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! colspan="2" |[[Datei:In 22524.png|rand|ohne|mini|Die letzte Titelkarte des Films (In 2:25:24).]]
 
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Am Anfang des Films nach den Studiotiteln befindet sich zunächst eine '''Prolepse''' (dazu später; vgl. Eichner 2014, 183; Rogy 2018, 169): Ein Mann (Cobb) wird, offenbar in Asien, an einem Strand angespült, zwei Kinder werden im Sand spielend in Zeitlupe gezeigt, der Mann wird von einem Bewaffneten zu einem Japaner (Saito) gebracht. Außer einer Schusswaffe trägt der Mann einen kleinen Kreisel bei sich. Der alte Japaner erwähnt, vor langer Zeit („many, many years ago“, In 02:19 f.) schon einmal ein solches Objekt gesehen zu haben.
 
Am Anfang des Films nach den Studiotiteln befindet sich zunächst eine '''Prolepse''' (dazu später; vgl. Eichner 2014, 183; Rogy 2018, 169): Ein Mann (Cobb) wird, offenbar in Asien, an einem Strand angespült, zwei Kinder werden im Sand spielend in Zeitlupe gezeigt, der Mann wird von einem Bewaffneten zu einem Japaner (Saito) gebracht. Außer einer Schusswaffe trägt der Mann einen kleinen Kreisel bei sich. Der alte Japaner erwähnt, vor langer Zeit („many, many years ago“, In 02:19 f.) schon einmal ein solches Objekt gesehen zu haben.
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Der '''Eingangstraum''' (In 02:41–14:48) beginnt zunächst unbemerkt, indem statt des alten ein jüngerer Mann (Saito) zu sehen ist, der sich mit demselben Mann (Cobb) unterhält, diesmal allerdings im Rahmen einer Abendveranstaltung. Dort erklärt Cobb, dass die effizienteste Methode zur Erlangung von Geheimnissen das Eindringen in die Träume einer Zielperson sei und dabei das Gefährlichste eine Idee ist: „What is the most resilient parasite? Bacteria? A virus? An intestinal worm? […] An idea. Resilient, highly contagious. Once an idea has taken hold of the brain it’s almost impossible to eradicate. An idea that is fully formed, fully understood, that sticks right in there [zeigt auf seinen Kopf] somewhere“ (In 02:39–03:04).
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Der '''Eingangstraum''' (In 02:41–14:48) beginnt zunächst unbemerkt, indem statt des alten ein jüngerer Mann (Saito) zu sehen ist, der sich mit demselben Mann (Cobb) unterhält, diesmal allerdings im Rahmen einer Abendveranstaltung. Dort erklärt Cobb, dass die effizienteste Methode zur Erlangung von Geheimnissen das Eindringen in die Träume einer Zielperson sei und dabei das Gefährlichste eine Idee ist: <blockquote>What is the most resilient parasite? Bacteria? A virus? An intestinal worm? […] An idea. Resilient, highly contagious. Once an idea has taken hold of the brain it’s almost impossible to eradicate. An idea that is fully formed, fully understood, that sticks right in there [zeigt auf seinen Kopf] somewhere. (In 02:39–03:04)</blockquote>Im Folgenden spielt sich das Geschehen auf drei Ebenen ab, die sukzessive offenbart werden. Speziell im Rahmen des Aufwachprozesses wird zwischen den Traumebenen immer wieder mittels Parallelmontagen – dem wohl wichtigsten filmischen Mittel in ''Inception'' (vgl. Koebner 2018, 163; Haydn Smith 2020, 195) – gewechselt.
 
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Im Folgenden spielt sich das Geschehen auf drei Ebenen ab, die sukzessive offenbart werden. Speziell im Rahmen des Aufwachprozesses wird zwischen den Traumebenen immer wieder mittels Parallelmontagen – dem wohl wichtigsten filmischen Mittel in ''Inception'' (vgl. Koebner 2018, 163; Haydn Smith 2020, 195) – gewechselt.
      
'''(3) in Saitos (geträumtem) Haus/Arthurs Traumebene''': Cobb und Arthur versuchen, Saitos Geheimnis aus dem ‚Safe‘ seines Unterbewusstseins zu stehlen. Dies scheitert, als eine Frau (Cobbs verstorbene Frau Mal bzw. Cobbs Projektion von ihr) auftaucht und das Geschehen sabotiert. Die Ebene beginnt zusammenzubrechen, was sich durch Erschütterungen ankündigt und im Zuge der sich entspinnenden Verfolgungsjagden und Kämpfe eskaliert, bis die Ebene schließlich durch einen Wassereinbruch aus Ebene (2) beendet wird. Cobb kann Papiere aus dem Safe (Unterphase, siehe auch die ''inception'') stehlen, sieht aber, dass darin viele Stellen geschwärzt sind.
 
'''(3) in Saitos (geträumtem) Haus/Arthurs Traumebene''': Cobb und Arthur versuchen, Saitos Geheimnis aus dem ‚Safe‘ seines Unterbewusstseins zu stehlen. Dies scheitert, als eine Frau (Cobbs verstorbene Frau Mal bzw. Cobbs Projektion von ihr) auftaucht und das Geschehen sabotiert. Die Ebene beginnt zusammenzubrechen, was sich durch Erschütterungen ankündigt und im Zuge der sich entspinnenden Verfolgungsjagden und Kämpfe eskaliert, bis die Ebene schließlich durch einen Wassereinbruch aus Ebene (2) beendet wird. Cobb kann Papiere aus dem Safe (Unterphase, siehe auch die ''inception'') stehlen, sieht aber, dass darin viele Stellen geschwärzt sind.
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Filmisch sind neben der damit einhergehenden hohen Schnittfrequenz als charakteristisch besonders zeitgestaltende Mittel zu beobachten: Die erwähnten Parallelmontagen ermöglichen ein schnelles Wechseln zwischen gleichzeitig stattfindenden Ereignissen auf verschiedenen Traumebenen, das Zeigen der ebenenübergreifenden Konsequenzen einzelner Handlungen (z.B. Cobb fällt in (2) ins Wasser, in (3) wird das Haus überflutet) sowie eine dennoch bleibende Orientierung, nachdem der Ebenenwechsel einmal bekannt ist. Im Kontrast stehen wiederholt eingesetzte Zeitlupen (z.B. bei dem Sturz ins Wasser), die außerdem die besondere Zeit der Traumebenen verdeutlichen, denn später wird erkennbar, dass Zeit auf den tieferen Ebenen wesentlich schneller vergeht (d.h. dort vergeht subjektiv mehr Zeit als auf einer höheren Ebene bzw. in der Wachwelt). Wiederholt wird dazu eine Detailaufnahme eines Chronographen gezeigt (vgl. z.B. In 12:05–07), dessen voranlaufender Zeiger sich plötzlich verlangsamt. Nolan sagt über den Einsatz zeitgestaltender Mittel wie Zeitlupe im Film: „We’ve embraced it as part of the narrative. What’s different about the film is also what’s familiar about the film. We’ve repurposed the techniques you’ve seen in other movies to have a narrative meaning“ (Taubin und Nolan 2010, 35).
 
Filmisch sind neben der damit einhergehenden hohen Schnittfrequenz als charakteristisch besonders zeitgestaltende Mittel zu beobachten: Die erwähnten Parallelmontagen ermöglichen ein schnelles Wechseln zwischen gleichzeitig stattfindenden Ereignissen auf verschiedenen Traumebenen, das Zeigen der ebenenübergreifenden Konsequenzen einzelner Handlungen (z.B. Cobb fällt in (2) ins Wasser, in (3) wird das Haus überflutet) sowie eine dennoch bleibende Orientierung, nachdem der Ebenenwechsel einmal bekannt ist. Im Kontrast stehen wiederholt eingesetzte Zeitlupen (z.B. bei dem Sturz ins Wasser), die außerdem die besondere Zeit der Traumebenen verdeutlichen, denn später wird erkennbar, dass Zeit auf den tieferen Ebenen wesentlich schneller vergeht (d.h. dort vergeht subjektiv mehr Zeit als auf einer höheren Ebene bzw. in der Wachwelt). Wiederholt wird dazu eine Detailaufnahme eines Chronographen gezeigt (vgl. z.B. In 12:05–07), dessen voranlaufender Zeiger sich plötzlich verlangsamt. Nolan sagt über den Einsatz zeitgestaltender Mittel wie Zeitlupe im Film: „We’ve embraced it as part of the narrative. What’s different about the film is also what’s familiar about the film. We’ve repurposed the techniques you’ve seen in other movies to have a narrative meaning“ (Taubin und Nolan 2010, 35).
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[[Datei:In 1030.png|mini|Zeitlupeneinstellung des ins Wasser stürzenden Cobb in der ''extraction'' (2) (In 10:30).]]
 
Neben den oben beschriebenen Elementen sind die Ebenenübergänge, die sich hier teils auch diegetisch unterscheiden,<ref>Erzähltheoretisch werden Träume und darauf basierend auch Traumebenen häufig mit diegetischen Ebenen (Erzählebenen) gleichgesetzt, so etwa bei Genette (vgl. 2010, 149f.) und filmnarratologisch bei Markus Kuhn (vgl. 2011, 152, 285f.) und Bumeder (vgl. 2014, 260f.). Mit Matthias Brütsch (vgl. 2011a, 255f.) nehme ich aber an, dass es sich nur dann um eine diegetische Ebene handelt, wenn diese auch explizit von einer Figur erzählt wird. In Inception ist insofern eine Sondersituation gegeben, als es deutlich erzählte/fokalisierte Partien gibt (v.a., wenn Cobb Ariadne von Mal erzählt). Diskutabel ist, ob die oft einer Person zugeordnete Verantwor-tung für eine Traumebene ebenfalls als ‚erzählt werden‘ angesehen werden kann. Kiss spricht von „illusory metalepsis“ in diesem Zusammenhang (2012, 37), aber bei den Traumleveln ebenfalls von vier ‚hypodiegeti-schen Ebenen‘ (vgl. ebd., 38) – das ist Mieke Bals analoge Bezeichnung zu Genettes ‚intra-, meta-, metameta-diegetisch‘ etc. Siehe auch die Untersuchung im Sinne der Possible Worlds Theory (PWT) in Lugea 2013.</ref> durch Augenschließen und -öffnen träumender Personen verdeutlicht (vgl. etwa In 08:45 f., 13:59–14:05). Es zeigt sich, dass über die Maschine hinaus, an die die Träumenden auf mehreren Ebenen angeschlossen sind, weitere Möglichkeiten zum Aufwachen auf der nächsthöheren Ebene durch einen Außenwelteinfluss bzw. Einfluss von der nächsten Ebene vorhanden sind (Wasser, das leitmotivische Piaf-Chanson) sowie im Extremfall durch das ‚Töten‘ einer träumenden Person auf einer Traumebene.
 
Neben den oben beschriebenen Elementen sind die Ebenenübergänge, die sich hier teils auch diegetisch unterscheiden,<ref>Erzähltheoretisch werden Träume und darauf basierend auch Traumebenen häufig mit diegetischen Ebenen (Erzählebenen) gleichgesetzt, so etwa bei Genette (vgl. 2010, 149f.) und filmnarratologisch bei Markus Kuhn (vgl. 2011, 152, 285f.) und Bumeder (vgl. 2014, 260f.). Mit Matthias Brütsch (vgl. 2011a, 255f.) nehme ich aber an, dass es sich nur dann um eine diegetische Ebene handelt, wenn diese auch explizit von einer Figur erzählt wird. In Inception ist insofern eine Sondersituation gegeben, als es deutlich erzählte/fokalisierte Partien gibt (v.a., wenn Cobb Ariadne von Mal erzählt). Diskutabel ist, ob die oft einer Person zugeordnete Verantwor-tung für eine Traumebene ebenfalls als ‚erzählt werden‘ angesehen werden kann. Kiss spricht von „illusory metalepsis“ in diesem Zusammenhang (2012, 37), aber bei den Traumleveln ebenfalls von vier ‚hypodiegeti-schen Ebenen‘ (vgl. ebd., 38) – das ist Mieke Bals analoge Bezeichnung zu Genettes ‚intra-, meta-, metameta-diegetisch‘ etc. Siehe auch die Untersuchung im Sinne der Possible Worlds Theory (PWT) in Lugea 2013.</ref> durch Augenschließen und -öffnen träumender Personen verdeutlicht (vgl. etwa In 08:45 f., 13:59–14:05). Es zeigt sich, dass über die Maschine hinaus, an die die Träumenden auf mehreren Ebenen angeschlossen sind, weitere Möglichkeiten zum Aufwachen auf der nächsthöheren Ebene durch einen Außenwelteinfluss bzw. Einfluss von der nächsten Ebene vorhanden sind (Wasser, das leitmotivische Piaf-Chanson) sowie im Extremfall durch das ‚Töten‘ einer träumenden Person auf einer Traumebene.
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Als er darauf zu sprechen kommt, dass man die Seltsamkeit des Traums erst beim Erwachen bemerke und sich in der Regel nicht an den Beginn eines Traums erinnere, stutzt Ariadne; Cobb erläutert, dass sie sich in Wirklichkeit in ihren Arbeitsräumen befinde und die Umgebung des Cafés mit Gemüseständen etc. beginnt, sich in ihre Bestandteile ‚aufzusprengen‘. Ariadne erwacht, wobei das Augenöffnen in einer schräg gekanteten Nahaufnahme gefilmt ist. Danach ist im Hintergrund das Piaf-Chanson zu hören, während Arthur und Cobb Ariadne erklären, dass die zugrundeliegende Technologie vom Militär zu Trainingszwecken entwickelt wurde. ''Architects'' wie sie seien für das Design der Träume verantwortlich. Außerdem wird deutlich, dass das Vergehen der Zeit im Traum anders wahrgenommen wird: „ARTHUR. Five minutes in the real world gives you an hour in the dream“ (In 27:40–41).
 
Als er darauf zu sprechen kommt, dass man die Seltsamkeit des Traums erst beim Erwachen bemerke und sich in der Regel nicht an den Beginn eines Traums erinnere, stutzt Ariadne; Cobb erläutert, dass sie sich in Wirklichkeit in ihren Arbeitsräumen befinde und die Umgebung des Cafés mit Gemüseständen etc. beginnt, sich in ihre Bestandteile ‚aufzusprengen‘. Ariadne erwacht, wobei das Augenöffnen in einer schräg gekanteten Nahaufnahme gefilmt ist. Danach ist im Hintergrund das Piaf-Chanson zu hören, während Arthur und Cobb Ariadne erklären, dass die zugrundeliegende Technologie vom Militär zu Trainingszwecken entwickelt wurde. ''Architects'' wie sie seien für das Design der Träume verantwortlich. Außerdem wird deutlich, dass das Vergehen der Zeit im Traum anders wahrgenommen wird: „ARTHUR. Five minutes in the real world gives you an hour in the dream“ (In 27:40–41).
 
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[[Datei:In 2911.png|mini|Ariadnes paradoxale Manipulation der Pariser Boulevards im zweiten Lerntraum (In 29:11).]]
 
Der '''zweite Lerntraum''' (In 27:49–32:03) dagegen wird direkt im Anschluss eindeutig eingangsmarkiert, indem Ariadne, in halbnaher Einstellung auf einem Liegestuhl gefilmt, nach einem Zischgeräusch der trauminduzierenden Maschine wieder die Augen schließt. Nun geht es im selben Ausgangssetting (idyllische Nebenstraße) gemeinsam mit Cobb um das ''layout'' des Traums, wobei die sie umgebenden Menschen „projections in my [Cobb’s] subconscious“ (In 27:58 f.) sind, denn Ariadne sei, so Cobb „the dreamer, you build this world. I am the subject, my mind populates it. You can literally talk to my subconscious, that’s one of the ways to extract information“ (In 28:00–10). Ein anderer Weg zu Geheimnissen sei das Kreieren eines sicheren Objekts wie eines Safes oder Gefängnisses, das das Subjekt dann automatisch nutze. Dann beginnt Ariadne nach ihrer eigenen Frage „messing with the physics a bit“ (In 28:36) und erzeugt visuell eindrucksvolle Verformungen des geträumten Raums, die an M.C. Eschers Werke erinnern und auch auf dem Filmplakat gezeigt sind. Cobb erklärt weiterhin, dass die ''projections'', also geträumten Menschen, durch gravierende Umformungen des Traumsettings auf die Kreation aufmerksam werden und wie ein ‚Immunsystem‘ des Unterbewusstseins funktionierten.  
 
Der '''zweite Lerntraum''' (In 27:49–32:03) dagegen wird direkt im Anschluss eindeutig eingangsmarkiert, indem Ariadne, in halbnaher Einstellung auf einem Liegestuhl gefilmt, nach einem Zischgeräusch der trauminduzierenden Maschine wieder die Augen schließt. Nun geht es im selben Ausgangssetting (idyllische Nebenstraße) gemeinsam mit Cobb um das ''layout'' des Traums, wobei die sie umgebenden Menschen „projections in my [Cobb’s] subconscious“ (In 27:58 f.) sind, denn Ariadne sei, so Cobb „the dreamer, you build this world. I am the subject, my mind populates it. You can literally talk to my subconscious, that’s one of the ways to extract information“ (In 28:00–10). Ein anderer Weg zu Geheimnissen sei das Kreieren eines sicheren Objekts wie eines Safes oder Gefängnisses, das das Subjekt dann automatisch nutze. Dann beginnt Ariadne nach ihrer eigenen Frage „messing with the physics a bit“ (In 28:36) und erzeugt visuell eindrucksvolle Verformungen des geträumten Raums, die an M.C. Eschers Werke erinnern und auch auf dem Filmplakat gezeigt sind. Cobb erklärt weiterhin, dass die ''projections'', also geträumten Menschen, durch gravierende Umformungen des Traumsettings auf die Kreation aufmerksam werden und wie ein ‚Immunsystem‘ des Unterbewusstseins funktionierten.  
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==== Analyse und Darstellungsbesonderheiten ====
 
==== Analyse und Darstellungsbesonderheiten ====
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[[Datei:In 3051.png|mini|Ariadnes Spiegel-im-Spiegel-Illusion mit Cobb als visuelle ''mise en abyme'' im zweiten Lerntraum (In 30:51).]]
 
Der '''erste Traum''' beinhaltet nur eine sichtbare Ebene und beginnt wieder mit einer Täuschung. In Abwandlung des Konzepts des ''false awakening'' (siehe unten) kann hier von einem falschen Wachsein gesprochen werden; Matthias Brütsch nennt es ‚retroaktiver Modus‘ (vgl. Brütsch 2011, 182–211; vgl. auch Kuhn 2011, 286). Bumeder spricht in ''Inception'' von ‚Testträumen‘ (vgl. etwa 2014, 292). Die Zuschauenden werden, diesmal gemeinsam mit Ariadne (vgl. auch Eichner 2014, 183), die zu dem Zeitpunkt zu Cobb in einem Schülerin-Lehrer-Verhältnis steht, mit dem grundlegenden Konzept weiter vertraut gemacht; die Theorie wird ihr hauptsächlich im Dialog – so auch in der Wachwelt – nahegebracht. Filmisch sind dabei besonders die ''special effects'' der sich auflösenden Umgebung bedeutsam. Das Unterbewusstsein wird als betretbarer und manipulierbarer Raum charakterisiert sowie die wichtige Zeitkomponente verdeutlicht.
 
Der '''erste Traum''' beinhaltet nur eine sichtbare Ebene und beginnt wieder mit einer Täuschung. In Abwandlung des Konzepts des ''false awakening'' (siehe unten) kann hier von einem falschen Wachsein gesprochen werden; Matthias Brütsch nennt es ‚retroaktiver Modus‘ (vgl. Brütsch 2011, 182–211; vgl. auch Kuhn 2011, 286). Bumeder spricht in ''Inception'' von ‚Testträumen‘ (vgl. etwa 2014, 292). Die Zuschauenden werden, diesmal gemeinsam mit Ariadne (vgl. auch Eichner 2014, 183), die zu dem Zeitpunkt zu Cobb in einem Schülerin-Lehrer-Verhältnis steht, mit dem grundlegenden Konzept weiter vertraut gemacht; die Theorie wird ihr hauptsächlich im Dialog – so auch in der Wachwelt – nahegebracht. Filmisch sind dabei besonders die ''special effects'' der sich auflösenden Umgebung bedeutsam. Das Unterbewusstsein wird als betretbarer und manipulierbarer Raum charakterisiert sowie die wichtige Zeitkomponente verdeutlicht.
    
Der '''zweite Traum''' erinnert in seiner Induktion an einen der ersten Traummanipulationsfilme, ''Dreamscape'' (1984), gefolgt von einer ersten Einstellung in subjektiver Kamera, die dann aber von einer filmisch geläufigeren scheinbaren Außenperspektive auf die Träumenden abgelöst wird. Wieder vermittelt er im Dialog wie auch in der visuell praktischen Erprobung durch Ariadne weitere Erklärungen zu der Kreation und den Eigenschaften künstlich erzeugter geteilter Träume. Besonders wichtig für die weitere Handlung sind die Reaktionen des ‚Immunsystems‘ sowie das erneute Auftauchen von Mal aus dem ersten Traum, die dabei wieder gewaltsam vorgeht. Das Unterbewusstsein erscheint dabei wiederum kinematografisch aufwändig in architektonischen Metaphern, die sich an Werken der Mathematik und Kunstgeschichte (‚unmögliche‘, paradoxe Räume, ''infinity mirror'' als visuelle ''mise en abyme'') orientieren, sowie in einer Rhetorik von Angriff und Verteidigung; es ist, so Cobb, nicht kontrollierbar. Neben den genannten Mitteln überwiegt mit Ausnahme der Paradoxa und eines sichtbaren Schnitts (In 28:24) dennoch ''continuity editing'' (‚unsichtbarer Schnitt‘), was die (vermeintliche) Sicherheit über den Traumstatus sowie die Kohärenz der Traumwelt verdeutlicht.
 
Der '''zweite Traum''' erinnert in seiner Induktion an einen der ersten Traummanipulationsfilme, ''Dreamscape'' (1984), gefolgt von einer ersten Einstellung in subjektiver Kamera, die dann aber von einer filmisch geläufigeren scheinbaren Außenperspektive auf die Träumenden abgelöst wird. Wieder vermittelt er im Dialog wie auch in der visuell praktischen Erprobung durch Ariadne weitere Erklärungen zu der Kreation und den Eigenschaften künstlich erzeugter geteilter Träume. Besonders wichtig für die weitere Handlung sind die Reaktionen des ‚Immunsystems‘ sowie das erneute Auftauchen von Mal aus dem ersten Traum, die dabei wieder gewaltsam vorgeht. Das Unterbewusstsein erscheint dabei wiederum kinematografisch aufwändig in architektonischen Metaphern, die sich an Werken der Mathematik und Kunstgeschichte (‚unmögliche‘, paradoxe Räume, ''infinity mirror'' als visuelle ''mise en abyme'') orientieren, sowie in einer Rhetorik von Angriff und Verteidigung; es ist, so Cobb, nicht kontrollierbar. Neben den genannten Mitteln überwiegt mit Ausnahme der Paradoxa und eines sichtbaren Schnitts (In 28:24) dennoch ''continuity editing'' (‚unsichtbarer Schnitt‘), was die (vermeintliche) Sicherheit über den Traumstatus sowie die Kohärenz der Traumwelt verdeutlicht.
 
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[[Datei:In 3832.png|mini|Die Penrose-Treppe im dritten Lerntraum mit Arthur und Ariadne (In 38:32).]]
 
Der '''dritte Traum''' nimmt plottechnisch zwei Funktionen ein: Er lässt die Zuschauenden mehr über den ‚Bau‘ der komplexen Träume erfahren und Mal wird als reine Projektion Cobbs identifiziert, womit auf ihre Rolle im Fortgang der Handlung vorausgewiesen wird. Abermals findet dies im Dialog, diesmal mir Cobbs Partner Arthur statt. Gerade die Penrose-Treppe, hier wohl von Arthur erzeugt, wird in der ''inception'' Teil des zweiten Traumlevels mit Arthur sein (vgl. In 1:44:15–27). Die Illusion der Unendlichkeit wird durch eine Aufsicht der die Treppe betretenden Figuren zunächst aufrechterhalten, um dann durch eine vertikale Kamerafahrt zu einer starken Untersicht aufgelöst zu werden (vgl. In 38:33–40).
 
Der '''dritte Traum''' nimmt plottechnisch zwei Funktionen ein: Er lässt die Zuschauenden mehr über den ‚Bau‘ der komplexen Träume erfahren und Mal wird als reine Projektion Cobbs identifiziert, womit auf ihre Rolle im Fortgang der Handlung vorausgewiesen wird. Abermals findet dies im Dialog, diesmal mir Cobbs Partner Arthur statt. Gerade die Penrose-Treppe, hier wohl von Arthur erzeugt, wird in der ''inception'' Teil des zweiten Traumlevels mit Arthur sein (vgl. In 1:44:15–27). Die Illusion der Unendlichkeit wird durch eine Aufsicht der die Treppe betretenden Figuren zunächst aufrechterhalten, um dann durch eine vertikale Kamerafahrt zu einer starken Untersicht aufgelöst zu werden (vgl. In 38:33–40).
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==== Analyse und Darstellungsbesonderheiten ====
 
==== Analyse und Darstellungsbesonderheiten ====
Hier wird die Kehrseite des ''shared dreaming'' deutlich, das wie eine Sucht zu totaler Abhängigkeit und Weltflucht führen kann. In Zusammenschau mit der ''inception'' und dem Ende des Films könnte dies auch Cobbs Schicksal sein. Zugleich liefern seine Erinnerungsbilder strukturell weitere Hinweise auf die bald folgenden Informationen über seine Vergangenheit. Außerdem stellt Cobbs kurzer Traum eine Erprobung des chemischen Mittels dar, das auch in der ''inception'' zur Anwendung kommen wird. Der Traum und die Halluzination, die gewissermaßen eine Fortführung des Traum ist, wirken wie assoziative Montagen zu Mal, sind aber tatsächlich in ihrer Bruchstückhaftigkeit nur vorläufig, da der nächste Traum und die ''inception'' das Bild komplettieren werden. Insofern erfüllen sie eine ähnliche Funktion wie die dann immer wiederkehrenden Bilder von Cobbs spielenden Kindern (siehe unten). Bemerkenswert ist, dass der Traum offensichtlich kein geteilter Traum ist, obwohl die anderen Menschen in der ‚Opiumhöhle‘ geteilt träumen. Die Szene vor dem Waschbecken greift variierend einen öfter filmisch bzw. seriell wiederkehrenden Horrortopos auf, eine ‚Spiegelszene‘, bei der die erlebende Figur im Spiegel eine unheimliche Veränderung an sich oder ihrer Umgebung bemerkt, die Erschrecken verursacht, und dann wieder erwacht. Ein kennzeichnendes Beispiel aus der SF ist die Eröffnungsszene von ''Star Trek: First Contact'' (1996; Regie: Jonathan Frakes).  
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Hier wird die Kehrseite des ''shared dreaming'' deutlich, das wie eine Sucht zu totaler Abhängigkeit und Weltflucht führen kann. In Zusammenschau mit der ''inception'' und dem Ende des Films könnte dies auch Cobbs Schicksal sein. Zugleich liefern seine Erinnerungsbilder strukturell weitere Hinweise auf die bald folgenden Informationen über seine Vergangenheit. Außerdem stellt Cobbs kurzer Traum eine Erprobung des chemischen Mittels dar, das auch in der ''inception'' zur Anwendung kommen wird. Der Traum und die Halluzination, die gewissermaßen eine Fortführung des Traum ist, wirken wie assoziative Montagen zu Mal, sind aber tatsächlich in ihrer Bruchstückhaftigkeit nur vorläufig, da der nächste Traum und die ''inception'' das Bild komplettieren werden. Insofern erfüllen sie eine ähnliche Funktion wie die dann immer wiederkehrenden Bilder von Cobbs spielenden Kindern (siehe unten). Bemerkenswert ist, dass der Traum offensichtlich kein geteilter Traum ist, obwohl die anderen Menschen in der ‚Opiumhöhle‘ geteilt träumen. Die Szene vor dem Waschbecken greift variierend einen öfter filmisch bzw. seriell wiederkehrenden Horrortopos auf, eine ‚Spiegelszene‘, bei der die erlebende Figur im Spiegel eine unheimliche Veränderung an sich oder ihrer Umgebung bemerkt, die Erschrecken verursacht, und dann wieder erwacht. Ein kennzeichnendes Beispiel aus der SF ist die Eröffnungsszene von ''Star Trek: First Contact'' (1996, Regie: Jonathan Frakes).  
    
=== Der Aufzugtraum (''prison of memories'') ===
 
=== Der Aufzugtraum (''prison of memories'') ===
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Ariadne warnt Cobb, „as we go deeper into Fischer, we are also going deeper into you“ (In 1:09:39–42). Cobb erzählt ihr daraufhin, begleitet von Rückblenden, davon, wie er und Mal bei Erkunden des „dream within a dream“ (In 1:12:56) den Realitätssinn verloren hatten und ihre eigene Welt bauend etwa 50 Jahre dort verbrachten. Während Cobb dies irgendwann nicht mehr ertragen konnte, war Mal auch nach dem Erwachen „possessed by an idea, this one very simple idea that changed everything: that our world wasn’t real […] in order to get back home, we had to kill ourselves“ (In 1:14:36–58). Er erzählt auch von Mals Intrige, die in der Überzeugung, aufwachen zu müssen, sich das Leben nahm und es zuvor so inszenierte, als ob Cobb sie getötet habe. Ariadne meint, Cobb sei nicht dafür verantwortlich, aber er müsse sich später Mal stellen. Als sie von außen angegriffen werden, erzwingt das Team einen Code von Fischer, sie sedieren ihn erneut und machen sich in einem Van auf den Weg, der von Yusuf gefahren wird. Im Van werden alle mittels der Maschine auf eine weitere Traumebene befördert.
 
Ariadne warnt Cobb, „as we go deeper into Fischer, we are also going deeper into you“ (In 1:09:39–42). Cobb erzählt ihr daraufhin, begleitet von Rückblenden, davon, wie er und Mal bei Erkunden des „dream within a dream“ (In 1:12:56) den Realitätssinn verloren hatten und ihre eigene Welt bauend etwa 50 Jahre dort verbrachten. Während Cobb dies irgendwann nicht mehr ertragen konnte, war Mal auch nach dem Erwachen „possessed by an idea, this one very simple idea that changed everything: that our world wasn’t real […] in order to get back home, we had to kill ourselves“ (In 1:14:36–58). Er erzählt auch von Mals Intrige, die in der Überzeugung, aufwachen zu müssen, sich das Leben nahm und es zuvor so inszenierte, als ob Cobb sie getötet habe. Ariadne meint, Cobb sei nicht dafür verantwortlich, aber er müsse sich später Mal stellen. Als sie von außen angegriffen werden, erzwingt das Team einen Code von Fischer, sie sedieren ihn erneut und machen sich in einem Van auf den Weg, der von Yusuf gefahren wird. Im Van werden alle mittels der Maschine auf eine weitere Traumebene befördert.
 
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[[Datei:In 13831.png|mini|Schräg gekantete Totale des Hotelflurs in der ''inception'' (3) mit ‚Schwerelosigkeit‘ (In 1:38:31).]]
 
'''(3) Traumebene in Hotel/Arthurs Traumebene''' (ab In 1:21:53): Mittels eines Tricks, den sie ‚Mr. Charles‘ nennen, wollen die Teammitglieder Fischer an seinem eigenen Unterbewusstsein zweifeln lassen; Eames nimmt dazu die Gestalt einer jungen Frau an, die Fischer bestiehlt, während Cobb als derjenige auftritt, der ihm hilft. Wie im Eingangstraum treten besonders ab der zweiten Traumebene wieder Erschütterungen auf, die laut Eames nicht auf das (reale) Flugzeug, sondern die Fahrt im Van eine Ebene über ihrer zurückgehen (vgl. In 1:23:30).  
 
'''(3) Traumebene in Hotel/Arthurs Traumebene''' (ab In 1:21:53): Mittels eines Tricks, den sie ‚Mr. Charles‘ nennen, wollen die Teammitglieder Fischer an seinem eigenen Unterbewusstsein zweifeln lassen; Eames nimmt dazu die Gestalt einer jungen Frau an, die Fischer bestiehlt, während Cobb als derjenige auftritt, der ihm hilft. Wie im Eingangstraum treten besonders ab der zweiten Traumebene wieder Erschütterungen auf, die laut Eames nicht auf das (reale) Flugzeug, sondern die Fahrt im Van eine Ebene über ihrer zurückgehen (vgl. In 1:23:30).  
 
Wieder werden vermehrt Parallelmontagen eingesetzt. Zudem wechseln sie auch zwischen verschiedenen Orten innerhalb der Ebene (3): Bar, Hotelaufzug und -flure. Cobb, so erklärt Arthur Ariadne, stellt sich als Fischers Sicherheitschef vor und macht diesen bewusst auf den Traumstatus, genauer „the strangeness of the dream“ (In 1:25:28), und die Gefahr einer ''extraction'' aufmerksam, insbesondere die Veränderungen der Schwerkraft und Überlappung der Orte. Zudem soll er sich zum Test daran erinnern, wie er an diesen Ort gekommen ist. Dabei setzt Cobb Fischers partielle Erinnerung an die höhere Traumebene (2) ein, um ihm zu suggerieren, dass diese die Wachwelt sei. Arthur bereitet in dem Hotelzimmer den ''kick'' für das spätere Aufwachen vor. Cobb weckt Fischers Misstrauen gegenüber Browning und bringt ihn so dazu, eine weitere Traumebene zu betreten, in dem Glauben, es handle sich um Brownings, dessen wahre Motive sie herausfinden wollten.
 
Wieder werden vermehrt Parallelmontagen eingesetzt. Zudem wechseln sie auch zwischen verschiedenen Orten innerhalb der Ebene (3): Bar, Hotelaufzug und -flure. Cobb, so erklärt Arthur Ariadne, stellt sich als Fischers Sicherheitschef vor und macht diesen bewusst auf den Traumstatus, genauer „the strangeness of the dream“ (In 1:25:28), und die Gefahr einer ''extraction'' aufmerksam, insbesondere die Veränderungen der Schwerkraft und Überlappung der Orte. Zudem soll er sich zum Test daran erinnern, wie er an diesen Ort gekommen ist. Dabei setzt Cobb Fischers partielle Erinnerung an die höhere Traumebene (2) ein, um ihm zu suggerieren, dass diese die Wachwelt sei. Arthur bereitet in dem Hotelzimmer den ''kick'' für das spätere Aufwachen vor. Cobb weckt Fischers Misstrauen gegenüber Browning und bringt ihn so dazu, eine weitere Traumebene zu betreten, in dem Glauben, es handle sich um Brownings, dessen wahre Motive sie herausfinden wollten.
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In Anlehnung an Jahraus (‚konservativ‘ vs. ‚progressiv‘) unterscheidet Bumeder verschiedene Möglichkeiten, wie solche dargestellten Träume betreten werden können: ‚mental oder medizinisch-chemisch‘ vs. ‚medial bzw. medientechnisch‘ (vgl. Bumeder 2014, 124–134), wobei ''Inception'' zu letzterer Art in markierter Form gehört (vgl. ebd., 126). Wie beschrieben wird ''Inception'' zwar u.a. als Science Fiction (SF) bezeichnet, doch mutet die dargestellte Welt realistisch an, abgesehen von der den Traum einleitenden und aufrechterhaltenden Technologie. Damit ist sie wie das Genre „durch ein Novum aus[ge]zeichnet […], ein wunderbares, (noch) nicht mögliches Element, das die Handlungswelt entscheidend prägt“ (Spiegel 2018, 2 f.).   
 
In Anlehnung an Jahraus (‚konservativ‘ vs. ‚progressiv‘) unterscheidet Bumeder verschiedene Möglichkeiten, wie solche dargestellten Träume betreten werden können: ‚mental oder medizinisch-chemisch‘ vs. ‚medial bzw. medientechnisch‘ (vgl. Bumeder 2014, 124–134), wobei ''Inception'' zu letzterer Art in markierter Form gehört (vgl. ebd., 126). Wie beschrieben wird ''Inception'' zwar u.a. als Science Fiction (SF) bezeichnet, doch mutet die dargestellte Welt realistisch an, abgesehen von der den Traum einleitenden und aufrechterhaltenden Technologie. Damit ist sie wie das Genre „durch ein Novum aus[ge]zeichnet […], ein wunderbares, (noch) nicht mögliches Element, das die Handlungswelt entscheidend prägt“ (Spiegel 2018, 2 f.).   
 
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[[Datei:In 14125.png|mini|Die Schneewelt mit der Bergfestung in der ''inception'' (4) lässt u.a. an einige James-Bond-Filme denken.]]
 
Die wirkmächtigsten weiteren Genreelemente entstammen sicherlich dem erwähnten Heist-Movie, dem auch viele Begriffe im Austausch des Teams zugehören (wie ''mark'', ''thief'', ''forger''). Cobbs Hintergrundgeschichte birgt Drama-Elemente. Knöppler meint lakonisch: „In a nutshell, ''Inception'' is a heist thriller with a redemption story, only it takes place inside someone’s head“ (2015, 42). Insbesondere das Szenario um die verschneite ‚Bergfestung‘ mit Ski-Verfolgungsjagden lässt an diverse, meist von Willy Bogner choreografierte James-Bond-Filme denken wie ''On Her Majesty’s Secret Service'' (1969; vgl. ebenso Fisher 2011, 40) und die Eröffnungssequenzen von ''The Spy Who Loved Me'' (1977) und ''A View to a Kill'' (1984), die Klettersequenz zudem an ''For Your Eyes Only'' (1981; vgl. auch allgemein zur Bond-Parallele Koebner 2018, 164). Taubin erinnert es dagegen an ''[["Spellbound" (Alfred Hitchcock)|Spellbound]]'' (vgl. Taubin und Nolan 2010, 32).  
 
Die wirkmächtigsten weiteren Genreelemente entstammen sicherlich dem erwähnten Heist-Movie, dem auch viele Begriffe im Austausch des Teams zugehören (wie ''mark'', ''thief'', ''forger''). Cobbs Hintergrundgeschichte birgt Drama-Elemente. Knöppler meint lakonisch: „In a nutshell, ''Inception'' is a heist thriller with a redemption story, only it takes place inside someone’s head“ (2015, 42). Insbesondere das Szenario um die verschneite ‚Bergfestung‘ mit Ski-Verfolgungsjagden lässt an diverse, meist von Willy Bogner choreografierte James-Bond-Filme denken wie ''On Her Majesty’s Secret Service'' (1969; vgl. ebenso Fisher 2011, 40) und die Eröffnungssequenzen von ''The Spy Who Loved Me'' (1977) und ''A View to a Kill'' (1984), die Klettersequenz zudem an ''For Your Eyes Only'' (1981; vgl. auch allgemein zur Bond-Parallele Koebner 2018, 164). Taubin erinnert es dagegen an ''[["Spellbound" (Alfred Hitchcock)|Spellbound]]'' (vgl. Taubin und Nolan 2010, 32).  
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Zusätzlich wird das Unterbewusstsein in Analogie zum Immunsystem des menschlichen Körpers inszeniert, in dem wehrhafte ''projections'' Eindringlinge angreifen. Damit und auch durch die gezeigte Manipulierbarkeit und Kapitalisierbarkeit des Wissens durch Zutritt zum Unterbewusstsein via Traum werden die mehrlagigen Träume wortwörtlich zu Schlachtfeldern (vgl. ebenso Fitsch 2018, 117) mit Kämpfen, Explosionen, Anschlägen und geträumten Toden, wobei die moralische Komponente der Traumspionage kaum hinterfragt wird (vgl. Koebner 2018, 163). Zugleich gilt das ritualisierte Inszenieren von Träumen (Trauminkubation, vgl. Engel 2017, 34–36) auch therapeutischen Zwecken wie der Heilung von vergangenen Versehrungen im Kontext des Hollywood-Bewusstseinsfilms (vgl. zum therapeutischen Zweck auch Floury 2011, 234). Knöppler argumentiert, dass abseits einer vereinfachenden Bewusstseinsrepräsentation dabei eher der Versuch einer Selbstkonstruktion (Cobbs) verdeutlicht werden soll (vgl. 2015, 45). Dromms Abgleich mit empirischer Traumforschung zeigt dagegen oft Unzulänglichkeiten (vgl. Dromm 2012; vgl. anders Bulkeley 2010). Nolan zufolge war eine getreue Wiedergabe gar nicht seine Absicht: „No, it’s all just stuff I made up“ (Taubin und Nolan 2010, 34).
 
Zusätzlich wird das Unterbewusstsein in Analogie zum Immunsystem des menschlichen Körpers inszeniert, in dem wehrhafte ''projections'' Eindringlinge angreifen. Damit und auch durch die gezeigte Manipulierbarkeit und Kapitalisierbarkeit des Wissens durch Zutritt zum Unterbewusstsein via Traum werden die mehrlagigen Träume wortwörtlich zu Schlachtfeldern (vgl. ebenso Fitsch 2018, 117) mit Kämpfen, Explosionen, Anschlägen und geträumten Toden, wobei die moralische Komponente der Traumspionage kaum hinterfragt wird (vgl. Koebner 2018, 163). Zugleich gilt das ritualisierte Inszenieren von Träumen (Trauminkubation, vgl. Engel 2017, 34–36) auch therapeutischen Zwecken wie der Heilung von vergangenen Versehrungen im Kontext des Hollywood-Bewusstseinsfilms (vgl. zum therapeutischen Zweck auch Floury 2011, 234). Knöppler argumentiert, dass abseits einer vereinfachenden Bewusstseinsrepräsentation dabei eher der Versuch einer Selbstkonstruktion (Cobbs) verdeutlicht werden soll (vgl. 2015, 45). Dromms Abgleich mit empirischer Traumforschung zeigt dagegen oft Unzulänglichkeiten (vgl. Dromm 2012; vgl. anders Bulkeley 2010). Nolan zufolge war eine getreue Wiedergabe gar nicht seine Absicht: „No, it’s all just stuff I made up“ (Taubin und Nolan 2010, 34).
 
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[[Datei:In 15549.png|mini|Die metropole Ästhetik im Limbus (5) steht im Zeichen der topografischen Symbolik im Film (In 1:55:49).]]
 
Das topografische Verständnis von (geteilten) Träumen mit seiner Tiefensymbolik (vgl. auch Mayo 2020, 241) kann in Anlehnung an Freuds ‚topografisches Modell‘ gesehen werden, in dem das Unbewusste den Teil des ‚Eisbergs‘ darstellt, der sich unter der Oberfläche befindet, oder an Jungs ‚Haus‘-Metapher (vgl. Knöppler 2015, 44, bzw. sogar, mit Fiedler, als Teil eines Gothic Manor, vgl. ebd.). „Christopher Nolan’s film presents the aspect of the Freudian unconscious with all its twists and turns“ (Floury 2011, 233): Weitere (populär-)psychoanalytische Referenzen (vgl. so auch Jahraus 2010, 2; Fisher 2011, 45; Knöppler 2015, 44, 46) umfassen die Rolle von Objekten, Verdrängung, schwieriges Vaterverhältnis, (scheiternde?) Wunscherfüllung sowie die Auffassung, dass geträumte Personen jeweils nur Ausprägungen der Persönlichkeit des träumenden Subjekts sein können (Jungs ‚Subjektstufen‘; vgl. Jung 1960, 96; 1972, 86; Sharp 1991, 128 f.; Engel 2018, 41); außerdem ist der Limbus als ‚kollektives Unbewusstes‘ lesbar. Damit zeigt ''Inception'' eine Tendenz gegenwärtiger Bewusstseinsfilme, die sich nicht auf eine inhärente Traumauffassung beschränken, sondern darin vielmehr eklektisch sind. Traum in ''Inception'' ist also offenbarend (in Bezug auf Charakter und Psyche der Träumenden) wie verdeckend (hinsichtlich von Geheimnissen, Täuschungen und des Traumstatus), dient der plotbezogenen fortschreitenden Informationsvergabe und dem Spannungsaufbau, ist analysierbar wie manipulierbar, spektakelhaft und dennoch mitunter schwer von der Wachwelt zu unterscheiden.
 
Das topografische Verständnis von (geteilten) Träumen mit seiner Tiefensymbolik (vgl. auch Mayo 2020, 241) kann in Anlehnung an Freuds ‚topografisches Modell‘ gesehen werden, in dem das Unbewusste den Teil des ‚Eisbergs‘ darstellt, der sich unter der Oberfläche befindet, oder an Jungs ‚Haus‘-Metapher (vgl. Knöppler 2015, 44, bzw. sogar, mit Fiedler, als Teil eines Gothic Manor, vgl. ebd.). „Christopher Nolan’s film presents the aspect of the Freudian unconscious with all its twists and turns“ (Floury 2011, 233): Weitere (populär-)psychoanalytische Referenzen (vgl. so auch Jahraus 2010, 2; Fisher 2011, 45; Knöppler 2015, 44, 46) umfassen die Rolle von Objekten, Verdrängung, schwieriges Vaterverhältnis, (scheiternde?) Wunscherfüllung sowie die Auffassung, dass geträumte Personen jeweils nur Ausprägungen der Persönlichkeit des träumenden Subjekts sein können (Jungs ‚Subjektstufen‘; vgl. Jung 1960, 96; 1972, 86; Sharp 1991, 128 f.; Engel 2018, 41); außerdem ist der Limbus als ‚kollektives Unbewusstes‘ lesbar. Damit zeigt ''Inception'' eine Tendenz gegenwärtiger Bewusstseinsfilme, die sich nicht auf eine inhärente Traumauffassung beschränken, sondern darin vielmehr eklektisch sind. Traum in ''Inception'' ist also offenbarend (in Bezug auf Charakter und Psyche der Träumenden) wie verdeckend (hinsichtlich von Geheimnissen, Täuschungen und des Traumstatus), dient der plotbezogenen fortschreitenden Informationsvergabe und dem Spannungsaufbau, ist analysierbar wie manipulierbar, spektakelhaft und dennoch mitunter schwer von der Wachwelt zu unterscheiden.
  
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