Besonders Wiederholungselemente wie der Dialog zwischen Saito und Cobb (vgl. dazu Böhme 2013, 449; Bumeder 2014, 278 f.), das Angeschwemmtwerden „on the shore of our own subconscious“ (In 1:13:11) zu Beginn, in der Rückblende, mit Ariadne und am Ende des Films und Mals/Cobbs ‚train‘-Rezitation zählen zu den dauerhaft rätselhaften Elementen des Films. Rückblickend werden so allerdings einige der Elemente aus Cobbs Erinnerungstraum (Aufzug) zuvor deutlicher. Bedeutsam ist auch das erneute Verwenden einer Safe-Metapher, die offensichtlich auf Cobb und Mal zurückgeht, die ihren Glauben an die Realität laut Cobb mehrfach eingeschlossen hat (Haus, Puppenhaus, Safe, dort Kreisel als Symbol, vgl. In 1:14:00–12). Die zweite Traumebene (3) ist dagegen auf den Trickbetrug konzentriert, dass wie im Eingangstraum Saito nun Fischer an seinem Unterbewusstsein zweifeln soll, um zugleich dessen Wehrhaftigkeit unterwandern zu können. Auf der dritten Traumebene (4) spielt sich vor allem ein Kampf (vgl. auch Böhme 2013, 456) gegen die Projektionen (und die Zeit) ab, der sehr stark Belagerungsszenen in verschiedenen James-Bond-Filmen ähnelt (siehe unten). Zugleich ist er schließlich Schauplatz der in der letzten Minute erfolgreichen inception, als sich Fischers Wunsch nach Akzeptanz durch seinen Vater erfüllt. Der Limbus schließlich ist sehr architektural gestaltet und zugleich von den Offenbarungen über die Natur von Cobbs früherer inception bei Mal sowie die finale Konfrontation mit seinen Erinnerungen geprägt.

Hinsichtlich traumhafter Eigenschaften ist das Foto von Fischer als Kind mit einem Windrad (vgl. zuvor schon In 44:45–45:00; In 1:08:21 f., In 1:23:22) bedeutsam. Das Foto wird Teil der psychologischen Manipulation Fischers sein, innerhalb derer ihm eine positive Sicht auf seinen Vater ermöglicht werden wird, die dessen letzte Worte umdeutet. Zudem sticht Eames’ – im Unterschied zu vielen Traumdarstellungen bewusste und gesteuerte – Gestaltwandlung hervor, die kennzeichnend in einer Einstellung zutage tritt, in der er mehrfach in einem Spiegel zu sehen ist, der ihn teils schon in seiner Gestalt als Browning zeigt (vgl. zuvor schon In 45:39 f.; In 1:08:28–40). Diese Einstellung – die im Übrigen an Ariadnes Spiegel-Manipulation in Paris erinnert – wird auf der nächsten Traumebene (3) variiert, wo Eames und seine vorübergehende Gestalt einer attraktiven jungen Frau als mise en abyme im Aufzug zu sehen sind (In 1:23:15). Hier wird die eschereske Bildgestaltung innerhalb des Films mit potenzierten Spiegeln und paradoxalen Treppen fortgeführt, welche zugleich auf die Traum-im-Traum-Struktur verweist.

Die schon in der ersten Traumebene genutzte Zahlensymbolik des Safecodes wird in (3) in den Zimmernummern aufgegriffen und öffnet schließlich den Tresor in (4). Besonders die Manipulation der Zeit und des Raums, speziell der Schwerkraft, tritt in Ebene (3) in den Vordergrund. Dies äußert sich in (extremen) Zeitlupenaufnahmen (z.B. In 1:25:05 des Vans), schrägen Aufnahmen der Hotelflure, Tricksequenzen, in denen Decke und Wände, an denen Arthur und die Projektionen kämpfen, umgekehrt sind, Unschärfen und Rückansichten Arthurs, die die Zuschauenden in das Geschehen involvieren. Dabei tritt analog zum dritten Lerntraum eine Art Penrose-Treppe innerhalb des Hotels auf, die, zunächst in Aufsicht gefilmt, herangezoomt und dann durch vertikale Kamerafahrt zu einer starken Untersicht ihre „paradox[e]“ Natur dem dann von Arthur Hinabgestürzten offenbart (vgl. In 1:44:17–28). So wie einige der Kamerafahrten durch die Hotelflure an Kubricks The Shining (1980) denken lassen, kann man sich bei dieser Treppenaufnahme an Hitchcocks Vertigo (1958) erinnert fühlen, beides Filme, die im weiteren Sinne mit dem Zweifel an der Realität von Ereignissen spielen. Die Dimensionen des Limbus werden u.a. durch einen Kameraflug entlang der abbrechenden Küstenlinie (vgl. In 1:54:24–30) sowie Aufnahmen von Cobb und Ariadne in den Straßen in starker Aufsicht (Vogelperspektive/god’s eye) verdeutlicht. Wie besonders im Eingangstraum werden geradezu exzessiv Parallelmontagen der verschiedenen Traumebenen zur Orientierung wie zur Verdeutlichung der Beeinflussung der Traumebenen aufeinander eingesetzt. Darin haben in Abwandlung der Leibreiz-Theorie nicht nur die Außenwelt, sondern auch andere Traumebenen physische Einflüsse auf die Traum-Körper der Figuren und teils auch umgekehrt (vgl. auch Kiss 2012, 39 f.).

Der Abspann (In 2:18:38–2:25:34) scheint – ähnlich einer mise en abyme – die Traum-im-Traum-Strukturen noch einmal zu variieren, was sich sowohl auf der Ebene der credits wie der Tonebene zeigt: Insgesamt drei Mal ist die Titelkarte des Films zu sehen (zu Beginn, nach der ersten Nennung von Leonardo DiCaprio – des Träumers? – und am Schluss), zwei Mal die Namen der Darstellenden (einmal nur die Namen einzeln, dann gemeinsam mit der Rollenbezeichnung und der Crew). Die begleitende Filmmusik erscheint zunächst spannungsgeladen, dann zeitweilig ruhiger (ab In 2:20:26 nach der zweiten Nennung Nolans). In etwa der letzten Minute folgt Non, je ne regrette rien (ab In 2:24:22), aber (ab In 2:25:15) in anderer Abspielgeschwindigkeit, so dass es verzerrt und wie unter Wasser klingt. Der Abspann endet mit der Abblende der dritten Titelkarte und wieder spannungsgeladenem, dissonantem Score.

Funktionell steht neben Fischers erst am Ende wirklich zum Tragen kommender inception Cobbs Konfrontation mit den Erinnerungen an seine Frau und der damit therapeutische bzw. kathartische Zweck des geteilten Träumens im Mittelpunkt. Sie wird von Ariadne vorangetrieben, indem sie nachfragt, Cobb auf eigenen Wunsch begleitet und schließlich selbst das Betreten des Limbus vorschlägt. So ist zwar im Gegensatz zur Tradition (vgl. dazu Mayo 2020, 242–249) nominell keine Psychiaterin anwesend (vgl. Packer 2012, 64; Knöppler 2015, 42), dennoch erfüllt Ariadne diese Funktion. Im Limbus erreicht die Konfrontation ihren Höhepunkt. Wie schon in vorigen Träumen bemerkbar dringen Cobbs Erinnerungen wiederholt in die Traumebenen ein: Die Sequenz seiner spielenden Kinder in Rückansicht ist zwei Mal im Hotel (3) zu sehen, dann am Übergang zur dritten Traumebene (4) die Vorhänge aus dem Hotelzimmer von Mals Suizid; im Limbus (5) dann wieder die Sequenz der Kinder auf der Straße und schließlich dort durch Mals ‚Beschwörung‘, aber Cobb sieht nicht hin (vgl. In 2:00:36–38). Destruktion ist immanent: Auf allen Ebenen ist das Unterbewusstsein Fischers, aber auch mutmaßlich der anderen involvierten Träumenden oder sind zumindest die betreffenden Traumebenen vom Zerfall bedroht und Schauplatz von Gewalt, Zerstörung und Explosionen; das – wenn auch geträumte – Töten und Sterben an der Tagesordnung.

Die Gegenüberstellung mit der (wohl erinnerten) Mal, die eigentlich einen Teil seines Selbst und die verkörperte Schuld darstellt und Cobb noch einmal dazu bewegen will, für immer im Limbus zu bleiben, da dieser die Realität sei, wird diesmal für Cobb positiv aufgelöst, indem er Ariadne und Mal sowie sich selbst gegenüber seine Schuld an ihrem Zustand eingesteht, aber ausspricht, dass sie „just a shade“ (In 2:06:36) der wahren Mal sei und er sich nun wieder seinem Leben und seinen Kindern zuwenden müsse (vgl. dazu Böhme 2013, 446). Indem Jungs ‚Schatten‘-Archetypus (vgl. Jung 1960, 62; zu weiteren Differenzierungen vgl. Bumeder 2014, 112 f.) angedeutet wird, zeigt der Film zugleich seine zentrale Traumauffassung der Bewältigung der möglicherweise traumatischen Vergangenheit und Anerkenntnis des persönlichen Handelns. Der Schluss nach dem Aufwachen (?) Cobbs und seine bleibende Ambivalenz zeigen dann, dass Cobb begonnen hat, seine Vergangenheit zu bewältigen, und nun – seinem Empfinden nach zumindest – in der Realität angekommen ist. Dass seine Kinder nun älter sind (vgl. Bumeder 2014, 281 f. und credits), scheint dies zu belegen. Tatsächlich kann Cobbs Wachwelt aber auch solipsistisch als Weltflucht und Wunscherfüllung verstanden werden.

Die Einordnung des Endes ist daher unterschiedlich. Fisher meint: „‘I choose to believe that Cobb gets back to his kids,’ Nolan told Robert Capps, but this doesn’t settle the matter“ (2011, 38; so auch Floury 2011, 241). Zudem könne der Kreisel lediglich beweisen „that Cobb isn’t in his ‘own’ dream“ (Fisher 2011, 42) und sei zudem ein virtuelles Objekt (vgl. ebd.), wobei er eigentlich nur beweisen kann, dass er sich nicht im Traum einer anderen Person befindet. Der Kreisel ist also – so wie auch die mutmaßlich durch Cobbs Wahrnehmung gefilterten Erinnerungssequenzen – unzuverlässig: „First of all, Cobb’s totem is extremely unreliable as a dream detector. Arthus specifically points out, when telling Ariadne about totems, that they work only to tell you that you are ‘not in someone else’s dream.’ So, even if the top falls, Cobb could still be in his own dream“ (Johnson 2012, 2; vgl. ähnlich Miller 2012, 70). Andere Interpretierende sehen es eindeutiger als Traum, so Brophy: „At the close of Inception, Cobb finally walks away from reality, ultimately letting the simulacra of his children salve his broken heart“ (2011, 189) oder Böhme: „Die letzte Einstellung zeigt den Kreisel in wirbelnder Bewegung. Es ist doch ein Traum – der Film, der jetzt zu Ende gegangen ist, war ein Traum“ (2013, 457) – hier mischt sie intradiegetischen Figurentraum und extrafiktionale Filmwahrnehmung (siehe nächstes Kapitel).

Auch Rogy betont die Wahrscheinlichkeit eines Traums, zugleich aber auch die Irrelevanz für die Figur (vgl. 2018, 170). Tatsächlich scheint die bleibende Ambivalenz (ebenso Bumeder 2014, 287) gewollt, wie Nolans Aussage bei seiner Rede für den Abschlussjahrgang in Princeton belegt: „‘The way the end of that film worked, Leonardo DiCaprio’s character Cobb — he was off with his kids, he was in his own subjective reality. He didn’t really care anymore, and that makes a statement: perhaps, all levels of reality are valid. The camera moves over the spinning top just before it appears to be wobbling, it was cut to black’“ (Lee 2015). Kiss schlägt narratologisch gar eine Schleife vor, „[an] ambiguous diegetic loop, in which the Limbo may become reality, and reality may become Limbo“ (2012, 41).[3]

Theoretisch, so Brusberg-Kiermeier (vgl. 2016, 232–234) mit Tallmann und Johnson, existieren sogar sieben Deutungsweisen des Endes, die jedoch in ihrer Wahrscheinlichkeit variieren:

  • a) Der Film stellt die Wachwelt dar, außer Träume sind eindeutig markiert; am Ende kehrt Cobb zu seinen Kindern zurück.
  • b) Der Film spielt außer bei markierten Träumen in der Wachwelt, aber am Ende befindet sich Cobb in einem Traum bzw. immer noch im Limbus.
  • c) Die Handlung spielt mit Ausnahme markierter Träume in der Wachwelt, aber als Cobb in Mombasa in der ‚Opiumhöhle‘ träumt, gelangt er in eine Traumwelt.
  • d) Die Rahmenhandlung mit Cobb, der an einer Küste angespült und von Saito aufgegriffen wird, ist real, der Rest sind Erinnerungen der beiden, wobei der Schluss ebenfalls geträumt ist.
  • e) Alles ist geträumt, auch die vermeintlichen Wachwelt-Sequenzen, da Cobb und Mal nie aus ihren Träumen in die Wachwelt zurückgekehrt, sondern höchstens auf einer höheren Traumebene aufgewacht sind.
  • f) Alles ist von Cobb geträumt, aber Mal ist erwacht und versucht, ihn zu wecken.
  • g) Alles ist von Cobb geträumt, der sich im Limbus befindet.

Wie gleich noch zu sehen sein wird und Christian Bumeder in seiner Dissertation gezeigt hat, ist das, was Cobb in einer Mischung von Kontaminations- und Zeugungsmetapher (vgl. Jahraus 2010, 5) über die inception sagt – eine Abwandlung seines Monologs gegenüber Saito im Eröffnungstraum – auf den Film sowie alle daraus entstehenden Theoretisierungen anzuwenden:

COBB. There’s something you need to know about me, about inception. [Ebene 4] An idea is like a virus, resilient, highly contagious. The smallest seed of an idea grow up. It could go and define a story. MAL. … the smallest idea, such as ‘Your world is not real’. The simple little thought that changes everything. (In 1:28:04–48)

Welt als Traum? Skeptizismus als Strategie

Das Ende des Films offenbart außer der entscheidenden, nicht eindeutig auflösbaren Schlussambivalenz, so Bumeder, auch eine spezifische Erzählstrategie, die er ‚mediale Inception‘ nennt. Diese hängt damit zusammen, dass nicht nur innerhalb der filmischen Erzählung Figuren wie daraus resultierend Zuschauende getäuscht werden bzw. sich selbst täuschen (vgl. auch Fisher 2011, 38; Knöppler 2015, 46), sondern auch, dass in einem erweiterten diegetischen Modell auch weitere Instanzen, dazu die filmische Erzählinstanz, sowie explizit extradiegetische Entitäten wie der Regisseur Nolan und die Filmcrew an einer gemeinsamen Täuschung mitwirken (vgl. Bumeder 2014, 163–199). Als Bewusstseinsfilm nutzt Inception dabei gezielt Strategien des unzuverlässigen Erzählens wie Wiederholungen (vgl. ausführlich zu den Strategien Bumeder 2014, 221–283), verschiedene narrative Instanzen und unterschiedliche Vermittlung in Form von Diskrepanzen zwischen Gezeigtem und Gesagtem und thematisiert bewusstseinsbezogene Aspekte wie Erinnerungen, Trauma und Verdrängung sowie komplexe Traumformen, um die Zuschauenden in ein Geflecht der Hinweise und falschen Fährten hineinzuziehen, das nicht mehr zu entwirren ist. Dabei wird, so Eichner, trotz des prinzipiellen ‚Spiel‘-Charakters die agency der Rezipierenden reduziert (vgl. 2014, 185), während wiederholtes Sehen und Diskutieren sie wieder erhöhen könne (vgl. ebd., 186).

Dies kann, wie auch Jahraus andeutet (vgl. 2010, 1), einerseits zu Nachdenken über die Natur des Bewusstseins sowie ergänzend philosophisch der Wahrnehmung und des Wissens führen und andererseits zur Reflexion des filmischen Mediums an sich. Der philosophische Skeptizismus lässt uns daran zweifeln, ob wir überhaupt die Fähigkeit haben, festzustellen, ob wir real existieren und gerade wach sind (siehe als populäres Beispiel The Matrix, 1999, Regie: The Wachowskis). Der Gedanke von der ‚Welt als Traum‘ bzw. dem Zweifel an der Unterscheidbarkeit hat kulturgeschichtlich berühmte Vorläufer von Zhuangzis Schmetterlingstraum (3./4. Jhd. v. Chr.) über Calderóns La vida es sueño, Berkeleys Principles of Human Knowledge (1710, dort als Gottesbeweis zurückgeführt) zu Descartes (Verweis auch bei Jahraus, vgl. 2010, 2; vgl. Schmidt et al. 2019, 265 f.). Inception führt den zunehmenden Zweifel an der Existenz (ontologisch) und der Erkenntnisfähigkeit darüber (epistemologisch) weiter, bis hin zu einem möglichen „epistemic vertigo“ (Pritchard 2015, 6 f.), in den die Rezipierenden geraten können (vgl. zu Inception als ‚inversion‘ Kiss 2012, 41 f.). In Nolans Werk habe sich, so Mark Fisher, der Fokus von dem epistemologischen Problem des unzuverlässigen Erzählens hin zu einem umfassenden ontologischen Zweifel verschoben (vgl. 2011, 37; dagegen als „epistemic uncertainty“ Schubert 2019, 145) oder auch – wie James T.M. Miller zuspitzt: „If we can’t know whether Mal was dreaming, we can’t know whether we are dreaming“ (Miller 2012, 63). Dennoch ist zumindest außerhalb des Films philosophischer Pragmatismus erforderlich, denn „Life in a state of radical skepticism is impossible; you would not be able to function properly if you seriously doubted that the objects you are interacting with are not real“ (ebd., 72).

Zugleich reflektiert Inception auch den Film als Medium und die mögliche Verwandtschaft von Filmrezeption und Träumen, „den alten Topos vom Film als Traum, aber auch vom Traum als Film“ (Jahraus 2010, 5; vgl. dazu Brütsch 2011a, 21–90 und filmphänomenologisch Morschett 2022; Taubin und Nolan 2010, 32; Steierer 2011; Böhme 2013, 457; Brophy 2011, 89 vergleicht es mit virtuellen Welten; ebenso Elsaesser 2018, 6 f.). Werden, wie Nolan selbst anregte (vgl. u.a. Taubin und Nolan 2010, 33 f.), die Rollen der Figuren in den geteilten Träumen hier mit denen bei der Produktion eines Films gleichgesetzt (vgl. auch Jahraus 2010, 5; Fisher 2011, 40 mit Faraci), so vervielfacht sich gewissermaßen die Produktions- und Rezeptionssituation und lässt eine Metanarration entstehen. Das geteilte Träumen symbolisiert dabei quasi das Teilnehmen am Filmerlebnis: „Dass man in die Träume anderer einsteigt, dort deren unbewusste Abenteuer miterlebt und selbst zum imaginativen Helden werden kann, dass man Geschichten erlebt, die wiederum andere Geschichten als Träume enthalten können, ist ja nichts anderes als eine grandiose Filmmetapher“ (Jahraus 2010, 5). Jahraus geht so weit, Inception als „Film aller Filme, die Mutter aller Filme und im Überschwang erster Begeisterung das Ende aller Filme“ zu bezeichnen (Jahraus 2010, 1), wogegen Sabine Schlickers dieses ‚Ende‘ als Endpunkt auffasst: „Weil jeder Exzess kurzlebig ist, scheint auch die exzessiv rätselhafte Erzählung an ihr Ende gelangt zu sein. Ihr forciert wirkender Gebrauch in Christopher Nolans Inception (2010) könnte als Indikator für diesen Befund herangezogen werden“ (2015, 63). Folgende mindestens ebenso komplexe Filme und Serienfolgen allerdings widersprechen (vorerst) dieser Einschätzung.

Traum-im-Traum-Strukturen anhand des Beispiels

Inception vereint mehrere Formen von Traum-im-Traum-Strukturen nach meiner Definition (Endnote 1). Besonders im Eingangstraum und dem ersten Lerntraum zählt dazu die Abwandlung des aus der Forschung zum luziden Träumen bekannten false awakening (falsches Erwachen; vgl. Green 1968, 117; Green und McCreery 1994, 65). Anders als dabei wird beim ‚falschen Wachsein‘ hier kein explizites scheinbares Erwachen gezeigt, sondern stattdessen der Eindruck verstärkt, es handle sich um die Wachrealität (siehe Brütschs ‚retroaktiver Modus‘). Erst nach und nach wird dann den Figuren (und Zuschauenden) bewusst, dass sie sich in einem (potenzierten) Traum befinden. Diese Täuschung hat als kennzeichnendes Merkmal, dass geträumtes Geschehen zunächst als real angenommen wird (vgl. ähnlich zum Film Eichner 2014, 184). Falsches Erwachen taucht zusätzlich speziell im Eingangstraum auf, wo das Geschehen in Saitos Wohnung nach dem ‚Erwachen‘ aus der vorigen Ebene zunächst als Wachwelt verstanden werden kann, bevor es sich als Teil einer weiteren Traumebene entpuppt. In der inception dagegen ist bis auf Fischer allen Teilnehmenden (sowie den Zuschauenden) im Vorhinein bewusst, dass sie sich in einem Traum im Traum befinden. Die Erwachen aller bis auf Cobb und Saito am Ende sind daher bis auf das letzte eher als geträumte Erwachen zu verstehen.

Eine andere Traum-im-Traum-Struktur in Inception betrifft den Traum im Traum in Kombination mit einer Twist-Struktur. Sowohl die extraction wie die inception bestehen aus mehreren Traumebenen (Traum im Traum; im Film auch mehrfach so benannt), die zudem eine gewisse Länge haben, die Erinnerungen im Aufzug aus mehreren örtlich abgegrenzten Traumphasen. Bei der extraction besteht ein Twist darin, dass wie beschrieben im Nachhinein erst der Traumstatus offenbart wird, was sich dann nochmals wiederholt. Die inception hingegen beinhaltet über die unvorhergesehenen Wendungen während des Traumgeschehens (die Offenbarungen zu Cobb und Mal, zum Limbus) hinaus die sich in die (mutmaßliche) Wachrealität ausdehnende Ambivalenz, die Ungewissheit darüber, ob auch Cobb schließlich erwacht ist oder in der Traumwelt seiner Erinnerungen an seine Kinder weiterexistiert. Außergewöhnlich im Unterschied zu anderen Werken (insbesondere Filmen) dieser Form ist die Ordnung der Ebenen, ihre ‚Linearität‘ (vgl. Hänselmann 2019, 29), die oberflächlich die paradoxen Strukturen einer Penrose-Treppe gerade nicht umsetzt (vgl. Fisher 2011, 42) – jedoch ggf. durch die Schlussambivalenz und andere erzählerische Inkongruenzen.

Wie in den Analysen dargelegt, bestehen darüber hinaus weitere Traum-im-Traum-Strukturen in Verbindung mit geteilten Träumen (shared dreams), also indem eine Person den Traum einer anderen betritt oder sich mehrere Träumende einen gemeinsamen ‚Traum-Raum‘ teilen. Dazu zählen sowohl die in nahezu allen Träumen des Films (bis auf Cobbs kurze Erinnerungs-flashbacks) vorkommende Trauminvasion sowie die Traummanipulation eines Subjekts speziell in extraction und inception (vgl. zur Tradition der Gedankenspionage ausführlich Haupt 2006). Außerdem sind die mehrlagigen Träume dort so gestaltet, dass einzelne Traumebenen von verschiedenen Teammitgliedern mit spezifischen Aufgaben verantwortet werden, was eine Novität darstellt. Das geteilte Träumen ähnelt konzeptionell dem geteilten Traum-Raum in On Body and Soul und kann potenziell als Weiterentwicklung von Parallelträumen wie im Decamerone (iv.6) gelesen werden.

Einflüsse und (traumbezogene) Intermedialität

Inception ist reich an Referenzen auf Genres und Intertexte (weitere auch vgl. Eichner 2014, 185). Wie erwähnt steht es in der Tradition der Trauminvasionsfilme, deren mutmaßlich erster populärer Vertreter der Science-Fiction-Film Dreamscape (1984) ist. Ebenso wie der im gleichen Jahr entstandene Horrorfilm A Nightmare on Elm Street, der gleich ein ganzes Franchise begründete, behandelt Dreamscape geteiltes Träumen. Anders als in A Nightmare, wo die Träume für die Figuren Orte des Schreckens und des Todes sind und eine „Traumentgrenzung“ (Brütsch 2011, 372) festgestellt werden kann, bilden hier Nutzen und Gefahren ein Gleichgewicht. Das Betreten der Träume kann außer einer ähnlich wie in Inception stattfindenden politisch-manipulativen Nutzbarmachung auch therapeutisch wirken, was in Inception implizit ebenfalls vorhanden ist (vgl. Mayo 2020, 259; Ariadnes Unterstützung Cobbs, vgl. auch Rogy 2018, 171; die positive Veränderung von Fischers Einstellung zu seinem Vater, vgl. Jahraus 2010, 4).

Ein wichtiges Element bildet dabei die Variation der ‚Wer im Traum stirbt, erwacht‘-Idee: In Inception sorgt geträumtes Sterben (außer unter Einfluss eines Sedativs) für Aufwachen vor Ablauf der vorgesehenen Zeit, während in A Nightmare on Elm Street und Dreamscape der geträumte Tod meist auch den Tod in der Wachwelt nach sich zieht. Auch ein Schlusstwist (Schubert: „pseudo-twist“, 2019, 147), der den Realitätsstatus noch einmal hinterfragt, ist dieser Art von Filmen mit geteilten Träumen gemeinsam, ebenso die gehäufte Verwendung des Wortes mind (vgl. Bumeder 2014, 307–310), was dessen Bedeutung hervorhebt und sie konzeptionell als mindgames (nach Elsaesser) bzw. Bewusstseinsfilme (vgl. Bumeder 2014, 50; zur Begriffsdifferenzierung ebd., 39–54) oder puzzle films (nach Bordwell, Eichner 2014, 184) ausweist.

In Anlehnung an Jahraus (‚konservativ‘ vs. ‚progressiv‘) unterscheidet Bumeder verschiedene Möglichkeiten, wie solche dargestellten Träume betreten werden können: ‚mental oder medizinisch-chemisch‘ vs. ‚medial bzw. medientechnisch‘ (vgl. Bumeder 2014, 124–134), wobei Inception zu letzterer Art in markierter Form gehört (vgl. ebd., 126). Wie beschrieben wird Inception zwar u.a. als Science Fiction (SF) bezeichnet, doch mutet die dargestellte Welt realistisch an, abgesehen von der den Traum einleitenden und aufrechterhaltenden Technologie. Damit ist sie wie das Genre „durch ein Novum aus[ge]zeichnet […], ein wunderbares, (noch) nicht mögliches Element, das die Handlungswelt entscheidend prägt“ (Spiegel 2018, 2 f.).

Die wirkmächtigsten weiteren Genreelemente entstammen sicherlich dem erwähnten Heist-Movie, dem auch viele Begriffe im Austausch des Teams zugehören (wie mark, thief, forger). Cobbs Hintergrundgeschichte birgt Drama-Elemente. Knöppler meint lakonisch: „In a nutshell, Inception is a heist thriller with a redemption story, only it takes place inside someone’s head“ (2015, 42). Insbesondere das Szenario um die verschneite ‚Bergfestung‘ mit Ski-Verfolgungsjagden lässt an diverse, meist von Willy Bogner choreografierte James-Bond-Filme denken wie On Her Majesty’s Secret Service (1969; vgl. ebenso Fisher 2011, 40) und die Eröffnungssequenzen von The Spy Who Loved Me (1977) und A View to a Kill (1984), die Klettersequenz zudem an For Your Eyes Only (1981; vgl. auch allgemein zur Bond-Parallele Koebner 2018, 164). Taubin erinnert es dagegen an Spellbound (vgl. Taubin und Nolan 2010, 32).

Außer der genannten Invasions-Tradition wurde nach dem Erscheinen von verschiedener Seite eine Parallelität zu dem japanischen Anime-Film Paprika (2006) vermutet (vgl. differenzierter Vergleich in Wardlow 2017). Des Weiteren finden sich in dem Scrooge-McDuck-(Dagobert-Duck-)Comic The Dream of a Lifetime (2002) von Don Rosa Ähnlichkeiten (vgl. u.a. O’Neal 2010), die bis auf die Zugfahrt als Traumebene (vgl. Rosa 2019, 200, Panel 3.2, 4.1 f.), eine ähnliche Maschine („brain-scanner“, vgl. Rosa 2019, 186, Panel 3.1) sowie die Intention der Panzerknacker, Zugang zu Dagoberts Geld durch das Eindringen in seine Träume zu erlangen, reichen. Relativ neuartig an Inception in Bezug auf Traum-im-Traum-Strukturen ist die Kombination von vielen Traumebenen und geteiltem Träumen: „Inception’s greatest innovation is its nested narrative structure“ (Mayo 2020, 259), wobei in dem Film bis auf Einstieg und Ausstieg (in Anlehnung an Bumeder) die Orientierung der Ebenen erleichtert ist. Nachfolger ähnlicher Bauart ist etwa Anna (Mindscape, 2013, Regie: Jorge Dorado). Bumeder listet diverse Parodien (vgl. 2014, 75), u.a. in den TV-Serien The Simpsons und South Park.4

Der Name des limbo, des „unconstructed dream space“ (In 1:05:50) unterhalb der vorbereiteten Ebenen, erinnert konzeptuell an die katholische Bezeichnung (‚Limbus‘) für Vorhölle oder Fegefeuer und könnte außerdem in Verbindung mit Dantes Purgatorio gelesen werden. Die dargestellten Konstruktionen ‚unmöglicher‘ Welten mittels der Penrose-Treppe und des infinity mirror lassen gleichfalls an darauf beruhende zeichnerische Darstellungen M.C. Eschers denken (vgl. zu Traumanalogien im Werk von Escher Kreuzer 2014, 368–371; in Inception Kiss 2012, 41; Knöppler 2015, 43; Malomfălean 2015, 151; Elsaesser 2018, 24), wobei festzustellen ist, dass diese an sich keine (markierten) Traumdarstellungen sind, sondern lediglich eine traumähnliche Wirkung erzielen können. Auch Lewis Carrolls Through the Looking-Glass (1871) behandelt einander potenziell enthaltendes geteiltes Träumen, doch steht dabei die Paradoxie im Vordergrund. Dennoch besteht eine thematische Verbindung, denn ebenso wie Alice sich dort die Frage stellen muss, in wessen Traum sie sich befindet, ist „[t]he question of whether Cobb is still dreaming or not at the film’s end […] ultimately too simple. For there’s also the problem of whose dream Cobb might be in, if not his ‘own’“ (Fisher 2011, 45). Édith Piafs Chanson Non, je ne regrette rien wird nicht nur zum Wecksignal und musikalischen Leitmotiv, das in verschiedenen Träumen in unterschiedlicher Verformung (Hall, Ton-Abblende) Anwendung findet (Ebene 3 des Eingangstraums, zweiter Lerntraum, inception, Abspann), sondern klingt auch inhaltlich nach, steht der Text doch im Widerspruch zu Cobbs zunächst unbewältigter Vergangenheit.

Potenziell sind traum- und filmbezogene Verweise unendlich, oder in Nolans Worten: „This is a story about people sharing a dream, so you want to be limitless in your references“ (Taubin und Nolan 2010, 32); er selbst zählt dazu retrospektiv auch L’année dernière a Marienbad (1961, Regie: Alain Resnais).

Einordnung

Eine der wichtigsten Eigenschaften der Träume in Inception ist, dass oft ein – wenn auch nicht unbedingt sofort und bei allen Teilnehmenden vorhandenes – Bewusstsein über den Status als Traum vorliegt, wodurch die in jüngerer Zeit mehr in den Fokus gerückte Praxis des lucid dreaming (Klarträumens) thematisiert wird (vgl. zu verschiedenen möglichen Rollen in entsprechenden Darstellungen Buchheit 2020). Nicht immer wird das Träumen direkt eindeutig markiert. Gerade die prekären Aspekte machen aber den Reiz der Technik in dem Film aus, dann nämlich, wenn der Traumstatus in Erinnerung an den ‚Welt als Traum‘-Gedanken nicht oder falsch erkannt wird oder, wie am Ende, sogar ungeklärt bleibt, spannt sich ein Bogen zu grundlegenden ontologischen und epistemologischen Fragestellungen wie: Ist unsere Welt real? Träumen wir vielleicht gerade? Können wir überhaupt Wissen darüber erlangen?

Der Umstand, dass in den Träumen Dialoge wie in der Wachwelt geführt werden – im Übrigen nimmt bei den Erklärungen zur Traumtechnik das telling großen Raum ein –, dabei (zunächst) kaum als traumtypisch angesehene inhaltliche Bizarrerien auftreten („how undreamlike the dreams in the film are“, Fisher 2011, 40) und diese sich auf einzelne raumzeitliche Phänomene wie Zeitdehnung und Verformung des Raums im Sinne mathematisch-physikalischer Paradoxien beschränken (Eichner nennt noch Eames’ Gestaltwandel und Cobbs Halluzinationen, vgl. 2014, 183; Brusberg-Kiermeier das Schauspiel, vgl. 2016, 239), ist zugleich auch medial erklärbar. Zum einen bedeutet es einen geringeren Unterschied zum Drehen von Wachwelt-Sequenzen, zum anderen folgt Inception zum Teil der filmhistorischen Tradition des ‚retroaktiven Modus‘, die Zuschauende durch nachfolgende Offenbarung erst in den Traumstatus einweiht und die vorherige Täuschung erkennbar macht (Brütsch 2011b nennt es ‚filmischer Prototyp‘ des unzuverlässigen Erzählens); vermeintliche Außenperspektiven zeigen sich dann als Innenperspektiven (unsichtbare interne Fokalisierung). Außerdem steht Inception damit in der Reihe von Bewusstseinsfilmen, die in den 1990–2010er Jahren einen Boom erlebt haben und sich filmnarratologisch durch Fokussierung auf Innenwelten, Täuschung und narrative Unzuverlässigkeit auszeichnen. Nicht vergessen werden sollten die dennoch spektakulären Effekte in Erinnerung an das frühe cinema of attractions (vgl. Brütsch 2011a, 394 nach Gunning) der sich zerstörenden Traum-Gebäude, der Verformung der Pariser Boulevards oder visuellen Paradoxa, die zugleich, wie der scheinbar unendliche Spiegel als mise en abyme, als Metaphern für Traum im Traum wie Weltenkonstruktion verstanden werden können.

Neben dem Klarträumen zeigt der Film weitere Traumkonzepte, die auch an bekannte Traumtheorien gebunden sind. Die eben beschriebene wachwelt-ähnliche Gestaltung der Träume bedingt auch, dass Traum bzw. das Unterbewusstsein der Träumenden topografisch als Orte (Landschaft, Architektur, Aufzug) realisiert sind, wobei ganze Städte kreiert werden, mit der Traumebene instabil werden und ‚zusammenstürzen‘ (vgl. zur metropolen Zerfallsästhetik Koebner 2018, 165; zur Verwendung von Landschaftssymbolik in ‚inneren Topografien‘ Mayo 2020, 259–261; in Inception Knöppler 2015; Malomf?lean 2015, 150; im Kontext von Städteträumen Oster 2022, 578–580). Sie werden aus Erinnerungsbestandteilen erstellt (Tagesreste-Konzept) und können ‚von außen‘ beeinflusst werden (Leibreiz-Konzept). Die Besonderheit liegt jedoch darin, wie beim ‚Wassereinbruch‘ in der extraction oder der ‚Schwerelosigkeit‘ in einer tieferen Traumebene in der inception, dass dies von einer weiteren Traumebene aus geschieht, wodurch Traumtheorien immanent reflektiert werden. Objekte nehmen darin auch symbolische Funktion ein, so der Aufzug als Mittel, ‚in die Tiefen‘ von Cobbs Unterbewusstsein vorzudringen, und die Metaphorik des Einschließens von Geheimnissen in geträumten ‚Safes‘ als ‚(T)Räume im (T)Raum‘.

Zusätzlich wird das Unterbewusstsein in Analogie zum Immunsystem des menschlichen Körpers inszeniert, in dem wehrhafte projections Eindringlinge angreifen. Damit und auch durch die gezeigte Manipulierbarkeit und Kapitalisierbarkeit des Wissens durch Zutritt zum Unterbewusstsein via Traum werden die mehrlagigen Träume wortwörtlich zu Schlachtfeldern (vgl. ebenso Fitsch 2018, 117) mit Kämpfen, Explosionen, Anschlägen und geträumten Toden, wobei die moralische Komponente der Traumspionage kaum hinterfragt wird (vgl. Koebner 2018, 163). Zugleich gilt das ritualisierte Inszenieren von Träumen (Trauminkubation, vgl. Engel 2017, 34–36) auch therapeutischen Zwecken wie der Heilung von vergangenen Versehrungen im Kontext des Hollywood-Bewusstseinsfilms (vgl. zum therapeutischen Zweck auch Floury 2011, 234). Knöppler argumentiert, dass abseits einer vereinfachenden Bewusstseinsrepräsentation dabei eher der Versuch einer Selbstkonstruktion (Cobbs) verdeutlicht werden soll (vgl. 2015, 45). Dromms Abgleich mit empirischer Traumforschung zeigt dagegen oft Unzulänglichkeiten (vgl. Dromm 2012; vgl. anders Bulkeley 2010). Nolan zufolge war eine getreue Wiedergabe gar nicht seine Absicht: „No, it’s all just stuff I made up“ (Taubin und Nolan 2010, 34).

Das topografische Verständnis von (geteilten) Träumen mit seiner Tiefensymbolik (vgl. auch Mayo 2020, 241) kann in Anlehnung an Freuds ‚topografisches Modell‘ gesehen werden, in dem das Unbewusste den Teil des ‚Eisbergs‘ darstellt, der sich unter der Oberfläche befindet, oder an Jungs ‚Haus‘-Metapher (vgl. Knöppler 2015, 44, bzw. sogar, mit Fiedler, als Teil eines Gothic Manor, vgl. ebd.). „Christopher Nolan’s film presents the aspect of the Freudian unconscious with all its twists and turns“ (Floury 2011, 233): Weitere (populär-)psychoanalytische Referenzen (vgl. so auch Jahraus 2010, 2; Fisher 2011, 45; Knöppler 2015, 44, 46) umfassen die Rolle von Objekten, Verdrängung, schwieriges Vaterverhältnis, (scheiternde?) Wunscherfüllung sowie die Auffassung, dass geträumte Personen jeweils nur Ausprägungen der Persönlichkeit des träumenden Subjekts sein können (Jungs ‚Subjektstufen‘; vgl. Jung 1960, 96; 1972, 86; Sharp 1991, 128 f.; Engel 2018, 41); außerdem ist der Limbus als ‚kollektives Unbewusstes‘ lesbar. Damit zeigt Inception eine Tendenz gegenwärtiger Bewusstseinsfilme, die sich nicht auf eine inhärente Traumauffassung beschränken, sondern darin vielmehr eklektisch sind. Traum in Inception ist also offenbarend (in Bezug auf Charakter und Psyche der Träumenden) wie verdeckend (hinsichtlich von Geheimnissen, Täuschungen und des Traumstatus), dient der plotbezogenen fortschreitenden Informationsvergabe und dem Spannungsaufbau, ist analysierbar wie manipulierbar, spektakelhaft und dennoch mitunter schwer von der Wachwelt zu unterscheiden.

Genreelemente wie Mals (vgl. „le mal“ in Piafs Chanson) von Cobb projizierte wie im Film stereotypisierte Rolle als femme fatale des Film Noir (vgl. zu Mal als ‚schöner Leiche‘ Rogy 2018, 168 f.; ihrem Ausschluss zugunsten männlicher Persistenz Schubert 2019, 169) oder Ariadnes Funktion als Führerin aus dem Traum-Labyrinth sind ebenfalls Teil eines intertextuell-intermedialen Netzes, das auch viele filmische Vorgänger und Traumreferenzen umfasst; Nolans Stil ist „a certain kind of neo-noir“ (Fisher 2011, 37). Anders als in anderen Filmen des Traum im Traum mit Twist-Struktur sind Verweise jedoch weniger darauf angelegt, den Traumstatus explizit zu verdecken. Inception steht vorläufig am relativen Ende einer Reihe sich immer komplizierender Traum-im-Traum-Strukturen, die in jüngerer Zeit auch kombiniert vorkommen können, wobei innerhalb des Traum im Traum durch die beherrschenden filmischen Mittel der Zeitlupe und besonders der Parallelmontage die Orientierung erleichtert (und eben nicht „jeder Ebenenunterschied […] relativiert“, Jahraus 2010, 3) und die Schlussambivalenz nicht durch Phantastik (nach Durst 2010) weiter verunklart wird.

Kathrin Neis

Literatur

Film

Inception. Regie und Drehbuch: Christopher Nolan. Kamera: Wally Pfister. USA/UK 2010; DVD-Edition Warner Bros. Zitiert als In mit Timecode.

weitere zitierte Medien

Rosa, Don: Uncle Scrooge: The Dream of a Lifetime. In: Ders.: The Complete Life and Times of Scrooge McDuck, First Fantagraphics Books Ed. Seattle: Fantagraphics Books 2019, 185–209.

Quellen

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  • Lee, Ashley: Christopher Nolan Talks ‘Inception’ Ending, Batman and “Chasing Reality” in Princeton Grad Speech. In: The Hollywood Reporter, 01.06.2015; https://www.hollywoodreporter.com/movies/movie-news/christopher-nolan-princeton-graduation-speech-799121/.
  • Taubin, Amy/Nolan, Christopher: Dream Work [Text und Interview]. In: Film Comment 46 (2010), 30–35.
  • Jung, C. G.: Über die Psychologie des Unbewussten. 7., vermehrte und verbesserte Aufl. von ‚Das Unbewusste im normalen und Kranken Seelenleben‘. Zürich und Stuttgart: Rascher-Verlag 1960.
  • Jung, C. G.: Traumsymbole des Individuationsprozesses. In: C. G. Jung: Gesammelte Werke. Zwölfter Band: Psychologie und Alchemie, hg. von Dieter Baumann/Lilly Jung-Merker/Elisabeth Rüf. Olsten und Freiburg i. B.: Walter 1972, 59–264.
  • Truffaut, François/Scott, Helen G.: Mr. Hitchcock, wie haben Sie das gemacht? Hg. von Robert Fischer, übersetzt von Frieda Grafe und Enno Patalas. 6. Aufl. München: Wilhelm Heyne Verlag 2010.
  • IMDb-Eintrag siehe Links

Forschungsliteratur

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  • Böhme, Isolde: Vom Träumen der (virtuellen) Realität. „Inception“ – Regie: Christopher Nolan. In: Parfen Laszig (Hg.): Blade Runner, Matrix und Avatare. Psychoanalytische Betrachtungen virtueller Wesen und Welten im Film. Berlin/Heidelberg: Springer 2013, 443–59.
  • Brophy, Matthew: Shared Dreams in Virtual Worlds. In: Thorsten Botz-Bornstein (Hg.): Inception and Philosophy. Ideas to Die For. Chicago: Open Court 2011, 189–202.
  • Brütsch, Matthias: Traumbühne Kino. Der Traum als filmtheoretische Metapher und narratives Motiv. Marburg: Schüren 2011. [= 2011a]
  • Ders.: Von der ironischen Distanz zur überraschenden Wendung. Wie sich das unzuverlässige Erzählen von der Literatur- in die Filmwissenschaft verschob. In: Kunsttexte 1 (2011), 1–15; https://edoc.hu-berlin.de/bitstream/handle/18452/8107/bruetsch.pdf . [= 2011b]
  • Brusberg-Kiermeier, Stefani: „To sleep, perchance to dream – ay, there‘s the rub“. Christopher Nolans INCEPTION und seine Träumer. In: Angela Fabris/Jörg Helbig (Hg.): Science-Fiction-Kultfilme. Marburg: Schüren 2016, 223–240.
  • Buchheit, Carolin: Jeder Klarträumer ein Poet? Vom Künstler- und Spielersubjekt im luziden Traum“. In: Matthias Fechner/Henrieke Stahl (Hg.): Subjekt und Liminalität in der Gegenwartsliteratur. Schwellenzeit – Gattungstransitionen – Grenzerfahrungen. Sergej Birjukov zum 70. Geburtstag. Berlin: Peter Lang 2020, 451–463.
  • Bulkeley, Kelly: The Inception Files. In: Kelly Bulkeley. Dream Research & Education (blog), 06.07.2010; https://bulkeley.org/lucid-dreaming-inception-fact/.
  • Bumeder, Christian: „Mediale Inception“. Zu einer Theorie des Bewusstseinsfilms. Würzburg: Königshausen und Neumann 2014.
  • Dromm, Keith: Do Our Dreams Occur While We Sleep? In: David Kyle Johnson (Hg.): Inception and Philosophy. Because It’s Never Just a Dream. Hoboken, N.J.: Wiley 2012, 231–246.
  • *Durst, Uwe: Theorie der phantastischen Literatur. Aktualis., korrig. u. erw. Auflage. Berlin: LIT-Verlag 2010 [1998].
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Weblinks

Anmerkungen

  1. Definition und Formen nach meiner Dissertationsschrift (Erscheinen voraussichtlich Ende 2023 bei Fink).
  2. Erzähltheoretisch werden Träume und darauf basierend auch Traumebenen häufig mit diegetischen Ebenen (Erzählebenen) gleichgesetzt, so etwa bei Genette (vgl. 2010, 149f.) und filmnarratologisch bei Markus Kuhn (vgl. 2011, 152, 285f.) und Bumeder (vgl. 2014, 260f.). Mit Matthias Brütsch (vgl. 2011a, 255f.) nehme ich aber an, dass es sich nur dann um eine diegetische Ebene handelt, wenn diese auch explizit von einer Figur erzählt wird. In Inception ist insofern eine Sondersituation gegeben, als es deutlich erzählte/fokalisierte Partien gibt (v.a., wenn Cobb Ariadne von Mal erzählt). Diskutabel ist, ob die oft einer Person zugeordnete Verantwor-tung für eine Traumebene ebenfalls als ‚erzählt werden‘ angesehen werden kann. Kiss spricht von „illusory metalepsis“ in diesem Zusammenhang (2012, 37), aber bei den Traumleveln ebenfalls von vier ‚hypodiegeti-schen Ebenen‘ (vgl. ebd., 38) – das ist Mieke Bals analoge Bezeichnung zu Genettes ‚intra-, meta-, metameta-diegetisch‘ etc. Siehe auch die Untersuchung im Sinne der Possible Worlds Theory (PWT) in Lugea 2013.
  3. Eine einschlägige Umsetzung dieses Topos ist Cortázars La noche boca arriba (1956); vgl. auch Sherlock, „The Abominable Bride“ (2016).

Zitiervorschlag für diesen Artikel:

Neis, Kathrin: "Inception" (Christopher Nolan). In: Lexikon Traumkultur. Ein Wiki des Graduiertenkollegs "Europäische Traumkulturen", 2023; http://traumkulturen.uni-saarland.de/Lexikon-Traumkultur/index.php?title=%22Inception%22_(Christopher_Nolan) .