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''Inception'' ist ein US-amerikanischer Spielfilm aus dem Jahr 2010 und kann gegenwärtig als eines der bekanntesten Beispiele für die filmische Darstellung von Traum im Traum angesehen werden. ''Inception'' beinhaltet aus mehreren Traumebenen zusammengesetzte Träume und eine entscheidende Schlussamivalenz. Dabei stützt sich der Science-Fiction-Film nicht nur auf die Genretradition der Darstellung von Trauminvasion und -manipulation, sondern steht auch insgesamt in einer Reihe von komplexen Traum-im-Traum-Strukturen.
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''Inception'' ist ein US-amerikanischer Spielfilm aus dem Jahr 2010 und kann gegenwärtig als eines der bekanntesten Beispiele für die filmische Darstellung von Traum im Traum angesehen werden. ''Inception'' beinhaltet aus mehreren Traumebenen zusammengesetzte Träume und eine entscheidende Schlussambivalenz. Dabei stützt sich der Science-Fiction-Film nicht nur auf die Genretradition der Darstellung von Trauminvasion und -manipulation, sondern steht auch insgesamt in einer Reihe von komplexen Traum-im-Traum-Strukturen.
    
== Regisseur/Autor ==
 
== Regisseur/Autor ==
 
Christopher Nolan (*30.07.1970 in London) ist Filmregisseur, -produzent und Drehbuchautor. Er steht in der Tradition des ''auteur''-Kinos in Kombination mit (post-)modernem Hollywood (vgl. Kiss 2012, 43). Zu seinen bekanntesten Filme zählen ''Memento'' (2000), Die ''Dark Knight''-Trilogie (2005–2012), ''The Prestige'' (2006), ''Inception'', ''Dunkirk'' (2017), ''Tenet'' (2020) und aktuell ''Oppenheimer'' (2023); er wurde mehrfach für die Academy Awards (‚Oscars‘) nominiert. Nolan hatte die Idee zu ''Inception'' laut eigener Aussage bereits 10 Jahre vor der Umsetzung, hatte aber zunächst Schwierigkeiten, sie angemessen zu schreiben (vgl. Taubin und Nolan 2010, 32).  
 
Christopher Nolan (*30.07.1970 in London) ist Filmregisseur, -produzent und Drehbuchautor. Er steht in der Tradition des ''auteur''-Kinos in Kombination mit (post-)modernem Hollywood (vgl. Kiss 2012, 43). Zu seinen bekanntesten Filme zählen ''Memento'' (2000), Die ''Dark Knight''-Trilogie (2005–2012), ''The Prestige'' (2006), ''Inception'', ''Dunkirk'' (2017), ''Tenet'' (2020) und aktuell ''Oppenheimer'' (2023); er wurde mehrfach für die Academy Awards (‚Oscars‘) nominiert. Nolan hatte die Idee zu ''Inception'' laut eigener Aussage bereits 10 Jahre vor der Umsetzung, hatte aber zunächst Schwierigkeiten, sie angemessen zu schreiben (vgl. Taubin und Nolan 2010, 32).  
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Wichtige Themen in ''Inception'' wie die Manipulation von Gedanken oder Erinnerungen finden sich auch in anderen Werken Nolans, darunter dem anachron erzählten Memento (vgl. Knöppler 2015, 45 f.); „Nolan himself has specialized in setting puzzles that can’t be solved. Duplicity—in the sense of both deception and doubling—runs right through his work“ (Fisher 2011, 37). Auch in der Figurenanlage werden von der Forschung Parallelen gesehen: „Cobb is also one of Nolan’s guilt-ridden male protagonists, always in danger of self-destruction“ (Taubin und Nolan 2010, 32). Nolans Werk, so Kiss, durchziehe das Spiel mit der Fiktionalisierung narrativer Eigenheiten (z.B. Erzählen in umgekehrter Reihenfolge, vgl. 2012, 43), die bei ihm durch Eigenschaften menschlicher Kognition motiviert werden (wie Amnesie, vgl. ebd., 46), und sei damit Teil der „‘mainstream complexity’“ (ebd., 43), die komplexes Erzählen mit publikumstauglichem Zugang verbindet. Diese Filme erfordern oft eine mehrmalige Rezeption (vgl. auch ebd., 44). Seine Traumauffassung nennt Nolan subjektiv, er habe dazu bewusst nicht recherchiert, sondern sei von seinem eigenen Erleben ausgegangen (vgl. Taubin und Nolan 2010, 34). Dennoch findet sich populäres Traumwissen in ''Inception''.
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Wichtige Themen in ''Inception'' wie die Manipulation von Gedanken oder Erinnerungen finden sich auch in anderen Werken Nolans, darunter dem anachron erzählten ''Memento'' (vgl. Knöppler 2015, 45 f.); „Nolan himself has specialized in setting puzzles that can’t be solved. Duplicity—in the sense of both deception and doubling—runs right through his work“ (Fisher 2011, 37). Auch in der Figurenanlage werden von der Forschung Parallelen gesehen: „Cobb is also one of Nolan’s guilt-ridden male protagonists, always in danger of self-destruction“ (Taubin und Nolan 2010, 32). Nolans Werk, so Kiss, durchziehe das Spiel mit der Fiktionalisierung narrativer Eigenheiten (z.B. Erzählen in umgekehrter Reihenfolge, vgl. 2012, 43), die bei ihm durch Eigenschaften menschlicher Kognition motiviert werden (wie Amnesie, vgl. ebd., 46), und sei damit Teil der „‘mainstream complexity’“ (ebd., 43), die komplexes Erzählen mit publikumstauglichem Zugang verbindet. Diese Filme erfordern oft eine mehrmalige Rezeption (vgl. auch ebd., 44). Seine Traumauffassung nennt Nolan subjektiv, er habe dazu bewusst nicht recherchiert, sondern sei von seinem eigenen Erleben ausgegangen (vgl. Taubin und Nolan 2010, 34). Dennoch findet sich populäres Traumwissen in ''Inception''.
    
== Inhalt ==
 
== Inhalt ==
Dom(inick) Cobb (Leonardo DiCaprio) ist der Kopf eines Teams von ''extractors'', Menschen, die eine besondere Art der Industriespionage betreiben: Sie dringen mittels neuartiger Technologie in die Träume – meistens haben diese im Film mehrere Ebenen – ihrer Opfer ein und fördern geldwerte Geheimnisse zutage. Nachdem ein Auftrag gescheitert ist, bittet (oder eher: zwingt) die ursprüngliche Zielperson, der japanische Unternehmer Saito (Ken Watanabe), das Team, eine besondere Form der Traumspionage vorzunehmen: eine ''inception'', in der in das Unterbewusstsein des Zielsubjekts stattdessen eine Idee ‚eingepflanzt‘ werden soll. Aufgrund des Versprechens, auf diese Weise wieder nach Hause in die USA zurückkehren zu können, stimmt Cobb dem riskanten Unternehmen zu. Dabei hat jedes der Mitglieder eine spezifische Rolle. Um sicherzustellen, dass es sich nicht im Traum eines anderen befindet, hat jedes Mitglied sein individuelles ''totem'', ein Traum-Objekt; bei Cobb ist es ein Kreisel, den er von seiner Frau übernommen hat.
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Dom(inick) Cobb ist der Kopf eines Teams von ''extractors'', Menschen, die eine besondere Art der Industriespionage betreiben: Sie dringen mittels neuartiger Technologie in die Träume – meistens haben diese im Film mehrere Ebenen – ihrer Opfer ein und fördern geldwerte Geheimnisse zutage. Nachdem ein Auftrag gescheitert ist, bittet (oder eher: zwingt) die ursprüngliche Zielperson, der japanische Unternehmer Saito, das Team, eine besondere Form der Traumspionage vorzunehmen: eine ''inception'', in der in das Unterbewusstsein des Zielsubjekts stattdessen eine Idee ‚eingepflanzt‘ werden soll. Aufgrund des Versprechens, auf diese Weise wieder nach Hause in die USA zurückkehren zu können, stimmt Cobb dem riskanten Unternehmen zu. Dabei hat jedes der Teammitglieder eine spezifische Rolle. Um sicherzustellen, dass es sich nicht im Traum eines anderen befindet, hat jedes Mitglied sein individuelles ''totem'', ein Traum-Objekt; bei Cobb ist es ein Kreisel, den er von seiner Frau übernommen hat.
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Der Auftrag, einen mehrlagigen Traum des Magnatensohns Robert Fischer (Cillian Murphy) zu ‚bauen‘ und zu beeinflussen, wird durch Cobbs Vergangenheit gefährdet, denn zunehmend dringen Erinnerungen an seine verstorbene Frau Mal (Marion Cotillard) in Form von ''flashbacks'' und destruktivem Verhalten in die gemeinsamen Träume ein und bedrohen sie. Mal hatte sich das Leben genommen, nachdem sie aufgrund zu intensiven Träumens die Fähigkeit verloren hatte, zwischen Traum und Realität zu unterscheiden; dabei hielt sie das Sterben im vermeintlichen Traum für die einzige Möglichkeit, endgültig aufzuwachen. Cobb trägt daran Schuld, denn er hatte bei ihr, um sie zur Rückkehr ins Wachleben zu bewegen, diese Idee induziert.
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Der Auftrag, einen mehrlagigen Traum des Magnatensohns Robert Fischer zu ‚bauen‘ und zu beeinflussen, wird durch Cobbs Vergangenheit gefährdet, denn zunehmend dringen Erinnerungen an seine verstorbene Frau Mal in Form von ''flashbacks'' und destruktivem Verhalten in die gemeinsamen Träume ein und bedrohen sie. Mal hatte sich das Leben genommen, nachdem sie aufgrund zu intensiven Träumens die Fähigkeit verloren hatte, zwischen Traum und Realität zu unterscheiden; dabei hielt sie das Sterben im vermeintlichen Traum für die einzige Möglichkeit, endgültig aufzuwachen. Cobb trägt daran Schuld, denn er hatte bei ihr, um sie zur Rückkehr ins Wachleben zu bewegen, diese Idee induziert.
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Schließlich führt das Team dennoch die ''inception'' durch, stößt dabei jedoch auf ungeahnte Schwierigkeiten: So ‚wehrt‘ sich das Unterbewusstsein der Zielperson und insbesondere Cobb droht durch seine außer Kontrolle geratenen Erinnerungen im ''limbo'' (Limbus), der ‚untersten‘ Traumebene, zu verbleiben, in der die Zeitwahrnehmung verändert ist und aus der man schwer herausgelangen kann. Das Ende des Films suggeriert (zunächst), dass es dennoch gelingt: Zwar wachen zunächst nur die übrigen Mitglieder von ihren jeweiligen Traumebenen aus auf und Cobb bleibt im limbo zurück, wo er auf den zuvor im Traum erschossenen und dort gealterten Saito trifft, doch schließlich scheint auch er auf der Ausgangsebene zu erwachen. Die letzte Szene des Films zeigt ihn wiedervereint mit seinen Kindern. Auf dem Tisch dreht sich Cobbs Kreisel. Bevor die Zuschauenden sehen können, ob er aufhört, sich zu drehen (ein Indikator für den Traum eines anderen), folgt eine Schwarzblende; der tatsächliche Realitätsstatus bleibt damit offen.
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Schließlich führt das Team dennoch die ''inception'' durch, stößt dabei jedoch auf ungeahnte Schwierigkeiten: So ‚wehrt‘ sich das Unterbewusstsein der Zielperson und insbesondere Cobb droht durch seine außer Kontrolle geratenen Erinnerungen im ''limbo'' (Limbus), der ‚untersten‘ Traumebene, zu verbleiben, in der die Zeitwahrnehmung verändert ist und aus der man schwer herausgelangen kann. Das Ende des Films suggeriert (zunächst), dass es dennoch gelingt: Zwar wachen zunächst nur die übrigen Mitglieder von ihren jeweiligen Traumebenen aus auf und Cobb bleibt im ''limbo'' zurück, wo er auf den zuvor im Traum erschossenen und dort gealterten Saito trifft, doch schließlich scheint auch er auf der Ausgangsebene zu erwachen. Die letzte Szene des Films zeigt ihn wiedervereint mit seinen Kindern. Auf dem Tisch dreht sich Cobbs Kreisel. Bevor die Zuschauenden sehen können, ob er aufhört, sich zu drehen (ein Indikator für den Traum eines anderen), folgt eine Schwarzblende; der tatsächliche Realitätsstatus bleibt damit offen.
    
== Die Träume (''Traum-im-Traum-Strukturen'') ==
 
== Die Träume (''Traum-im-Traum-Strukturen'') ==
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'''(3) in Saitos (geträumtem) Haus/Arthurs Traumebene''': Cobb und Arthur versuchen, Saitos Geheimnis aus dem ‚Safe‘ seines Unterbewusstseins zu stehlen. Dies scheitert, als eine Frau (Cobbs verstorbene Frau Mal bzw. Cobbs Projektion von ihr) auftaucht und das Geschehen sabotiert. Die Ebene beginnt zusammenzubrechen, was sich durch Erschütterungen ankündigt und im Zuge der sich entspinnenden Verfolgungsjagden und Kämpfe eskaliert, bis die Ebene schließlich durch einen Wassereinbruch aus Ebene (2) beendet wird. Cobb kann Papiere aus dem Safe (Unterphase, siehe auch die ''inception'') stehlen, sieht aber, dass darin viele Stellen geschwärzt sind.
 
'''(3) in Saitos (geträumtem) Haus/Arthurs Traumebene''': Cobb und Arthur versuchen, Saitos Geheimnis aus dem ‚Safe‘ seines Unterbewusstseins zu stehlen. Dies scheitert, als eine Frau (Cobbs verstorbene Frau Mal bzw. Cobbs Projektion von ihr) auftaucht und das Geschehen sabotiert. Die Ebene beginnt zusammenzubrechen, was sich durch Erschütterungen ankündigt und im Zuge der sich entspinnenden Verfolgungsjagden und Kämpfe eskaliert, bis die Ebene schließlich durch einen Wassereinbruch aus Ebene (2) beendet wird. Cobb kann Papiere aus dem Safe (Unterphase, siehe auch die ''inception'') stehlen, sieht aber, dass darin viele Stellen geschwärzt sind.
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'''(2) in Saitos (geträumter) Zweitwohnung/Nashs Traumebene''': Außerhalb sind Tumulte und Explosionen zu sehen, Nash (Lukas Haas) und Arthur wecken Saito mittels einer Maschine (PASIV) und versuchen, Cobb zu wecken. Dies gelingt schließlich nur mittels eines ''kicks'', der Cobb rückwärts in eine Badewanne fallen lässt und auf Ebene (3) das Traum-Gebäude mit Wasser flutet. Das Team verhört Saito zu den Geheimnissen, dieser bemerkt aber anhand der Textur des Teppichs, dass auch diese Ebene nicht real ist. Saito erwähnt, dass es sich um einen Test gehandelt habe, den sie nicht bestanden hätten. Tadashi, ein japanischer Teenager, setzt Nash währenddessen in einem Schnellzug Kopfhörer auf, die das Lied ''Non, je ne regrette rien'' von Édith Piaf spielen. Die eskalierenden Tumulte sowie der Einfluss aus Ebene (1) mit dem Piaf-Lied führen zum Aufwachen.  
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'''(2) in Saitos (geträumter) Zweitwohnung/Nashs Traumebene''': Außerhalb sind Tumulte und Explosionen zu sehen, Nash (Lukas Haas) und Arthur wecken Saito mittels einer Maschine (PASIV) und versuchen, Cobb zu wecken. Dies gelingt schließlich nur mittels eines ''kicks'', der Cobb rückwärts in eine Badewanne fallen lässt und auf Ebene (3) das Traum-Gebäude mit Wasser flutet. Das Team verhört Saito zu den Geheimnissen, dieser bemerkt aber anhand der Textur des Teppichs, dass auch diese Ebene nicht real ist. Saito erwähnt, dass es sich um einen Test gehandelt habe, den sie nicht bestanden hätten. Tadashi (Tai-Li Lee), ein japanischer Teenager, setzt Nash währenddessen in einem Schnellzug Kopfhörer auf, die das Lied ''Non, je ne regrette rien'' von Édith Piaf spielen. Die eskalierenden Tumulte sowie der Einfluss aus Ebene (1) mit dem Piaf-Lied führen zum Aufwachen.  
    
'''(1) im Schnellzug/Wachebene, Tadashis Verantwortung''': Nachdem Arthur erwacht ist und Nash in (2) angegriffen wurde, erwachen nacheinander die anderen Teammitglieder mithilfe der Maschine, streiten über das gescheiterte Unternehmen und lassen Saito zurück, der schließlich allein aufwacht, sich offenbar erinnert und lächelt. Später zeigt sich, dass Saito Cobb manipuliert hat, um zu testen, ob er und sein Team für die Durchführung einer ''inception'' geeignet sind.
 
'''(1) im Schnellzug/Wachebene, Tadashis Verantwortung''': Nachdem Arthur erwacht ist und Nash in (2) angegriffen wurde, erwachen nacheinander die anderen Teammitglieder mithilfe der Maschine, streiten über das gescheiterte Unternehmen und lassen Saito zurück, der schließlich allein aufwacht, sich offenbar erinnert und lächelt. Später zeigt sich, dass Saito Cobb manipuliert hat, um zu testen, ob er und sein Team für die Durchführung einer ''inception'' geeignet sind.
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==== Situierung und Beschreibung ====
 
==== Situierung und Beschreibung ====
Der '''erste ‚Lerntraum‘''' (In 25:01–27:08) beginnt ebenso wie der Expositionstraum zumindest für eine der der träumenden Personen (Ariadne) unbemerkt: Nachdem die Architekturstudentin von Cobb in Paris durch Vermittlung seines Schwiegervaters angeworben wurde, indem sie ein schwer lösbares Labyrinth für ihn zeichnen sollte, ist Arthur zu sehen, der ein offenbar leerstehendes Gebäude betritt und dort aufräumt (vgl. In 23:55–25:00); später wird es zum Hauptquartier des Teams. In der nächsten Szene sitzen Ariadne und Cobb in einem pariserisch anmutenden Straßencafé (in der rue César Franck, vgl. Oster 2022, 579), während Cobb die Eigenschaften von Träumen und den Ansatzpunkt einer ''extraction'' erklärt: Im Traum nehme das Bewusstsein (mind) die Wirklichkeit wahr und kreiere sie in einem kontinuierlichen Prozess, der beides voneinander ununterscheidbar werden lasse; an diesem Punkt können sie ansetzen (vgl. In 25:20–36).  
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Der '''erste ‚Lerntraum‘''' (In 25:01–27:08) beginnt ebenso wie der Expositionstraum zumindest für eine der der träumenden Personen (Ariadne) unbemerkt: Nachdem die Architekturstudentin von Cobb in Paris durch Vermittlung seines Schwiegervaters angeworben wurde, indem sie ein schwer lösbares Labyrinth für ihn zeichnen sollte, ist Arthur zu sehen, der ein offenbar leerstehendes Gebäude betritt und dort aufräumt (vgl. In 23:55–25:00); später wird es zum Hauptquartier des Teams. In der nächsten Szene sitzen Ariadne und Cobb in einem pariserisch anmutenden Straßencafé (in der rue César Franck, vgl. Oster 2022, 579), während Cobb die Eigenschaften von Träumen und den Ansatzpunkt einer ''extraction'' erklärt: Im Traum nehme das Bewusstsein (''mind'') die Wirklichkeit wahr und kreiere sie in einem kontinuierlichen Prozess, der beides voneinander ununterscheidbar werden lasse; an diesem Punkt können sie ansetzen (vgl. In 25:20–36).  
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Als er darauf zu sprechen kommt, dass man die Seltsamkeit des Traums erst beim Erwachen bemerke und sich in der Regel nicht an den Beginn eines Traums erinnere, stutzt Ariadne; Cobb erläutert, dass sie sich in Wirklichkeit in ihren Arbeitsräumen befinde und die Umgebung des Cafés mit Gemüseständen etc. beginnt, sich in ihre Bestandteile ‚aufzusprengen‘. Ariadne erwacht, wobei das Augenöffnen in einer schräg gekanteten Nahaufnahme gefilmt ist. Danach ist im Hintergrund das Piaf-Chanson zu hören, während Arthur und Cobb Ariadne erklären, dass die zugrundeliegende Technologie vom Militär zu Trainingszwecken entwickelt wurde. Architects wie sie seien für das Design der Träume verantwortlich. Außerdem wird deutlich, dass das Vergehen der Zeit im Traum anders wahrgenommen wird: „ARTHUR. Five minutes in the real world gives you an hour in the dream“ (In 27:40–41).
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Als er darauf zu sprechen kommt, dass man die Seltsamkeit des Traums erst beim Erwachen bemerke und sich in der Regel nicht an den Beginn eines Traums erinnere, stutzt Ariadne; Cobb erläutert, dass sie sich in Wirklichkeit in ihren Arbeitsräumen befinde und die Umgebung des Cafés mit Gemüseständen etc. beginnt, sich in ihre Bestandteile ‚aufzusprengen‘. Ariadne erwacht, wobei das Augenöffnen in einer schräg gekanteten Nahaufnahme gefilmt ist. Danach ist im Hintergrund das Piaf-Chanson zu hören, während Arthur und Cobb Ariadne erklären, dass die zugrundeliegende Technologie vom Militär zu Trainingszwecken entwickelt wurde. ''Architects'' wie sie seien für das Design der Träume verantwortlich. Außerdem wird deutlich, dass das Vergehen der Zeit im Traum anders wahrgenommen wird: „ARTHUR. Five minutes in the real world gives you an hour in the dream“ (In 27:40–41).
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Der '''zweite Lerntraum''' (In 27:49–32:03) dagegen wird direkt im Anschluss eindeutig eingangsmarkiert, indem Ariadne, in halbnaher Einstellung auf einem Liegestuhl gefilmt, nach einem Zischgeräusch der trauminduzierenden Maschine wieder die Augen schließt. Nun geht es im selben Ausgangssetting (idyllische Nebenstraße) gemeinsam mit Cobb um das layout des Traums, wobei die sie umgebenden Menschen „projections in my [Cobb’s] subconscious“ (In 27:58 f.) sind, denn Ariadne sei, so Cobb „the dreamer, you build this world. I am the subject, my mind populates it. You can literally talk to my subconscious, that’s one of the ways to extract information“ (In 28:00–10). Ein anderer Weg zu Geheinissen sei das Kreieren eines sicheren Objekts wie eines Safes oder Gefängnisses, das das Subjekt dann automatisch nutze. Dann beginnt Ariadne nach ihrer eigenen Frage „messing with the physics a bit“ (In 28:36) und erzeugt visuell eindrucksvolle Verformungen des geträumten Raums, die an M.C. Eschers Werke erinnern und auch auf dem Filmplakat gezeigt sind. Cobb erklärt weiterhin, dass die projections, also geträumten Menschen, durch gravierende Umformungen des Traumsettings auf die Kreation aufmerksam werden und wie ein ‚Immunsystem‘ des Unterbewusstseins funktionierten.  
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Der '''zweite Lerntraum''' (In 27:49–32:03) dagegen wird direkt im Anschluss eindeutig eingangsmarkiert, indem Ariadne, in halbnaher Einstellung auf einem Liegestuhl gefilmt, nach einem Zischgeräusch der trauminduzierenden Maschine wieder die Augen schließt. Nun geht es im selben Ausgangssetting (idyllische Nebenstraße) gemeinsam mit Cobb um das ''layout'' des Traums, wobei die sie umgebenden Menschen „projections in my [Cobb’s] subconscious“ (In 27:58 f.) sind, denn Ariadne sei, so Cobb „the dreamer, you build this world. I am the subject, my mind populates it. You can literally talk to my subconscious, that’s one of the ways to extract information“ (In 28:00–10). Ein anderer Weg zu Geheimnissen sei das Kreieren eines sicheren Objekts wie eines Safes oder Gefängnisses, das das Subjekt dann automatisch nutze. Dann beginnt Ariadne nach ihrer eigenen Frage „messing with the physics a bit“ (In 28:36) und erzeugt visuell eindrucksvolle Verformungen des geträumten Raums, die an M.C. Eschers Werke erinnern und auch auf dem Filmplakat gezeigt sind. Cobb erklärt weiterhin, dass die ''projections'', also geträumten Menschen, durch gravierende Umformungen des Traumsettings auf die Kreation aufmerksam werden und wie ein ‚Immunsystem‘ des Unterbewusstseins funktionierten.  
    
Auf einer Brücke wirkt Cobb irritiert, es sind kurze, in rosafarbenes Licht getauchte Erinnerungsbilder mit einer Frau zu sehen. Er warnt Ariadne, keine realen Orte, höchstens Details davon, zu imaginieren, da so leicht „[the] grasp for what’s real and what is a dream“ (In 31:41–43) verlorengehe. Als Ariadne eine komplexe Spiegel-im-Spiegel-Illusion erschaffen hat, beginnen die Passanten, sie anzugreifen und schließlich wird sie von einer Frau (Mal) ‚erstochen‘. Im Anschluss lernt Ariadne von Arthur, dass man vor der voreingestellten Traumdauer nur durch Getötetwerden im Traum aufwachen kann. Außerdem wird ihr der Zweck von ''totems'' wie Cobbs Kreisel erklärt, die es ermöglichen (sollen), zu verifizieren, dass man sich nicht im Traum eines anderen befindet. Ariadne zeigt sich besorgt über das Auftauchen von Cobbs Ehefrau und sich potenziell daraus ergebende Gefahren („I’m not about to just open my mind to someone like that [Cobb]“, In 33:03–05) und geht.
 
Auf einer Brücke wirkt Cobb irritiert, es sind kurze, in rosafarbenes Licht getauchte Erinnerungsbilder mit einer Frau zu sehen. Er warnt Ariadne, keine realen Orte, höchstens Details davon, zu imaginieren, da so leicht „[the] grasp for what’s real and what is a dream“ (In 31:41–43) verlorengehe. Als Ariadne eine komplexe Spiegel-im-Spiegel-Illusion erschaffen hat, beginnen die Passanten, sie anzugreifen und schließlich wird sie von einer Frau (Mal) ‚erstochen‘. Im Anschluss lernt Ariadne von Arthur, dass man vor der voreingestellten Traumdauer nur durch Getötetwerden im Traum aufwachen kann. Außerdem wird ihr der Zweck von ''totems'' wie Cobbs Kreisel erklärt, die es ermöglichen (sollen), zu verifizieren, dass man sich nicht im Traum eines anderen befindet. Ariadne zeigt sich besorgt über das Auftauchen von Cobbs Ehefrau und sich potenziell daraus ergebende Gefahren („I’m not about to just open my mind to someone like that [Cobb]“, In 33:03–05) und geht.
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Der '''dritte Lerntraum''' (In 38:14–39:38), für den Ariadne doch, durch den künstlerischen Aspekt gereizt („It’s pure creation“, In 38:10), zurückkehrt, beginnt ohne gezeigte Traumeinleitung, doch ist durch den Kontext eindeutig markiert. Diesmal zeigt ihr Arthur „some paradoxical architecture” (In 38:12 f.) in Gestalt der Penrose-Treppe, als einen der ‚Tricks‘, die für das spätere Erzeugen von „three complete dream levels“ (38:18) erforderlich seien. Es kommt offenbar darauf an, möglichst komplexe, loop-artige Traum-Architekturen zu erschaffen, die labyrinthisch sind, um die Grenzen des Traums zu verdecken und den projections zu entkommen. Ariadne und die Zuschauenden erfahren im Traum-Gespräch von Arthur, dass Cobb keine Träume mehr selbst baut, da Mal tot ist und die Frau in den vorhergehenden Träumen somit „just his [Cobb’s] projection of her“ (In 39:31) war.
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Der '''dritte Lerntraum''' (In 38:14–39:38), für den Ariadne doch, durch den künstlerischen Aspekt gereizt („It’s pure creation“, In 38:10), zurückkehrt, beginnt ohne gezeigte Traumeinleitung, doch ist durch den Kontext eindeutig markiert. Diesmal zeigt ihr Arthur „some paradoxical architecture” (In 38:12 f.) in Gestalt der Penrose-Treppe als einen der ‚Tricks‘, die für das spätere Erzeugen von „three complete dream levels“ (38:18) erforderlich seien. Es kommt offenbar darauf an, möglichst komplexe, loop-artige Traum-Architekturen zu erschaffen, die labyrinthisch sind, um die Grenzen des Traums zu verdecken und den ''projections'' zu entkommen. Ariadne und die Zuschauenden erfahren im Traum-Gespräch von Arthur, dass Cobb keine Träume mehr selbst baut, da Mal tot ist und die Frau in den vorhergehenden Träumen somit „just his [Cobb’s] projection of her“ (In 39:31) war.
    
==== Analyse und Darstellungsbesonderheiten ====
 
==== Analyse und Darstellungsbesonderheiten ====
Der '''erste Traum''' beinhaltet nur eine sichtbare Ebene und beginnt wieder mit einer Täuschung. In Abwandlung des Konzepts des false awakening (siehe unten) kann hier von einem falschen Wachsein gesprochen werden; Matthias Brütsch nennt es ‚retroaktiver Modus‘ (vgl. Brütsch 2011, 182–211; vgl. auch Kuhn 2011, 286). Bumeder spricht in ''Inception'' von ‚Testträumen‘ (vgl. etwa 2014, 292). Die Zuschauenden werden, diesmal gemeinsam mit Ariadne (vgl. auch Eichner 2014, 183), die zu dem Zeitpunkt zu Cobb in einem Schülerin-Lehrer-Verhältnis steht, mit dem grundlegenden Konzept weiter vertraut gemacht; die Theorie wird ihr hauptsächlich im Dialog – so auch in der Wachwelt – nahegebracht. Filmisch sind dabei besonders die special effects der sich auflösenden Umgebung bedeutsam. Das Unterbewusstsein wird als betretbarer und manipulierbarer Raum charakterisiert sowie die wichtige Zeitkomponente verdeutlicht.
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Der '''erste Traum''' beinhaltet nur eine sichtbare Ebene und beginnt wieder mit einer Täuschung. In Abwandlung des Konzepts des ''false awakening'' (siehe unten) kann hier von einem falschen Wachsein gesprochen werden; Matthias Brütsch nennt es ‚retroaktiver Modus‘ (vgl. Brütsch 2011, 182–211; vgl. auch Kuhn 2011, 286). Bumeder spricht in ''Inception'' von ‚Testträumen‘ (vgl. etwa 2014, 292). Die Zuschauenden werden, diesmal gemeinsam mit Ariadne (vgl. auch Eichner 2014, 183), die zu dem Zeitpunkt zu Cobb in einem Schülerin-Lehrer-Verhältnis steht, mit dem grundlegenden Konzept weiter vertraut gemacht; die Theorie wird ihr hauptsächlich im Dialog – so auch in der Wachwelt – nahegebracht. Filmisch sind dabei besonders die ''special effects'' der sich auflösenden Umgebung bedeutsam. Das Unterbewusstsein wird als betretbarer und manipulierbarer Raum charakterisiert sowie die wichtige Zeitkomponente verdeutlicht.
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Der '''zweite Traum''' erinnert in seiner Induktion an einen der ersten Traummanipulationsfilme, ''Dreamscape'' (1984), gefolgt von einer ersten Einstellung in subjektiver Kamera, die dann aber von einer filmisch geläufigeren scheinbaren Außenperspektive auf die Träumenden abgelöst wird. Wieder vermittelt er im Dialog wie auch in der visuell praktischen Erprobung durch Ariadne weitere Erklärungen zu der Kreation und den Eigenschaften künstlich erzeugter geteilter Träume. Besonders wichtig für die weitere Handlung sind die Reaktionen des ‚Immunsystems‘ sowie das erneute Auftauchen von Mal aus dem ersten Traum, die dabei wieder gewaltsam vorgeht. Das Unterbewusstsein erscheint dabei wiederum kinematografisch aufwändig in architektonischen Metaphern, die sich an Werken der Mathematik und Kunstgeschichte (‚unmögliche‘, paradoxe Räume, ''infinity mirror'' als visuelle ''mise en abyme'') orientieren, sowie in einer Rhetorik von Angriff und Verteidigung; es ist, so Cobb, nicht kontrollierbar. Neben den genannten Mitteln überwiegt mit Ausnahme der Paradoxa und eines sichtbaren Schnitts (In 28:24) dennoch continuity editing (‚unsichtbarer Schnitt‘), was die (vermeintliche) Sicherheit über den Traumstatus sowie die Kohärenz der Traumwelt verdeutlicht.
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Der '''zweite Traum''' erinnert in seiner Induktion an einen der ersten Traummanipulationsfilme, ''Dreamscape'' (1984), gefolgt von einer ersten Einstellung in subjektiver Kamera, die dann aber von einer filmisch geläufigeren scheinbaren Außenperspektive auf die Träumenden abgelöst wird. Wieder vermittelt er im Dialog wie auch in der visuell praktischen Erprobung durch Ariadne weitere Erklärungen zu der Kreation und den Eigenschaften künstlich erzeugter geteilter Träume. Besonders wichtig für die weitere Handlung sind die Reaktionen des ‚Immunsystems‘ sowie das erneute Auftauchen von Mal aus dem ersten Traum, die dabei wieder gewaltsam vorgeht. Das Unterbewusstsein erscheint dabei wiederum kinematografisch aufwändig in architektonischen Metaphern, die sich an Werken der Mathematik und Kunstgeschichte (‚unmögliche‘, paradoxe Räume, ''infinity mirror'' als visuelle ''mise en abyme'') orientieren, sowie in einer Rhetorik von Angriff und Verteidigung; es ist, so Cobb, nicht kontrollierbar. Neben den genannten Mitteln überwiegt mit Ausnahme der Paradoxa und eines sichtbaren Schnitts (In 28:24) dennoch ''continuity editing'' (‚unsichtbarer Schnitt‘), was die (vermeintliche) Sicherheit über den Traumstatus sowie die Kohärenz der Traumwelt verdeutlicht.
    
Der '''dritte Traum''' nimmt plottechnisch zwei Funktionen ein: Er lässt die Zuschauenden mehr über den ‚Bau‘ der komplexen Träume erfahren und Mal wird als reine Projektion Cobbs identifiziert, womit auf ihre Rolle im Fortgang der Handlung vorausgewiesen wird. Abermals findet dies im Dialog, diesmal mir Cobbs Partner Arthur statt. Gerade die Penrose-Treppe, hier wohl von Arthur erzeugt, wird in der ''inception'' Teil des zweiten Traumlevels mit Arthur sein (vgl. In 1:44:15–27). Die Illusion der Unendlichkeit wird durch eine Aufsicht der die Treppe betretenden Figuren zunächst aufrechterhalten, um dann durch eine vertikale Kamerafahrt zu einer starken Untersicht aufgelöst zu werden (vgl. In 38:33–40).
 
Der '''dritte Traum''' nimmt plottechnisch zwei Funktionen ein: Er lässt die Zuschauenden mehr über den ‚Bau‘ der komplexen Träume erfahren und Mal wird als reine Projektion Cobbs identifiziert, womit auf ihre Rolle im Fortgang der Handlung vorausgewiesen wird. Abermals findet dies im Dialog, diesmal mir Cobbs Partner Arthur statt. Gerade die Penrose-Treppe, hier wohl von Arthur erzeugt, wird in der ''inception'' Teil des zweiten Traumlevels mit Arthur sein (vgl. In 1:44:15–27). Die Illusion der Unendlichkeit wird durch eine Aufsicht der die Treppe betretenden Figuren zunächst aufrechterhalten, um dann durch eine vertikale Kamerafahrt zu einer starken Untersicht aufgelöst zu werden (vgl. In 38:33–40).
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==== Situierung und Beschreibung ====
 
==== Situierung und Beschreibung ====
In Mombasa trifft Cobb auf Eames (Tom Hardy), den er für die ''inception'' anheuern will. Cobb wird von Agenten von Cobol Engineering, seinem ehemaligen Auftraggeber, gejagt; somit findet auch in der (mutmaßlichen) Wachwelt eine Verfolgungsjagd im labyrinthartigen Gewirr einer Innenstadt statt. Der plötzlich auftauchende Saito rettet Cobb; durch Eames Vermittlung treffen beide auf Yusuf (Dileep Rao), der als chemist vorgesehen ist, also derjenige, der die pharmazeutischen Zutaten für tiefe und stabile Träume zur Verfügung stellt – offenbar sind Träume mit mehr als zwei Ebenen nur schwer stabil zu halten. Yusuf zeigt den anderen einen Raum im Untergeschoss, der wie eine Opiumhöhle früherer Zeit anmutet. Dort geben sich Menschen den ganzen Tag drogeninduzierten geteilten Träumen hin, da sie nur noch auf diese Weise träumen können; „the dream has become their reality“ (In 41:43–44), wie ein alter Mann sagt. In '''Cobbs kurzem Erinnerungstraum''' dort (In 41:50– 42:06) ist eine Montage von hauptsächlich Nah- und Großaufnahmen von Mal zu sehen, die zu ihm sagt: „You know how to find me. You know what you have to do“ (In 42:02–05), dazwischen eine Einstellung erschütterter Schienen, woraufhin er aufschreckt. Als er anschließend im Waschraum vor dem Spiegel steht, sieht Cobb in einer '''Halluzination''' ein Fenster mit wehenden Vorhängen und dort wieder Mal, versucht seinen Kreisel in Bewegung zu versetzen und wird von Saito unterbrochen (vgl. In 42:15–28).  
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In Mombasa trifft Cobb auf Eames, den er für die ''inception'' anheuern will. Cobb wird von Agenten von Cobol Engineering, seinem ehemaligen Auftraggeber, gejagt; somit findet auch in der (mutmaßlichen) Wachwelt eine Verfolgungsjagd im labyrinthartigen Gewirr einer Innenstadt statt. Der plötzlich auftauchende Saito rettet Cobb; durch Eames Vermittlung treffen beide auf Yusuf, der als ''chemist'' vorgesehen ist, also derjenige, der die pharmazeutischen Zutaten für tiefe und stabile Träume zur Verfügung stellt – offenbar sind Träume mit mehr als zwei Ebenen nur schwer stabil zu halten. Yusuf zeigt den anderen einen Raum im Untergeschoss, der wie eine Opiumhöhle früherer Zeit anmutet. Dort geben sich Menschen den ganzen Tag drogeninduzierten geteilten Träumen hin, da sie nur noch auf diese Weise träumen können; „the dream has become their reality“ (In 41:43–44), wie ein alter Mann sagt. In '''Cobbs kurzem Erinnerungstraum''' dort (In 41:50– 42:06) ist eine Montage von hauptsächlich Nah- und Großaufnahmen von Mal zu sehen, die zu ihm sagt: „You know how to find me. You know what you have to do“ (In 42:02–05), dazwischen eine Einstellung erschütterter Schienen, woraufhin er aufschreckt. Als er anschließend im Waschraum vor dem Spiegel steht, sieht Cobb in einer '''Halluzination''' ein Fenster mit wehenden Vorhängen und dort wieder Mal, versucht seinen Kreisel in Bewegung zu versetzen und wird von Saito unterbrochen (vgl. In 42:15–28).  
    
==== Analyse und Darstellungsbesonderheiten ====
 
==== Analyse und Darstellungsbesonderheiten ====
Hier wird die Kehrseite des ''shared dreaming'' deutlich, das wie eine Sucht zu totaler Abhängigkeit und Weltflucht führen kann. In Zusammenschau mit der ''inception'' und dem Ende des Films könnte dies auch Cobbs Schicksal sein. Zugleich liefern seine Erinnerungsbilder strukturell weitere Hinweise auf die bald folgenden Informationen über seine Vergangenheit. Außerdem stellt Cobbs kurzer Traum eine Erprobung des chemischen Mittels dar, das auch in der ''inception'' zur Anwendung kommen wird. Der Traum und die Halluzination, die gewissermaßen eine Fortführung des Traum ist, wirken wie assoziative Montagen zu Mal, sind aber tatsächlich in ihrer Bruchstückhaftigkeit nur vorläufig, da der nächste Traum und die ''inception'' das Bild komplettieren werden. Insofern erfüllen sie eine ähnliche Funktion wie die dann immer wiederkehrenden Bilder von Cobbs spielenden Kindern (siehe unten). Bemerkenswert ist, dass der Traum offensichtlich kein geteilter Traum ist, obwohl die anderen Menschen in der ‚Opiumhöhle‘ geteilt träumen. Die Szene vor dem Waschbecken greift variierend einen öfter filmisch bzw. seriell wiederkehrenden Horrortopos auf, eine ‚Spiegelszene‘, bei der die erlebende Figur im Spiegel eine unheimliche Veränderung an sich oder ihrer Umgebung bemerkt, die Erschrecken verursacht, und dann wieder erwacht. Ein kennzeichnendes Beispiel aus der SF ist die Eröffnungsszene von Star Trek: First Contact (1996; Regie: Jonathan Frakes).  
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Hier wird die Kehrseite des ''shared dreaming'' deutlich, das wie eine Sucht zu totaler Abhängigkeit und Weltflucht führen kann. In Zusammenschau mit der ''inception'' und dem Ende des Films könnte dies auch Cobbs Schicksal sein. Zugleich liefern seine Erinnerungsbilder strukturell weitere Hinweise auf die bald folgenden Informationen über seine Vergangenheit. Außerdem stellt Cobbs kurzer Traum eine Erprobung des chemischen Mittels dar, das auch in der ''inception'' zur Anwendung kommen wird. Der Traum und die Halluzination, die gewissermaßen eine Fortführung des Traum ist, wirken wie assoziative Montagen zu Mal, sind aber tatsächlich in ihrer Bruchstückhaftigkeit nur vorläufig, da der nächste Traum und die ''inception'' das Bild komplettieren werden. Insofern erfüllen sie eine ähnliche Funktion wie die dann immer wiederkehrenden Bilder von Cobbs spielenden Kindern (siehe unten). Bemerkenswert ist, dass der Traum offensichtlich kein geteilter Traum ist, obwohl die anderen Menschen in der ‚Opiumhöhle‘ geteilt träumen. Die Szene vor dem Waschbecken greift variierend einen öfter filmisch bzw. seriell wiederkehrenden Horrortopos auf, eine ‚Spiegelszene‘, bei der die erlebende Figur im Spiegel eine unheimliche Veränderung an sich oder ihrer Umgebung bemerkt, die Erschrecken verursacht, und dann wieder erwacht. Ein kennzeichnendes Beispiel aus der SF ist die Eröffnungsszene von ''Star Trek: First Contact'' (1996; Regie: Jonathan Frakes).  
    
=== Der Aufzugtraum (''prison of memories'') ===
 
=== Der Aufzugtraum (''prison of memories'') ===
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Streng genommen sind die verschiedenen ‚Stockwerke‘ keine Träume, sondern Erinnerungen Cobbs. Allerdings spielt dabei sowohl Unzuverlässigkeit hinein (vgl. besonders Einzelbeispiele in Bumeder 2014, 212 f.) wie ergänzend die Tatsache, dass Cobb seine Erinnerungen betreten und teils variieren kann, jedoch nicht nach Belieben. Die Anordnung der Erinnerungen mit dem Mittel des ‚Aufzugs‘ verfestigt die Nutzung architektonischer Bildmetaphorik in den Träumen sowie den Eindruck, das Bewusstsein bzw. in diesem Fall das Gedächtnis sei eine Art Gebäude (siehe auch entsprechende Mnemo-Techniken), in dem die verborgensten (‚verdrängten‘) Erinnerungen sich am tiefsten Punkt (‚Untergeschoss‘) befinden, angeordnet „from good to bad, from joyful to guilty and repressed“ (Knöppler 2015, 44).
 
Streng genommen sind die verschiedenen ‚Stockwerke‘ keine Träume, sondern Erinnerungen Cobbs. Allerdings spielt dabei sowohl Unzuverlässigkeit hinein (vgl. besonders Einzelbeispiele in Bumeder 2014, 212 f.) wie ergänzend die Tatsache, dass Cobb seine Erinnerungen betreten und teils variieren kann, jedoch nicht nach Belieben. Die Anordnung der Erinnerungen mit dem Mittel des ‚Aufzugs‘ verfestigt die Nutzung architektonischer Bildmetaphorik in den Träumen sowie den Eindruck, das Bewusstsein bzw. in diesem Fall das Gedächtnis sei eine Art Gebäude (siehe auch entsprechende Mnemo-Techniken), in dem die verborgensten (‚verdrängten‘) Erinnerungen sich am tiefsten Punkt (‚Untergeschoss‘) befinden, angeordnet „from good to bad, from joyful to guilty and repressed“ (Knöppler 2015, 44).
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Funktionell dient diese Sequenz einer Ergänzung und Erklärung vorheriger flashback-Sequenzen (siehe vollständig im Sequenzprotokoll bei Bumeder 2014, 291, 293, 295 f., 297 f.) zu Cobbs Vergangenheit/Hintergrundgeschichte, speziell zu seinen beiden Kindern, Mals Tod und seiner Beteiligung daran, die später gegenüber Ariadne und damit den Zuschauenden noch weiter aufgedeckt werden (vgl. auch Knöppler 2015, 43 f.). Zugleich werden den Zuschauenden die Auswirkungen eines ‚zu tief gehenden‘ Träumens und später einer fehlgegangenen ''inception'' verdeutlicht, u.a., da Cobb nur noch auf diese Weise träumen kann.
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Funktionell dient diese Sequenz einer Ergänzung und Erklärung vorheriger ''flashback''-Sequenzen (siehe vollständig im Sequenzprotokoll bei Bumeder 2014, 291, 293, 295 f., 297 f.) zu Cobbs Vergangenheit/Hintergrundgeschichte, speziell zu seinen beiden Kindern, Mals Tod und seiner Beteiligung daran, die später gegenüber Ariadne und damit den Zuschauenden noch weiter aufgedeckt werden (vgl. auch Knöppler 2015, 43 f.). Zugleich werden den Zuschauenden die Auswirkungen eines ‚zu tief gehenden‘ Träumens und später einer fehlgegangenen ''inception'' verdeutlicht, u.a., da Cobb nur noch auf diese Weise träumen kann.
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Filmisch fällt auf, dass gerade die Erinnerungsbilder an die beiden Kinder, die sich motivisch durch den Film ziehen, in ein dafür typisches roséfarbenes Licht getaucht und in Zeitlupe fotografiert sind. Die Erinnerung an den Moment des Weggehens wird zudem von Cobb explizit erzählt (voice over); er tritt damit diegetisch in Erscheinung. Ebenso wie die Kinder im Erinnerungsbild sind Cobb und Ariadne beim Betreten dieser Erinnerung durch einen Gang in Rückansicht gefilmt, was die Involvierung der Rezipierenden noch verstärkt (Rückenfiguren nach Art der bildenden Kunst, vgl. dazu Schlichter 2022, oder Videospielästhetik), bevor sie mittels Schuss-Gegenschuss wieder von vorn zu sehen sind (vgl. In 54:36–47).  
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Filmisch fällt auf, dass gerade die Erinnerungsbilder an die beiden Kinder, die sich motivisch durch den Film ziehen, in ein dafür typisches roséfarbenes Licht getaucht und in Zeitlupe fotografiert sind. Die Erinnerung an den Moment des Weggehens wird zudem von Cobb explizit erzählt (''voice over''); er tritt damit diegetisch in Erscheinung. Ebenso wie die Kinder im Erinnerungsbild sind Cobb und Ariadne beim Betreten dieser Erinnerung durch einen Gang in Rückansicht gefilmt, was die Involvierung der Rezipierenden noch verstärkt (Rückenfiguren nach Art der bildenden Kunst, vgl. dazu Schlichter 2022, oder Videospielästhetik), bevor sie mittels Schuss-Gegenschuss wieder von vorn zu sehen sind (vgl. In 54:36–47).  
    
Schon in der Stranderinnerung tritt Hans Zimmers Score explizit filmmusikalisch in Erscheinung. Das Zugmotiv, das sowohl auf einer Ebene wie in Mals Worten vorkommt, greift Cobbs Erinnerungstraum von zuvor auf und wird auch in der ''inception'' wiederkehren, ebenso wie Mal und das Fenster des Hotelzimmers. Anders als die sexuelle Rolle von Zügen im Traum bei Hitchcock (Koebner vermutet in seinen Ausführungen zu ''Dreamscape'' gar eine direkte Verbindung, vgl. 2018, 147; Truffaut und Scott 2010, 137; vgl. dagegen Freuds eigenen Zug-Traum in Freud 1961, 458–462) erinnert der Zug hier daran, dass er Cobb als Mittel diente, um Mal und sich im Traum zu ‚töten‘ und damit aufzuwachen. Rogy  erinnert ergänzend an einen der ersten Stummfilme der Lumière-Brüder, der eine Zugankunft zeigt (vgl. 2018, 170). Zudem besteht eine assoziative Verbindung zum „Eisenbahn- und Nervendiskurs“ und Träumen zu Beginn des 20. Jahrhunderts (vgl. dazu kulturhistorisch Baßler 2012, 21–25).
 
Schon in der Stranderinnerung tritt Hans Zimmers Score explizit filmmusikalisch in Erscheinung. Das Zugmotiv, das sowohl auf einer Ebene wie in Mals Worten vorkommt, greift Cobbs Erinnerungstraum von zuvor auf und wird auch in der ''inception'' wiederkehren, ebenso wie Mal und das Fenster des Hotelzimmers. Anders als die sexuelle Rolle von Zügen im Traum bei Hitchcock (Koebner vermutet in seinen Ausführungen zu ''Dreamscape'' gar eine direkte Verbindung, vgl. 2018, 147; Truffaut und Scott 2010, 137; vgl. dagegen Freuds eigenen Zug-Traum in Freud 1961, 458–462) erinnert der Zug hier daran, dass er Cobb als Mittel diente, um Mal und sich im Traum zu ‚töten‘ und damit aufzuwachen. Rogy  erinnert ergänzend an einen der ersten Stummfilme der Lumière-Brüder, der eine Zugankunft zeigt (vgl. 2018, 170). Zudem besteht eine assoziative Verbindung zum „Eisenbahn- und Nervendiskurs“ und Träumen zu Beginn des 20. Jahrhunderts (vgl. dazu kulturhistorisch Baßler 2012, 21–25).
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Die ''inception'' (In 58:17–2:15:12) stellt als eine Art Achsenspiegelung des Eingangstraums den End- und zugleich Höhepunkt des Traumgeschehens in dem Film dar. Nach den umfangreichen Vorbereitungen wird das Team im Anschluss an den oben beschriebenen Aufzugtraum durch den Tod des Vaters des Ziels Robert Fischer gedrängt, mit der ''inception'' zu beginnen, denn Fischer als Erbe des Firmenimperiums sollen in Saitos Auftrag nicht Information entzogen, sondern ein Gedanke ‚eingepflanzt‘ werden (inceptio = Beginn oder Vorhaben). Die Konstruktion dieses Gedankens war ebenfalls Gegenstand der Vorbereitungen, wobei sich das Team auf Anraten von Cobb und Eames für einen positiven als wirkmächtigeren Gedanken in Zusammenhang mit Fischers schwierigem Verhältnis zu seinem Vater entschieden hat.
 
Die ''inception'' (In 58:17–2:15:12) stellt als eine Art Achsenspiegelung des Eingangstraums den End- und zugleich Höhepunkt des Traumgeschehens in dem Film dar. Nach den umfangreichen Vorbereitungen wird das Team im Anschluss an den oben beschriebenen Aufzugtraum durch den Tod des Vaters des Ziels Robert Fischer gedrängt, mit der ''inception'' zu beginnen, denn Fischer als Erbe des Firmenimperiums sollen in Saitos Auftrag nicht Information entzogen, sondern ein Gedanke ‚eingepflanzt‘ werden (inceptio = Beginn oder Vorhaben). Die Konstruktion dieses Gedankens war ebenfalls Gegenstand der Vorbereitungen, wobei sich das Team auf Anraten von Cobb und Eames für einen positiven als wirkmächtigeren Gedanken in Zusammenhang mit Fischers schwierigem Verhältnis zu seinem Vater entschieden hat.
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Abermals handelt es sich um einen Traum im Traum, der diesmal jedoch für Figuren wie Zuschauende von Beginn an als solcher bekannt ist. Eine bedingte Ausnahme ist dabei Fischer, der erst sukzessive in die Struktur des Traums eingeweiht und die ganze Zeit von Cobbs Team manipuliert wird. Der Traum besteht – neben dem Limbus – aus drei Ebenen, für die jeweils wieder ein Mitglied verantwortlich zeichnet, das zudem eine spezifische Funktion hat: Yusuf ist als chemist dafür zuständig, ein starkes Sedativ zu verabreichen, um auf tiefere Traumebenen gelangen zu können, Arthur (Joseph Gordon-Levitt) kontrolliert die zweite Traumebene, Eames ist der Gestaltwandler (forger) und erweckt in Fischer zunächst den Eindruck, sein Pate zu sein. Cobb und Ariadne dringen dann mit Saito bis auf die dritte Traumebene und dann in den Limbus vor. Ariadne hat, resultierend aus dem vorangegangenen Aufzugtraum, darauf bestanden, ebenfalls Teil der ''inception'' zu sein.
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Abermals handelt es sich um einen Traum im Traum, der diesmal jedoch für Figuren wie Zuschauende von Beginn an als solcher bekannt ist. Eine bedingte Ausnahme ist dabei Fischer, der erst sukzessive in die Struktur des Traums eingeweiht und die ganze Zeit von Cobbs Team manipuliert wird. Der Traum besteht – neben dem Limbus – aus drei Ebenen, für die jeweils wieder ein Mitglied verantwortlich zeichnet, das zudem eine spezifische Funktion hat: Yusuf ist als ''chemist'' dafür zuständig, ein starkes Sedativ zu verabreichen, um auf tiefere Traumebenen gelangen zu können, Arthur kontrolliert die zweite Traumebene, Eames ist der Gestaltwandler (''forger'') und erweckt in Fischer zunächst den Eindruck, sein Pate zu sein. Cobb und Ariadne dringen dann mit Saito bis auf die dritte Traumebene und dann in den Limbus vor. Ariadne hat, resultierend aus dem vorangegangenen Aufzugtraum, darauf bestanden, ebenfalls Teil der ''inception'' zu sein.
 
[[Datei:Inception Ebenen.png|mini|350x350px|Die Ebenenstruktur der ''inception''.]]
 
[[Datei:Inception Ebenen.png|mini|350x350px|Die Ebenenstruktur der ''inception''.]]
 
Die ''inception'' ist nach Vorbild eines Heist-Movies dramaturgisch gestaltet, wobei sich u.a. durch Cobbs ungelöste Erinnerungen an seine Frau unvorhergesehene Probleme ergeben. Filmisch dominiert abermals die Parallelmontage, so dass sehr oft zwischen den Traumebenen per Schnitt gewechselt wird, die Zuschauenden jedoch stets über die Struktur orientiert bleiben. So enthalten die Zeiten einer Ebene zunehmend auch die parallel montierten Ereignisse auf höheren Ebenen (vgl. anders die Zusammenfassungen in Böhme 2013). Zur Differenzierung tragen auch die verschiedenen Wetterbedingungen, Settings und Farbgestaltungen bei (vgl. Kiss 2012, 47). Dabei ist das oben eingeführte unterschiedliche Vergehen der Zeit entscheidend, weshalb Zeitlupeneinstellungen als zweites wichtigstes filmisches Mittel ebenfalls prominent vorkommen.
 
Die ''inception'' ist nach Vorbild eines Heist-Movies dramaturgisch gestaltet, wobei sich u.a. durch Cobbs ungelöste Erinnerungen an seine Frau unvorhergesehene Probleme ergeben. Filmisch dominiert abermals die Parallelmontage, so dass sehr oft zwischen den Traumebenen per Schnitt gewechselt wird, die Zuschauenden jedoch stets über die Struktur orientiert bleiben. So enthalten die Zeiten einer Ebene zunehmend auch die parallel montierten Ereignisse auf höheren Ebenen (vgl. anders die Zusammenfassungen in Böhme 2013). Zur Differenzierung tragen auch die verschiedenen Wetterbedingungen, Settings und Farbgestaltungen bei (vgl. Kiss 2012, 47). Dabei ist das oben eingeführte unterschiedliche Vergehen der Zeit entscheidend, weshalb Zeitlupeneinstellungen als zweites wichtigstes filmisches Mittel ebenfalls prominent vorkommen.
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'''(4) Traumebene Bergfestung/Eames’ Traumebene''' (ab In 1:37:00): Nun werden in Parallelmontagen die drei Traumebenen gezeigt. Auf der dritten Traumebene (4) greifen Cobb und sein Team die Bergfestung an, auf der zweiten Traumebene (3) setzt sich Arthur im Hotel gegen Fischers Unterbewusstsein zur Wehr und auf der ersten (2) muss Yusuf, während er den Van durch die Stadt steuert, ebenfalls gegen Angreifer kämpfen. Bewegungen des Vans beeinflussen dann die Beschaffenheit der unteren Ebenen; so erzeugt das Befahren einer Kurve in (2) eine subjektive Verlangsamung (gezeigt als Zeitlupeneinstellung), die in (3) die Gravitation verschiebt (schräge Kamera, ‚Schwerelosigkeit‘) und in (4) Erschütterungen und Lawinen hervorruft. In (4) hat das Team sich aufgeteilt: Fischer soll, um die ‚Wahrheit‘ über seinen Vater zu erfahren, selbst den Tresor öffnen, während Yusuf unter Beschuss in (2) den Van über die Brüstung der Brücke steuert. Durch Kopfhörer übermittelt er Arthur in (3) mittels des Piaf-Chansons, dass es bald Zeit ist, aufzuwachen. Durch die Zeitexpansion der Traumebenen hat Yusuf nur noch 10 Sekunden, Arthur 3 Minuten und haben Cobb und die anderen 1 Stunde Zeit (vgl. In 1:42:46–58), sie müssen ihre Route verkürzen.
 
'''(4) Traumebene Bergfestung/Eames’ Traumebene''' (ab In 1:37:00): Nun werden in Parallelmontagen die drei Traumebenen gezeigt. Auf der dritten Traumebene (4) greifen Cobb und sein Team die Bergfestung an, auf der zweiten Traumebene (3) setzt sich Arthur im Hotel gegen Fischers Unterbewusstsein zur Wehr und auf der ersten (2) muss Yusuf, während er den Van durch die Stadt steuert, ebenfalls gegen Angreifer kämpfen. Bewegungen des Vans beeinflussen dann die Beschaffenheit der unteren Ebenen; so erzeugt das Befahren einer Kurve in (2) eine subjektive Verlangsamung (gezeigt als Zeitlupeneinstellung), die in (3) die Gravitation verschiebt (schräge Kamera, ‚Schwerelosigkeit‘) und in (4) Erschütterungen und Lawinen hervorruft. In (4) hat das Team sich aufgeteilt: Fischer soll, um die ‚Wahrheit‘ über seinen Vater zu erfahren, selbst den Tresor öffnen, während Yusuf unter Beschuss in (2) den Van über die Brüstung der Brücke steuert. Durch Kopfhörer übermittelt er Arthur in (3) mittels des Piaf-Chansons, dass es bald Zeit ist, aufzuwachen. Durch die Zeitexpansion der Traumebenen hat Yusuf nur noch 10 Sekunden, Arthur 3 Minuten und haben Cobb und die anderen 1 Stunde Zeit (vgl. In 1:42:46–58), sie müssen ihre Route verkürzen.
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Als sie in (4) die Lawine als ersten ''kick'' verpassen, entstehen neue Schwierigkeiten, Arthur muss eine Lösung finden, die Schwerelosigkeit in seiner Ebene aufzuheben, um alle aufwachen zu lassen. Dazu bindet er alle Schlafenden zu einer ‚Skulptur‘ zusammen und bringt sie in den Aufzug, den er später abstürzen lassen wird. Währenddessen haben Saito und Fischer die Festung durch einen Belüftungsschacht betreten, während die Projektionen von Eames sowie Cobb angegriffen und damit abgelenkt werden. Fischer betritt den strongroom (ab In 1:50:41) und wird dort kurz darauf von Mal erschossen und damit in den ''limbo'' befördert. Ariadne sieht es als möglich an, ihn dort zu suchen und dann mithilfe der koordinierten übergeordneten ''kicks'' wieder aufzuwachen (vgl. In 1:53:03). Eames und der schwerverletzte Saito verteidigen indessen die Festung gegen aggressiver angreifende Projektionen.
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Als sie in (4) die Lawine als ersten ''kick'' verpassen, entstehen neue Schwierigkeiten, Arthur muss eine Lösung finden, die Schwerelosigkeit in seiner Ebene aufzuheben, um alle aufwachen zu lassen. Dazu bindet er alle Schlafenden zu einer ‚Skulptur‘ zusammen und bringt sie in den Aufzug, den er später abstürzen lassen wird. Währenddessen haben Saito und Fischer die Festung durch einen Belüftungsschacht betreten, während die Projektionen von Eames sowie Cobb angegriffen und damit abgelenkt werden. Fischer betritt den ''strongroom'' (ab In 1:50:41) und wird dort kurz darauf von Mal erschossen und damit in den ''limbo'' befördert. Ariadne sieht es als möglich an, ihn dort zu suchen und dann mithilfe der koordinierten übergeordneten ''kicks'' wieder aufzuwachen (vgl. In 1:53:03). Eames und der schwerverletzte Saito verteidigen indessen die Festung gegen aggressiver angreifende Projektionen.
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'''(5) Limbus, Cobbs und Mals Haus/gemeinsame Traumwelt''' (ab In 1:53:47): Cobb und Ariadne schlafen in der Festung ein und ‚wachen‘ dann in der Brandung des ''limbo'' auf. Dieser besteht aus unzähligen Gebäuden, die am Strand ähnlich wie Eisberge in der Arktis abbrechen. Cobb erzählt vom Aufbau der Stadt und der verschiedenen Häuser aus seiner und Mals Erinnerung. Schließlich in ihrem gemeinsamen Haus (bekannt aus dem Aufzugtraum) angekommen, wird offenbar, dass Cobb Mal damals die Idee ‚eingepflanzt‘ hatte, dass die aktuelle Welt nicht real sei. Die dort wartende Mal bzw. ihre Projektion deutet an, dass doch auch Cobb sich über die Realität nicht mehr sicher sei, da er sich überall gejagt und von Projektionen verfolgt fühle. Er solle sich entscheiden, im Limbus zu bleiben. Cobb erklärt, dass seine Schuld ihn immer an die Realität erinnere. Ergänzt um Rückblenden (vgl. zu der komplexen Beziehung von Ton- und Bildebene Bumeder 2014, 211–220) erzählt Cobb (voice over/Parallelmontage), wie er die erste ''inception'' bei Mal durchgeführt hatte, um sie zum Verlassen des Limbus zu bewegen: Indem er ihr ''totem'', den Kreisel, den sie geschützt in einem Tresor aufbewahrt hatte, in Drehung versetzt hat, erzeugte er in ihr den Glauben, dass die sie umgebende Welt ein Traum ist; um aufzuwachen, ‚töteten‘ beide sich auf den Geleisen.
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'''(5) Limbus, Cobbs und Mals Haus/gemeinsame Traumwelt''' (ab In 1:53:47): Cobb und Ariadne schlafen in der Festung ein und ‚wachen‘ dann in der Brandung des ''limbo'' auf. Dieser besteht aus unzähligen Gebäuden, die am Strand ähnlich wie Eisberge in der Arktis abbrechen. Cobb erzählt vom Aufbau der Stadt und der verschiedenen Häuser aus seiner und Mals Erinnerung. Schließlich in ihrem gemeinsamen Haus (bekannt aus dem Aufzugtraum) angekommen, wird offenbar, dass Cobb Mal damals die Idee ‚eingepflanzt‘ hatte, dass die aktuelle Welt nicht real sei. Die dort wartende Mal bzw. ihre Projektion deutet an, dass doch auch Cobb sich über die Realität nicht mehr sicher sei, da er sich überall gejagt und von Projektionen verfolgt fühle. Er solle sich entscheiden, im Limbus zu bleiben. Cobb erklärt, dass seine Schuld ihn immer an die Realität erinnere. Ergänzt um Rückblenden (vgl. zu der komplexen Beziehung von Ton- und Bildebene Bumeder 2014, 211–220) erzählt Cobb (''voice over''/Parallelmontage), wie er die erste ''inception'' bei Mal durchgeführt hatte, um sie zum Verlassen des Limbus zu bewegen: Indem er ihr ''totem'', den Kreisel, den sie geschützt in einem Tresor aufbewahrt hatte, in Drehung versetzt hat, erzeugte er in ihr den Glauben, dass die sie umgebende Welt ein Traum ist; um aufzuwachen, ‚töteten‘ beide sich auf den Geleisen.
    
'''(b) Tresorraum mit Krankenbett als Unterphase, darin (i) Tresor mit Windrad''': Indes wird eine Kette von Ereignissen, die zum Aufwachen führen sollen, in Gang gesetzt: Saito stirbt auf Ebene (4), Arthur beginnt, Eames durch das Lied zu wecken, dieser bereitet in (4) Fischers ‚Wiederbelebung‘ vor, Ariadne bemerkt diese Maßnahmen im Limbus (5) als Gewitter, der Van nähert sich dem Aufprall in (2), Arthur löst die erste Explosion des Fahrstuhlschachtes in (3) aus, Eames belebt Fischer wieder (4), Ariadne findet Fischer wieder lebendig (5). Cobb entscheidet, im Limbus zu bleiben, um Saito dort zu finden, hat aber erkannt, dass Mal nicht existiert, er sie nicht in ihrer Komplexität imaginieren und nicht wegen ihr bleiben kann. Mal greift ihn daraufhin mit einem Messer an, wird von Ariadne ‚erschossen‘, die Fischer zum Auslösen eines ''kicks'' aus dem Hochhaus stößt, der in (4) aufwacht, wo er den Tresorraum öffnet und dort seinen Vater in seinem Krankenbett vorfindet, der ihm seine letzten Worte anders auslegt („FISCHER JUN. I know you were disappointed I couldn’t be you. FISCHER SEN. No. No, no, I was disappointed that you tried“, In 2:08:03–16). Im Tresor findet er ein Windrad, das er auf einem Kindheitsfoto hatte. Eames löst auch in (4) eine Explosion aus, in (3) setzt die Schwerelosigkeit wieder ein, in (5) bemerkt Cobb, dass die Gebäude auseinandergerissen werden, Fischer erwacht in (3), dann Eames, Ariadne warnt Cobb und lässt sich in (5) fallen und erwacht in (4), dann in (3), während die Ebenentopografien zerfallen, dann in (2), während der Van aufs Wasser prallt (bis In 2:10:52). Währenddessen hält Cobb die sterbende Mal und suggeriert (?) ihr in einer möglicherweise ‚lügenden‘ Rückblende (vgl. Bumeder 2014, 212–218), wie sie zusammen alt geworden seien, beteuert, er müsse sie gehen lassen und sie stirbt.  
 
'''(b) Tresorraum mit Krankenbett als Unterphase, darin (i) Tresor mit Windrad''': Indes wird eine Kette von Ereignissen, die zum Aufwachen führen sollen, in Gang gesetzt: Saito stirbt auf Ebene (4), Arthur beginnt, Eames durch das Lied zu wecken, dieser bereitet in (4) Fischers ‚Wiederbelebung‘ vor, Ariadne bemerkt diese Maßnahmen im Limbus (5) als Gewitter, der Van nähert sich dem Aufprall in (2), Arthur löst die erste Explosion des Fahrstuhlschachtes in (3) aus, Eames belebt Fischer wieder (4), Ariadne findet Fischer wieder lebendig (5). Cobb entscheidet, im Limbus zu bleiben, um Saito dort zu finden, hat aber erkannt, dass Mal nicht existiert, er sie nicht in ihrer Komplexität imaginieren und nicht wegen ihr bleiben kann. Mal greift ihn daraufhin mit einem Messer an, wird von Ariadne ‚erschossen‘, die Fischer zum Auslösen eines ''kicks'' aus dem Hochhaus stößt, der in (4) aufwacht, wo er den Tresorraum öffnet und dort seinen Vater in seinem Krankenbett vorfindet, der ihm seine letzten Worte anders auslegt („FISCHER JUN. I know you were disappointed I couldn’t be you. FISCHER SEN. No. No, no, I was disappointed that you tried“, In 2:08:03–16). Im Tresor findet er ein Windrad, das er auf einem Kindheitsfoto hatte. Eames löst auch in (4) eine Explosion aus, in (3) setzt die Schwerelosigkeit wieder ein, in (5) bemerkt Cobb, dass die Gebäude auseinandergerissen werden, Fischer erwacht in (3), dann Eames, Ariadne warnt Cobb und lässt sich in (5) fallen und erwacht in (4), dann in (3), während die Ebenentopografien zerfallen, dann in (2), während der Van aufs Wasser prallt (bis In 2:10:52). Währenddessen hält Cobb die sterbende Mal und suggeriert (?) ihr in einer möglicherweise ‚lügenden‘ Rückblende (vgl. Bumeder 2014, 212–218), wie sie zusammen alt geworden seien, beteuert, er müsse sie gehen lassen und sie stirbt.  
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Abermals handelt es sich – wie schon bei der ''extraction'', dem Eingangstraum – um einen Traum mit mehrere Traumebenen. Diese sind nicht nur hinsichtlich der ihnen zugeordneten verantwortlichen Personen voneinander unterschieden, sondern auch in Bezug auf die Orte. Erneut sind Transportmittel (Flugzeug, Van) und Architektur (Versteck, Hotel, Bergfestung) bezeichnende Gestaltungsmittel der Ebenen. Hinzu kommen die Aufzüge (zweite Traumebene und Limbus), die Röhren des Belüftungssystems in (4), durch die die Festung ‚von unten‘ betreten werden kann, die Brandung sowie der Saferaum, der Tresorraum und dort Fischer seniors Tresor als Unterphasen. Trotz der vielfach eingesetzten Parallelmontage handelt es sich jedoch nicht direkt um parallele Traumebenen (so Haydn Smith 2020, 195), da sie hierarchisch betreten werden.
 
Abermals handelt es sich – wie schon bei der ''extraction'', dem Eingangstraum – um einen Traum mit mehrere Traumebenen. Diese sind nicht nur hinsichtlich der ihnen zugeordneten verantwortlichen Personen voneinander unterschieden, sondern auch in Bezug auf die Orte. Erneut sind Transportmittel (Flugzeug, Van) und Architektur (Versteck, Hotel, Bergfestung) bezeichnende Gestaltungsmittel der Ebenen. Hinzu kommen die Aufzüge (zweite Traumebene und Limbus), die Röhren des Belüftungssystems in (4), durch die die Festung ‚von unten‘ betreten werden kann, die Brandung sowie der Saferaum, der Tresorraum und dort Fischer seniors Tresor als Unterphasen. Trotz der vielfach eingesetzten Parallelmontage handelt es sich jedoch nicht direkt um parallele Traumebenen (so Haydn Smith 2020, 195), da sie hierarchisch betreten werden.
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Innerhalb der Traumarchitektur finden sich verschiedene Markierungen der Übergänge und filmische Gestaltungsmittel. Das Einschlafen auf der Wachebene (1) wird u.a. durch eine Großaufnahme von Fischers Hand, die schlaff zu Boden fällt, mit dem Kabel der trauminduzierenden Maschine verdeutlicht (vgl. In 1:01:26 f.), die erste Traumebene (2) beginnt dann mit einer Aufblende von Yusuf im Regen in der Stadt. Weiterhin ist diese durch Actionsequenzen mit schnellen Einstellungswechseln und unruhiger Kamera gekennzeichnet. Die zweite Traumebene (3) beginnt mit einer Nahaufnahme Fischers in der Hotelbar (vgl. In 1:21:53–55), der Übergang zur dritten Traumebene (4) wird von den hellen Vorhängen aus Cobbs Erinnerung an Mals Suizid symbolisiert, die in eine Weißblende übergehen, welche dann von einer Nahaufnahme Cobbs abgelöst wird (vgl. In 1:36:48–1:37:00). Dies deutet an, dass nunmehr auch Cobbs Bewältigung im Zentrum des Traum stehen wird. Der Übergang zum Limbus (5) ist dann wieder konventionell durch eine Nahaufnahme Ariadnes umgesetzt, die daraufhin in der geträumten Brandung aufwacht (vgl. In 1:53:43–53).  
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Innerhalb der Traumarchitektur finden sich verschiedene Markierungen der Übergänge und filmische Gestaltungsmittel. Das Einschlafen auf der Wachebene (1) wird u.a. durch eine Großaufnahme von Fischers Hand, die schlaff zu Boden fällt, mit dem Kabel der trauminduzierenden Maschine verdeutlicht (vgl. In 1:01:26 f.), die erste Traumebene (2) beginnt dann mit einer Aufblende von Yusuf im Regen in der Stadt. Weiterhin ist diese durch Actionsequenzen mit schnellen Einstellungswechseln und unruhiger Kamera gekennzeichnet. Die zweite Traumebene (3) beginnt mit einer Nahaufnahme Fischers in der Hotelbar (vgl. In 1:21:53–55), der Übergang zur dritten Traumebene (4) wird von den hellen Vorhängen aus Cobbs Erinnerung an Mals Suizid symbolisiert, die in eine Weißblende übergehen, welche dann von einer Nahaufnahme Cobbs abgelöst wird (vgl. In 1:36:48–1:37:00). Dies deutet an, dass nunmehr auch Cobbs Bewältigung im Zentrum des Traums stehen wird. Der Übergang zum Limbus (5) ist dann wieder konventionell durch eine Nahaufnahme Ariadnes umgesetzt, die daraufhin in der geträumten Brandung aufwacht (vgl. In 1:53:43–53).  
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Im Rahmen von Cobbs Rekapitulation der bei Mal durchgeführten ''inception'' (In 2:01:22–2:03:45) findet sich noch eine auffällige Gestaltung deren Aufwachens (wobei es hier zu bedenken gilt, dass die vermittelnde Instanz dieser Bilder uneindeutig und unzuverlässig ist, vgl. Bumeder 2014, 213–218, 222 f.): Mal ist in einer um 90° gekanteten nahen Bildeinstellung mit dem Kopf auf den Schienen im Limbus zu sehen, dann folgen eine kurze Schwarzblende, drei subliminale Bilder (vgl. In 2:03:13), dann erwacht sie direkt in der Realität, ohne weitere Ebenen zu durchschreiten (vgl. In 2:03:13–15). Die subliminalen Bilder (Einzelbilder, nur in einem Sekundenbruchteil wahrzunehmen), die nicht genau identifizierbar sind, können auch als Zwischenschritt begriffen werden; sie wirken wie ein Blick zwischen Güterwaggons hindurch. Interessant ist auch Ariadnes Aufwachen aus dem Limbus, als sie sich nach Fischer rückwärts von einem Hochhaus stürzt (vgl. In 2:10:19–22): Dabei ist ihr Kopf in Nahaufnahme vor einer Art Rückprojektion zu sehen. Dies verdeutlicht die Irrealität der Traumumgebung und überträgt ggf. ein empfundenes Schwindelgefühl auf das Publikum. Cobbs mutmaßliches Erwachen in der Wachwelt (vgl. In 2:15:12–20) geht mit einer Großaufnahme seiner Augen einher, er blickt sich um, es folgt eine Art jump cut zu eine Halbnahaufnahme, dann wird langsam weiter auf seine Umgebung im Flugzeug herausgezoomt. Zugleich ist damit die Konzentration auf Cobbs Wahrnehmung verdeutlicht, ebenso auch seine vorübergehende Irritation und Ungläubigkeit, was die Zuschauenden gleichfalls empfinden können.
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Im Rahmen von Cobbs Rekapitulation der bei Mal durchgeführten ''inception'' (In 2:01:22–2:03:45) findet sich noch eine auffällige Gestaltung deren Aufwachens (wobei es hier zu bedenken gilt, dass die vermittelnde Instanz dieser Bilder uneindeutig und unzuverlässig ist, vgl. Bumeder 2014, 213–218, 222 f.): Mal ist in einer um 90° gekanteten nahen Bildeinstellung mit dem Kopf auf den Schienen im Limbus zu sehen, dann folgen eine kurze Schwarzblende, drei subliminale Bilder (vgl. In 2:03:13), dann erwacht sie direkt in der Realität, ohne weitere Ebenen zu durchschreiten (vgl. In 2:03:13–15). Die subliminalen Bilder (Einzelbilder, nur in einem Sekundenbruchteil wahrzunehmen), die nicht genau identifizierbar sind, können auch als Zwischenschritt begriffen werden; sie wirken wie ein Blick zwischen Güterwaggons hindurch. Interessant ist auch Ariadnes Aufwachen aus dem Limbus, als sie sich nach Fischer rückwärts von einem Hochhaus stürzt (vgl. In 2:10:19–22): Dabei ist ihr Kopf in Nahaufnahme vor einer Art Rückprojektion zu sehen. Dies verdeutlicht die Irrealität der Traumumgebung und überträgt ggf. ein empfundenes Schwindelgefühl auf das Publikum. Cobbs mutmaßliches Erwachen in der Wachwelt (vgl. In 2:15:12–20) geht mit einer Großaufnahme seiner Augen einher, er blickt sich um, es folgt eine Art ''jump cut'' zu eine Halbnahaufnahme, dann wird langsam weiter auf seine Umgebung im Flugzeug herausgezoomt. Zugleich ist damit die Konzentration auf Cobbs Wahrnehmung verdeutlicht, ebenso auch seine vorübergehende Irritation und Ungläubigkeit, was die Zuschauenden gleichfalls empfinden können.
    
Inhaltlich liefert gerade die erste Traumebene viele wichtige Informationen für die Handlung des Films, anderes trägt zu seiner bleibenden Rätselhaftigkeit bei. Kennzeichnend für die Erklärung der Traumeigenschaften sind die Besonderheiten, wegen der Gabe eines Sedativs beim ‚Tod‘ in den ''limbo'' zu führen statt zum Aufwachen (Traum im Traum), sowie besonders Cobbs Informationen (Rückblenden) zu seinem und Mals Aufenthalt im Limbus und den gravierenden Folgen für Mal. Besonders Wiederholungselemente wie der Dialog zwischen Saito und Cobb (vgl. dazu Böhme 2013, 449; Bumeder 2014, 278 f.), das Angeschwemmtwerden „on the shore of our own subconscious“ (In 1:13:11) zu Beginn, in der Rückblende, mit Ariadne und am Ende des Films und Mals/Cobbs ‚train‘-Rezitation zählen zu den dauerhaft rätselhaften Elementen des Films. Rückblickend werden so allerdings einige der Elemente aus Cobbs Erinnerungstraum (Aufzug) zuvor deutlicher. Bedeutsam ist auch das erneute Verwenden einer Safe-Metapher, die offensichtlich auf Cobb und Mal zurückgeht, die ihren Glauben an die Realität laut Cobb mehrfach eingeschlossen hat (Haus, Puppenhaus, Safe, dort Kreisel als Symbol, vgl. In 1:14:00–12). Die zweite Traumebene (3) ist dagegen auf den Trickbetrug konzentriert, dass wie im Eingangstraum Saito nun Fischer an seinem Unterbewusstsein zweifeln soll, um zugleich dessen Wehrhaftigkeit unterwandern zu können. Auf der dritten Traumebene (4) spielt sich vor allem ein Kampf (vgl. auch Böhme 2013, 456) gegen die Projektionen (und die Zeit) ab, der sehr stark Belagerungsszenen in verschiedenen James-Bond-Filmen ähnelt (siehe unten). Zugleich ist er schließlich Schauplatz der in der letzten Minute erfolgreichen ''inception'', als sich Fischers Wunsch nach Akzeptanz durch seinen Vater erfüllt. Der Limbus schließlich ist sehr architektural gestaltet und zugleich von den Offenbarungen über die Natur von Cobbs früherer ''inception'' bei Mal sowie die finale Konfrontation mit seinen Erinnerungen geprägt.
 
Inhaltlich liefert gerade die erste Traumebene viele wichtige Informationen für die Handlung des Films, anderes trägt zu seiner bleibenden Rätselhaftigkeit bei. Kennzeichnend für die Erklärung der Traumeigenschaften sind die Besonderheiten, wegen der Gabe eines Sedativs beim ‚Tod‘ in den ''limbo'' zu führen statt zum Aufwachen (Traum im Traum), sowie besonders Cobbs Informationen (Rückblenden) zu seinem und Mals Aufenthalt im Limbus und den gravierenden Folgen für Mal. Besonders Wiederholungselemente wie der Dialog zwischen Saito und Cobb (vgl. dazu Böhme 2013, 449; Bumeder 2014, 278 f.), das Angeschwemmtwerden „on the shore of our own subconscious“ (In 1:13:11) zu Beginn, in der Rückblende, mit Ariadne und am Ende des Films und Mals/Cobbs ‚train‘-Rezitation zählen zu den dauerhaft rätselhaften Elementen des Films. Rückblickend werden so allerdings einige der Elemente aus Cobbs Erinnerungstraum (Aufzug) zuvor deutlicher. Bedeutsam ist auch das erneute Verwenden einer Safe-Metapher, die offensichtlich auf Cobb und Mal zurückgeht, die ihren Glauben an die Realität laut Cobb mehrfach eingeschlossen hat (Haus, Puppenhaus, Safe, dort Kreisel als Symbol, vgl. In 1:14:00–12). Die zweite Traumebene (3) ist dagegen auf den Trickbetrug konzentriert, dass wie im Eingangstraum Saito nun Fischer an seinem Unterbewusstsein zweifeln soll, um zugleich dessen Wehrhaftigkeit unterwandern zu können. Auf der dritten Traumebene (4) spielt sich vor allem ein Kampf (vgl. auch Böhme 2013, 456) gegen die Projektionen (und die Zeit) ab, der sehr stark Belagerungsszenen in verschiedenen James-Bond-Filmen ähnelt (siehe unten). Zugleich ist er schließlich Schauplatz der in der letzten Minute erfolgreichen ''inception'', als sich Fischers Wunsch nach Akzeptanz durch seinen Vater erfüllt. Der Limbus schließlich ist sehr architektural gestaltet und zugleich von den Offenbarungen über die Natur von Cobbs früherer ''inception'' bei Mal sowie die finale Konfrontation mit seinen Erinnerungen geprägt.
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Die schon in der ersten Traumebene genutzte Zahlensymbolik des Safecodes wird in (3) in den Zimmernummern aufgegriffen und öffnet schließlich den Tresor in (4). Besonders die Manipulation der Zeit und des Raums, speziell der Schwerkraft, tritt in Ebene (3) in den Vordergrund. Dies äußert sich in (extremen) Zeitlupenaufnahmen (z.B. In 1:25:05 des Vans), schrägen Aufnahmen der Hotelflure, Tricksequenzen, in denen Decke und Wände, an denen Arthur und die Projektionen kämpfen, umgekehrt sind, Unschärfen und Rückansichten Arthurs, die die Zuschauenden in das Geschehen involvieren. Dabei tritt analog zum dritten Lerntraum eine Art Penrose-Treppe innerhalb des Hotels auf, die, zunächst in Aufsicht gefilmt, herangezoomt und dann durch vertikale Kamerafahrt zu einer starken Untersicht ihre „paradox[e]“ Natur dem dann von Arthur Hinabgestürzten offenbart (vgl. In 1:44:17–28). So wie einige der Kamerafahrten durch die Hotelflure an Kubricks ''The Shining'' (1980) denken lassen, kann man sich bei dieser Treppenaufnahme an Hitchcocks ''Vertigo'' (1958) erinnert fühlen, beides Filme, die im weiteren Sinne mit dem Zweifel an der Realität von Ereignissen spielen. Die Dimensionen des Limbus werden u.a. durch einen Kameraflug entlang der abbrechenden Küstenlinie (vgl. In 1:54:24–30) sowie Aufnahmen von Cobb und Ariadne in den Straßen in starker Aufsicht (Vogelperspektive/''god’s eye'') verdeutlicht. Wie besonders im Eingangstraum werden geradezu exzessiv Parallelmontagen der verschiedenen Traumebenen zur Orientierung wie zur Verdeutlichung der Beeinflussung der Traumebenen aufeinander eingesetzt. Darin haben in Abwandlung der Leibreiz-Theorie nicht nur die Außenwelt, sondern auch andere Traumebenen physische Einflüsse auf die Traum-Körper der Figuren und teils auch umgekehrt (vgl. auch Kiss 2012, 39 f.).
 
Die schon in der ersten Traumebene genutzte Zahlensymbolik des Safecodes wird in (3) in den Zimmernummern aufgegriffen und öffnet schließlich den Tresor in (4). Besonders die Manipulation der Zeit und des Raums, speziell der Schwerkraft, tritt in Ebene (3) in den Vordergrund. Dies äußert sich in (extremen) Zeitlupenaufnahmen (z.B. In 1:25:05 des Vans), schrägen Aufnahmen der Hotelflure, Tricksequenzen, in denen Decke und Wände, an denen Arthur und die Projektionen kämpfen, umgekehrt sind, Unschärfen und Rückansichten Arthurs, die die Zuschauenden in das Geschehen involvieren. Dabei tritt analog zum dritten Lerntraum eine Art Penrose-Treppe innerhalb des Hotels auf, die, zunächst in Aufsicht gefilmt, herangezoomt und dann durch vertikale Kamerafahrt zu einer starken Untersicht ihre „paradox[e]“ Natur dem dann von Arthur Hinabgestürzten offenbart (vgl. In 1:44:17–28). So wie einige der Kamerafahrten durch die Hotelflure an Kubricks ''The Shining'' (1980) denken lassen, kann man sich bei dieser Treppenaufnahme an Hitchcocks ''Vertigo'' (1958) erinnert fühlen, beides Filme, die im weiteren Sinne mit dem Zweifel an der Realität von Ereignissen spielen. Die Dimensionen des Limbus werden u.a. durch einen Kameraflug entlang der abbrechenden Küstenlinie (vgl. In 1:54:24–30) sowie Aufnahmen von Cobb und Ariadne in den Straßen in starker Aufsicht (Vogelperspektive/''god’s eye'') verdeutlicht. Wie besonders im Eingangstraum werden geradezu exzessiv Parallelmontagen der verschiedenen Traumebenen zur Orientierung wie zur Verdeutlichung der Beeinflussung der Traumebenen aufeinander eingesetzt. Darin haben in Abwandlung der Leibreiz-Theorie nicht nur die Außenwelt, sondern auch andere Traumebenen physische Einflüsse auf die Traum-Körper der Figuren und teils auch umgekehrt (vgl. auch Kiss 2012, 39 f.).
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Der '''Abspann''' (In 2:18:38–2:25:34) scheint – ähnlich einer ''mise en abyme'' – die ''Traum-im-Traum-Strukturen'' noch einmal zu variieren, was sich sowohl auf der Ebene der credits wie der Tonebene zeigt: Insgesamt drei Mal ist die Titelkarte des Films zu sehen (zu Beginn, nach der ersten Nennung von Leonardo DiCaprio – des Träumers? – und am Schluss), zwei Mal die Namen der Darstellenden (einmal nur die Namen einzeln, dann gemeinsam mit der Rollenbezeichnung und der Crew). Die begleitende Filmmusik erscheint zunächst spannungsgeladen, dann zeitweilig ruhiger (ab In 2:20:26 nach der zweiten Nennung Nolans). In etwa der letzten Minute folgt ''Non, je ne regrette rien'' (ab In 2:24:22), aber (ab In 2:25:15) in anderer Abspielgeschwindigkeit, so dass es verzerrt und wie unter Wasser klingt. Der Abspann endet mit der Abblende der dritten Titelkarte und wieder spannungsgeladenem, dissonantem Score.
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Der '''Abspann''' (In 2:18:38–2:25:34) scheint – ähnlich einer ''mise en abyme'' – die ''Traum-im-Traum-Strukturen'' noch einmal zu variieren, was sich sowohl auf der Ebene der ''credits'' wie der Tonebene zeigt: Insgesamt drei Mal ist die Titelkarte des Films zu sehen (zu Beginn, nach der ersten Nennung von Leonardo DiCaprio – des Träumers? – und am Schluss), zwei Mal die Namen der Darstellenden (einmal nur die Namen einzeln, dann gemeinsam mit der Rollenbezeichnung und der Crew). Die begleitende Filmmusik erscheint zunächst spannungsgeladen, dann zeitweilig ruhiger (ab In 2:20:26 nach der zweiten Nennung Nolans). In etwa der letzten Minute folgt ''Non, je ne regrette rien'' (ab In 2:24:22), aber (ab In 2:25:15) in anderer Abspielgeschwindigkeit, so dass es verzerrt und wie unter Wasser klingt. Der Abspann endet mit der Abblende der dritten Titelkarte und wieder spannungsgeladenem, dissonantem Score.
    
Funktionell steht neben Fischers erst am Ende wirklich zum Tragen kommender ''inception'' Cobbs Konfrontation mit den Erinnerungen an seine Frau und der damit therapeutische bzw. kathartische Zweck des geteilten Träumens im Mittelpunkt. Sie wird von Ariadne vorangetrieben, indem sie nachfragt, Cobb auf eigenen Wunsch begleitet und schließlich selbst das Betreten des Limbus vorschlägt. So ist zwar im Gegensatz zur Tradition (vgl. dazu Mayo 2020, 242–249) nominell keine Psychiaterin anwesend (vgl. Packer 2012, 64; Knöppler 2015, 42), dennoch erfüllt Ariadne diese Funktion. Im Limbus erreicht die Konfrontation ihren Höhepunkt. Wie schon in vorigen Träumen bemerkbar dringen Cobbs Erinnerungen wiederholt in die Traumebenen ein: Die Sequenz seiner spielenden Kinder in Rückansicht ist zwei Mal im Hotel (3) zu sehen, dann am Übergang zur dritten Traumebene (4) die Vorhänge aus dem Hotelzimmer von Mals Suizid; im Limbus (5) dann wieder die Sequenz der Kinder auf der Straße und schließlich dort durch Mals ‚Beschwörung‘, aber Cobb sieht nicht hin (vgl. In 2:00:36–38). Destruktion ist immanent: Auf allen Ebenen ist das Unterbewusstsein Fischers, aber auch mutmaßlich der anderen involvierten Träumenden oder sind zumindest die betreffenden Traumebenen vom Zerfall bedroht und Schauplatz von Gewalt, Zerstörung und Explosionen; das – wenn auch geträumte – Töten und Sterben an der Tagesordnung.
 
Funktionell steht neben Fischers erst am Ende wirklich zum Tragen kommender ''inception'' Cobbs Konfrontation mit den Erinnerungen an seine Frau und der damit therapeutische bzw. kathartische Zweck des geteilten Träumens im Mittelpunkt. Sie wird von Ariadne vorangetrieben, indem sie nachfragt, Cobb auf eigenen Wunsch begleitet und schließlich selbst das Betreten des Limbus vorschlägt. So ist zwar im Gegensatz zur Tradition (vgl. dazu Mayo 2020, 242–249) nominell keine Psychiaterin anwesend (vgl. Packer 2012, 64; Knöppler 2015, 42), dennoch erfüllt Ariadne diese Funktion. Im Limbus erreicht die Konfrontation ihren Höhepunkt. Wie schon in vorigen Träumen bemerkbar dringen Cobbs Erinnerungen wiederholt in die Traumebenen ein: Die Sequenz seiner spielenden Kinder in Rückansicht ist zwei Mal im Hotel (3) zu sehen, dann am Übergang zur dritten Traumebene (4) die Vorhänge aus dem Hotelzimmer von Mals Suizid; im Limbus (5) dann wieder die Sequenz der Kinder auf der Straße und schließlich dort durch Mals ‚Beschwörung‘, aber Cobb sieht nicht hin (vgl. In 2:00:36–38). Destruktion ist immanent: Auf allen Ebenen ist das Unterbewusstsein Fischers, aber auch mutmaßlich der anderen involvierten Träumenden oder sind zumindest die betreffenden Traumebenen vom Zerfall bedroht und Schauplatz von Gewalt, Zerstörung und Explosionen; das – wenn auch geträumte – Töten und Sterben an der Tagesordnung.
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Die Gegenüberstellung mit der (wohl erinnerten) Mal, die eigentlich einen Teil seines Selbst und die verkörperte Schuld darstellt und Cobb noch einmal dazu bewegen will, für immer im Limbus zu bleiben, da dieser die Realität sei, wird diesmal für Cobb positiv aufgelöst, indem er Ariadne und Mal sowie sich selbst gegenüber seine Schuld an ihrem Zustand eingesteht, aber ausspricht, dass sie „just a shade“ (In 2:06:36) der wahren Mal sei und er sich nun wieder seinem Leben und seinen Kindern zuwenden müsse (vgl. dazu Böhme 2013, 446). Indem Jungs ‚Schatten‘-Archetypus (vgl. Jung 1960, 62; zu weiteren Differenzierungen vgl. Bumeder 2014, 112 f.) angedeutet wird, zeigt der Film zugleich seine zentrale Traumauffassung der Bewältigung der möglicherweise traumatischen Vergangenheit und Anerkenntnis des persönlichen Handelns. Der Schluss nach dem Aufwachen (?) Cobbs und seine bleibende Ambivalenz zeigen dann, dass Cobb begonnen hat, seine Vergangenheit zu bewältigen, und nun – seinem Empfinden nach zumindest – in der Realität angekommen ist. Dass seine Kinder nun älter sind (vgl. Bumeder 2014, 281 f. und credits), scheint dies zu belegen. Tatsächlich kann Cobbs Wachwelt aber auch solipsistisch als Weltflucht und Wunscherfüllung verstanden werden.  
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Die Gegenüberstellung mit der (wohl erinnerten) Mal, die eigentlich einen Teil seines Selbst und die verkörperte Schuld darstellt und Cobb noch einmal dazu bewegen will, für immer im Limbus zu bleiben, da dieser die Realität sei, wird diesmal für Cobb positiv aufgelöst, indem er Ariadne und Mal sowie sich selbst gegenüber seine Schuld an ihrem Zustand eingesteht, aber ausspricht, dass sie „just a shade“ (In 2:06:36) der wahren Mal sei und er sich nun wieder seinem Leben und seinen Kindern zuwenden müsse (vgl. dazu Böhme 2013, 446). Indem Jungs ‚Schatten‘-Archetypus (vgl. Jung 1960, 62; zu weiteren Differenzierungen vgl. Bumeder 2014, 112 f.) angedeutet wird, zeigt der Film zugleich seine zentrale Traumauffassung der Bewältigung der möglicherweise traumatischen Vergangenheit und Anerkenntnis des persönlichen Handelns. Der Schluss nach dem Aufwachen (?) Cobbs und seine bleibende Ambivalenz zeigen dann, dass Cobb begonnen hat, seine Vergangenheit zu bewältigen, und nun – seinem Empfinden nach zumindest – in der Realität angekommen ist. Dass seine Kinder nun älter sind (vgl. Bumeder 2014, 281 f. und ''credits''), scheint dies zu belegen. Tatsächlich kann Cobbs Wachwelt aber auch solipsistisch als Weltflucht und Wunscherfüllung verstanden werden.  
    
Die Einordnung des Endes ist daher unterschiedlich. Fisher meint: „‘I choose to believe that Cobb gets back to his kids,’ Nolan told Robert Capps, but this doesn’t settle the matter“ (2011, 38; so auch Floury 2011, 241). Zudem könne der Kreisel lediglich beweisen „that Cobb isn’t in his ‘own’ dream“ (Fisher 2011, 42) und sei zudem ein virtuelles Objekt (vgl. ebd.), wobei er eigentlich nur beweisen kann, dass er sich nicht im Traum einer anderen Person befindet. Der Kreisel ist also – so wie auch die mutmaßlich durch Cobbs Wahrnehmung gefilterten Erinnerungssequenzen – unzuverlässig: „First of all, Cobb’s totem is extremely unreliable as a dream detector. Arthus specifically points out, when telling Ariadne about totems, that they work only to tell you that you are ‘not in someone else’s dream.’ So, even if the top falls, Cobb could still be in his own dream“ (Johnson 2012, 2; vgl. ähnlich Miller 2012, 70). Andere Interpretierende sehen es eindeutiger als Traum, so Brophy: „At the close of ''Inception'', Cobb finally walks away from reality, ultimately letting the simulacra of his children salve his broken heart“ (2011, 189) oder Böhme: „Die letzte Einstellung zeigt den Kreisel in wirbelnder Bewegung. Es ist doch ein Traum – der Film, der jetzt zu Ende gegangen ist, war ein Traum“ (2013, 457) – hier mischt sie intradiegetischen Figurentraum und extrafiktionale Filmwahrnehmung (siehe nächstes Kapitel).  
 
Die Einordnung des Endes ist daher unterschiedlich. Fisher meint: „‘I choose to believe that Cobb gets back to his kids,’ Nolan told Robert Capps, but this doesn’t settle the matter“ (2011, 38; so auch Floury 2011, 241). Zudem könne der Kreisel lediglich beweisen „that Cobb isn’t in his ‘own’ dream“ (Fisher 2011, 42) und sei zudem ein virtuelles Objekt (vgl. ebd.), wobei er eigentlich nur beweisen kann, dass er sich nicht im Traum einer anderen Person befindet. Der Kreisel ist also – so wie auch die mutmaßlich durch Cobbs Wahrnehmung gefilterten Erinnerungssequenzen – unzuverlässig: „First of all, Cobb’s totem is extremely unreliable as a dream detector. Arthus specifically points out, when telling Ariadne about totems, that they work only to tell you that you are ‘not in someone else’s dream.’ So, even if the top falls, Cobb could still be in his own dream“ (Johnson 2012, 2; vgl. ähnlich Miller 2012, 70). Andere Interpretierende sehen es eindeutiger als Traum, so Brophy: „At the close of ''Inception'', Cobb finally walks away from reality, ultimately letting the simulacra of his children salve his broken heart“ (2011, 189) oder Böhme: „Die letzte Einstellung zeigt den Kreisel in wirbelnder Bewegung. Es ist doch ein Traum – der Film, der jetzt zu Ende gegangen ist, war ein Traum“ (2013, 457) – hier mischt sie intradiegetischen Figurentraum und extrafiktionale Filmwahrnehmung (siehe nächstes Kapitel).  
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=== Welt als Traum? Skeptizismus als Strategie ===
 
=== Welt als Traum? Skeptizismus als Strategie ===
Das Ende des Films offenbart außer der entscheidenden, nicht eindeutig auflösbaren Schlussambivalenz, so Bumeder, auch eine spezifische Erzählstrategie, die er ‚mediale ''Inception''‘ nennt. Diese hängt damit zusammen, dass nicht nur innerhalb der filmischen Erzählung Figuren wie daraus resultierend Zuschauende getäuscht werden bzw. sich selbst täuschen (vgl. auch Fisher 2011, 38; Knöppler 2015, 46), sondern auch, dass in einem erweiterten diegetischen Modell auch weitere Instanzen, dazu die filmische Erzählinstanz, sowie explizit extradiegetische Entitäten wie der Regisseur Nolan und die Filmcrew an einer gemeinsamen Täuschung mitwirken (vgl. Bumeder 2014, 163–199). Als Bewusstseinsfilm nutzt ''Inception'' dabei gezielt Strategien des unzuverlässigen Erzählens wie Wiederholungen (vgl. ausführlich zu den Strategien Bumeder 2014, 221–283), verschiedene narrative Instanzen und unterschiedliche Vermittlung in Form von Diskrepanzen zwischen Gezeigtem und Gesagtem und thematisiert bewusstseinsbezogene Aspekte wie Erinnerungen, Trauma und Verdrängung sowie komplexe Traumformen, um die Zuschauenden in ein Geflecht der Hinweise und falschen Fährten hineinzuziehen, das nicht mehr zu entwirren ist. Dabei wird, so Eichner, trotz des prinzipiellen ‚Spiel‘-Charakters die ''agency'' der Rezipierenden reduziert (vgl. 2014, 185), während wiederholtes Sehen und Diskutieren sie wieder erhöhen könne (vgl. ebd., 186).
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Das Ende des Films offenbart außer der entscheidenden, nicht eindeutig auflösbaren Schlussambivalenz, so Bumeder, auch eine spezifische Erzählstrategie, die er ‚mediale Inception‘ nennt. Diese hängt damit zusammen, dass nicht nur innerhalb der filmischen Erzählung Figuren wie daraus resultierend Zuschauende getäuscht werden bzw. sich selbst täuschen (vgl. auch Fisher 2011, 38; Knöppler 2015, 46), sondern auch, dass in einem erweiterten diegetischen Modell auch weitere Instanzen, dazu die filmische Erzählinstanz, sowie explizit extradiegetische Entitäten wie der Regisseur Nolan und die Filmcrew an einer gemeinsamen Täuschung mitwirken (vgl. Bumeder 2014, 163–199). Als Bewusstseinsfilm nutzt ''Inception'' dabei gezielt Strategien des unzuverlässigen Erzählens wie Wiederholungen (vgl. ausführlich zu den Strategien Bumeder 2014, 221–283), verschiedene narrative Instanzen und unterschiedliche Vermittlung in Form von Diskrepanzen zwischen Gezeigtem und Gesagtem und thematisiert bewusstseinsbezogene Aspekte wie Erinnerungen, Trauma und Verdrängung sowie komplexe Traumformen, um die Zuschauenden in ein Geflecht der Hinweise und falschen Fährten hineinzuziehen, das nicht mehr zu entwirren ist. Dabei wird, so Eichner, trotz des prinzipiellen ‚Spiel‘-Charakters die ''agency'' der Rezipierenden reduziert (vgl. 2014, 185), während wiederholtes Sehen und Diskutieren sie wieder erhöhen könne (vgl. ebd., 186).
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Dies kann, wie auch Jahraus andeutet (vgl. 2010, 1), einerseits zu Nachdenken über die Natur des Bewusstseins sowie ergänzend philosophisch der Wahrnehmung und des Wissens führen und andererseits zur Reflexion des filmischen Mediums an sich. Der philosophische Skeptizismus lässt uns daran zweifeln, ob wir überhaupt die Fähigkeit haben, festzustellen, ob wir real existieren und gerade wach sind (siehe als populäres Beispiel ''The Matrix'', 1999, Regie: The Wachowskis). Der Gedanke von der ‚Welt als Traum‘ bzw. dem Zweifel an der Unterscheidbarkeit hat kulturgeschichtlich berühmte Vorläufer von Zhuangzis ''Schmetterlingstraum'' (3./4. Jhd. v. Chr.) über Calderóns ''La vida es sueño'', Berkeleys ''Principles of Human Knowledge'' (1710, dort als Gottesbeweis zurückgeführt) zu Descartes (Verweis auch bei Jahraus, vgl. 2010, 2; vgl. Schmidt et al. 2019, 265 f.). ''Inception'' führt den zunehmenden Zweifel an der Existenz (ontologisch) und der Erkenntnisfähigkeit darüber (epistemologisch) weiter, bis hin zu einem möglichen „epistemic vertigo“ (Pritchard 2015, 6 f.), in den die Rezipierenden geraten können (vgl. zu ''Inception'' als ‚inversion‘ Kiss 2012, 41 f.). In Nolans Werk habe sich, so Mark Fisher, der Fokus von dem epistemologischen Problem des unzuverlässigen Erzählens hin zu einem umfassenden ontologischen Zweifel verschoben (vgl. 2011, 37; dagegen als „epistemic ''un''certainty“ Schubert 2019, 145) oder auch – wie James T.M. Miller zuspitzt: „If we can’t know whether Mal was dreaming, we can’t know whether we are dreaming“ (Miller 2012, 63). Dennoch ist zumindest außerhalb des Films philosophischer Pragmatismus erforderlich, denn „Life in a state of radical skepticism is impossible; you would not be able to function properly if you seriously doubted that the objects you are interacting with are not real“ (ebd., 72).
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Dies kann, wie auch Jahraus andeutet (vgl. 2010, 1), einerseits zu Nachdenken über die Natur des Bewusstseins sowie ergänzend philosophisch der Wahrnehmung und des Wissens führen und andererseits zur Reflexion des filmischen Mediums an sich. Der philosophische Skeptizismus lässt uns daran zweifeln, ob wir überhaupt die Fähigkeit haben, festzustellen, ob wir real existieren und gerade wach sind (siehe als populäres Beispiel ''The Matrix'', 1999, Regie: The Wachowskis). Der Gedanke von der ‚Welt als Traum‘ bzw. dem Zweifel an der Unterscheidbarkeit hat kulturgeschichtlich berühmte Vorläufer von Zhuangzis ''Schmetterlingstraum'' (3./4. Jhd. v. Chr.) über Calderóns ''La vida es sueño'' (1635), Berkeleys ''Principles of Human Knowledge'' (1710, dort als Gottesbeweis zurückgeführt) zu Descartes (Verweis auch bei Jahraus, vgl. 2010, 2; vgl. Schmidt et al. 2019, 265 f.). ''Inception'' führt den zunehmenden Zweifel an der Existenz (ontologisch) und der Erkenntnisfähigkeit darüber (epistemologisch) weiter, bis hin zu einem möglichen „epistemic vertigo“ (Pritchard 2015, 6 f.), in den die Rezipierenden geraten können (vgl. zu ''Inception'' als ‚inversion‘ Kiss 2012, 41 f.). In Nolans Werk habe sich, so Mark Fisher, der Fokus von dem epistemologischen Problem des unzuverlässigen Erzählens hin zu einem umfassenden ontologischen Zweifel verschoben (vgl. 2011, 37; dagegen als „epistemic ''un''certainty“ Schubert 2019, 145) oder auch – wie James T.M. Miller zuspitzt: „If we can’t know whether Mal was dreaming, we can’t know whether we are dreaming“ (Miller 2012, 63). Dennoch ist zumindest außerhalb des Films philosophischer Pragmatismus erforderlich, denn „Life in a state of radical skepticism is impossible; you would not be able to function properly if you seriously doubted that the objects you are interacting with are not real“ (ebd., 72).
    
Zugleich reflektiert ''Inception'' auch den Film als Medium und die mögliche Verwandtschaft von Filmrezeption und Träumen, „den alten Topos vom Film als Traum, aber auch vom Traum als Film“ (Jahraus 2010, 5; vgl. dazu Brütsch 2011a, 21–90 und [[Die Beziehung zwischen Film und Traum aus phänomenologischer Perspektive|filmphänomenologisch Morschett 2022]]; Taubin und Nolan 2010, 32; Steierer 2011; Böhme 2013, 457; Brophy 2011, 89 vergleicht es mit virtuellen Welten; ebenso Elsaesser 2018, 6 f.). Werden, wie Nolan selbst anregte (vgl. u.a. Taubin und Nolan 2010, 33 f.), die Rollen der Figuren in den geteilten Träumen hier mit denen bei der Produktion eines Films gleichgesetzt (vgl. auch Jahraus 2010, 5; Fisher 2011, 40 mit Faraci), so vervielfacht sich gewissermaßen die Produktions- und Rezeptionssituation und lässt eine Metanarration entstehen. Das geteilte Träumen symbolisiert dabei quasi das Teilnehmen am Filmerlebnis: „Dass man in die Träume anderer einsteigt, dort deren unbewusste Abenteuer miterlebt und selbst zum imaginativen Helden werden kann, dass man Geschichten erlebt, die wiederum andere Geschichten als Träume enthalten können, ist ja nichts anderes als eine grandiose Filmmetapher“ (Jahraus 2010, 5). Jahraus geht so weit, ''Inception'' als „Film aller Filme, die Mutter aller Filme und im Überschwang erster Begeisterung das Ende aller Filme“ zu bezeichnen (Jahraus 2010, 1), wogegen Sabine Schlickers dieses ‚Ende‘ als Endpunkt auffasst: „Weil jeder Exzess kurzlebig ist, scheint auch die exzessiv rätselhafte Erzählung an ihr Ende gelangt zu sein. Ihr forciert wirkender Gebrauch in Christopher Nolans ''Inception'' (2010) könnte als Indikator für diesen Befund herangezogen werden“ (2015, 63). Folgende mindestens ebenso komplexe Filme und Serienfolgen allerdings widersprechen (vorerst) dieser Einschätzung.
 
Zugleich reflektiert ''Inception'' auch den Film als Medium und die mögliche Verwandtschaft von Filmrezeption und Träumen, „den alten Topos vom Film als Traum, aber auch vom Traum als Film“ (Jahraus 2010, 5; vgl. dazu Brütsch 2011a, 21–90 und [[Die Beziehung zwischen Film und Traum aus phänomenologischer Perspektive|filmphänomenologisch Morschett 2022]]; Taubin und Nolan 2010, 32; Steierer 2011; Böhme 2013, 457; Brophy 2011, 89 vergleicht es mit virtuellen Welten; ebenso Elsaesser 2018, 6 f.). Werden, wie Nolan selbst anregte (vgl. u.a. Taubin und Nolan 2010, 33 f.), die Rollen der Figuren in den geteilten Träumen hier mit denen bei der Produktion eines Films gleichgesetzt (vgl. auch Jahraus 2010, 5; Fisher 2011, 40 mit Faraci), so vervielfacht sich gewissermaßen die Produktions- und Rezeptionssituation und lässt eine Metanarration entstehen. Das geteilte Träumen symbolisiert dabei quasi das Teilnehmen am Filmerlebnis: „Dass man in die Träume anderer einsteigt, dort deren unbewusste Abenteuer miterlebt und selbst zum imaginativen Helden werden kann, dass man Geschichten erlebt, die wiederum andere Geschichten als Träume enthalten können, ist ja nichts anderes als eine grandiose Filmmetapher“ (Jahraus 2010, 5). Jahraus geht so weit, ''Inception'' als „Film aller Filme, die Mutter aller Filme und im Überschwang erster Begeisterung das Ende aller Filme“ zu bezeichnen (Jahraus 2010, 1), wogegen Sabine Schlickers dieses ‚Ende‘ als Endpunkt auffasst: „Weil jeder Exzess kurzlebig ist, scheint auch die exzessiv rätselhafte Erzählung an ihr Ende gelangt zu sein. Ihr forciert wirkender Gebrauch in Christopher Nolans ''Inception'' (2010) könnte als Indikator für diesen Befund herangezogen werden“ (2015, 63). Folgende mindestens ebenso komplexe Filme und Serienfolgen allerdings widersprechen (vorerst) dieser Einschätzung.
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Eine andere ''Traum-im-Traum-Struktur'' in ''Inception'' betrifft den '''Traum im Traum in Kombination mit einer Twist-Struktur'''. Sowohl die ''extraction'' wie die ''inception'' bestehen aus mehreren Traumebenen (Traum im Traum; im Film auch mehrfach so benannt), die zudem eine gewisse Länge haben, die Erinnerungen im Aufzug aus mehreren örtlich abgegrenzten Traumphasen. Bei der ''extraction'' besteht ein Twist darin, dass wie beschrieben im Nachhinein erst der Traumstatus offenbart wird, was sich dann nochmals wiederholt. Die ''inception'' hingegen beinhaltet über die unvorhergesehenen Wendungen während des Traumgeschehens (die Offenbarungen zu Cobb und Mal, zum Limbus) hinaus die sich in die (mutmaßliche) Wachrealität ausdehnende Ambivalenz, die Ungewissheit darüber, ob auch Cobb schließlich erwacht ist oder in der Traumwelt seiner Erinnerungen an seine Kinder weiterexistiert. Außergewöhnlich im Unterschied zu anderen Werken (insbesondere Filmen) dieser Form ist die Ordnung der Ebenen, ihre ‚Linearität‘ (vgl. Hänselmann 2019, 29), die oberflächlich die paradoxen Strukturen einer Penrose-Treppe gerade nicht umsetzt (vgl. Fisher 2011, 42) – jedoch ggf. durch die Schlussambivalenz und andere erzählerische Inkongruenzen.
 
Eine andere ''Traum-im-Traum-Struktur'' in ''Inception'' betrifft den '''Traum im Traum in Kombination mit einer Twist-Struktur'''. Sowohl die ''extraction'' wie die ''inception'' bestehen aus mehreren Traumebenen (Traum im Traum; im Film auch mehrfach so benannt), die zudem eine gewisse Länge haben, die Erinnerungen im Aufzug aus mehreren örtlich abgegrenzten Traumphasen. Bei der ''extraction'' besteht ein Twist darin, dass wie beschrieben im Nachhinein erst der Traumstatus offenbart wird, was sich dann nochmals wiederholt. Die ''inception'' hingegen beinhaltet über die unvorhergesehenen Wendungen während des Traumgeschehens (die Offenbarungen zu Cobb und Mal, zum Limbus) hinaus die sich in die (mutmaßliche) Wachrealität ausdehnende Ambivalenz, die Ungewissheit darüber, ob auch Cobb schließlich erwacht ist oder in der Traumwelt seiner Erinnerungen an seine Kinder weiterexistiert. Außergewöhnlich im Unterschied zu anderen Werken (insbesondere Filmen) dieser Form ist die Ordnung der Ebenen, ihre ‚Linearität‘ (vgl. Hänselmann 2019, 29), die oberflächlich die paradoxen Strukturen einer Penrose-Treppe gerade nicht umsetzt (vgl. Fisher 2011, 42) – jedoch ggf. durch die Schlussambivalenz und andere erzählerische Inkongruenzen.
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Wie in den Analysen dargelegt, bestehen darüber hinaus weitere ''Traum-im-Traum-Strukturen'' in Verbindung mit '''geteilten Träumen''' (''shared dreams''), also indem eine Person den Traum einer anderen betritt oder sich mehrere Träumende einen gemeinsamen ‚Traum-Raum‘ teilen. Dazu zählen sowohl die in nahezu allen Träumen des Films (bis auf Cobbs kurze Erinnerungs-flashbacks) vorkommende Trauminvasion sowie die Traummanipulation eines Subjekts speziell in ''extraction'' und ''inception'' (vgl. zur Tradition der Gedankenspionage ausführlich Haupt 2006). Außerdem sind die mehrlagigen Träume dort so gestaltet, dass einzelne Traumebenen von verschiedenen Teammitgliedern mit spezifischen Aufgaben verantwortet werden, was eine Novität darstellt. Das geteilte Träumen ähnelt konzeptionell dem geteilten Traum-Raum in ''[["Körper und Seele" (Ildikó Enyedi)|On Body and Soul]]'' und kann potenziell als Weiterentwicklung von Parallelträumen wie im ''[["Decameron" (Giovanni Boccaccio)|Decamerone]]'' (iv.6) gelesen werden.
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Wie in den Analysen dargelegt, bestehen darüber hinaus weitere ''Traum-im-Traum-Strukturen'' in Verbindung mit '''geteilten Träumen''' (''shared dreams''), also indem eine Person den Traum einer anderen betritt oder sich mehrere Träumende einen gemeinsamen ‚Traum-Raum‘ teilen. Dazu zählen sowohl die in nahezu allen Träumen des Films (bis auf Cobbs kurze Erinnerungs-''flashbacks'') vorkommende '''Trauminvasion''' sowie die '''Traummanipulation''' eines Subjekts speziell in ''extraction'' und ''inception'' (vgl. zur Tradition der Gedankenspionage ausführlich Haupt 2006). Außerdem sind die mehrlagigen Träume dort so gestaltet, dass einzelne Traumebenen von verschiedenen Teammitgliedern mit spezifischen Aufgaben verantwortet werden, was eine Novität darstellt. Das geteilte Träumen ähnelt konzeptionell dem geteilten Traum-Raum in ''[["Körper und Seele" (Ildikó Enyedi)|On Body and Soul]]'' und kann potenziell als Weiterentwicklung von Parallelträumen wie im ''[["Decameron" (Giovanni Boccaccio)|Decamerone]]'' (iv.6) gelesen werden.
    
== Einflüsse und (traumbezogene) Intermedialität ==
 
== Einflüsse und (traumbezogene) Intermedialität ==
''Inception'' ist reich an Referenzen auf Genres und Intertexte (weitere auch vgl. Eichner 2014, 185). Wie erwähnt steht es in der Tradition der Trauminvasionsfilme, deren mutmaßlich erster populärer Vertreter der Science-Fiction-Film ''Dreamscape'' (1984) ist. Ebenso wie der im gleichen Jahr entstandene Horrorfilm ''A Nightmare on Elm Street'', der gleich ein ganzes Franchise begründete, behandelt ''Dreamscape'' geteiltes Träumen. Anders als in ''A Nightmare'', wo die Träume für die Figuren Orte des Schreckens und des Todes sind und eine „Traumentgrenzung“ (Brütsch 2011, 372) festgestellt werden kann, bilden hier Nutzen und Gefahren ein Gleichgewicht. Das Betreten der Träume kann außer einer ähnlich wie in ''Inception'' stattfindenden politisch-manipulativen Nutzbarmachung auch therapeutisch wirken, was in ''Inception'' implizit ebenfalls vorhanden ist (vgl. Mayo 2020, 259; Ariadnes Unterstützung Cobbs, vgl. auch Rogy 2018, 171; die positive Veränderung von Fischers Einstellung zu seinem Vater, vgl. Jahraus 2010, 4).  
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''Inception'' ist reich an Referenzen auf Genres und Intertexte (weitere auch vgl. Eichner 2014, 185). Wie erwähnt steht es in der Tradition der Trauminvasionsfilme, deren mutmaßlich erster populärer Vertreter der Science-Fiction-Film ''Dreamscape'' (1984, Regie: Joseph Ruben) ist. Ebenso wie der im gleichen Jahr entstandene Horrorfilm ''A Nightmare on Elm Street'' (Regie: Wes Craven), der gleich ein ganzes Franchise begründete, behandelt ''Dreamscape'' geteiltes Träumen. Anders als in ''A Nightmare'', wo die Träume für die Figuren Orte des Schreckens und des Todes sind und eine „Traumentgrenzung“ (Brütsch 2011, 372) festgestellt werden kann, bilden hier Nutzen und Gefahren ein Gleichgewicht. Das Betreten der Träume kann außer einer ähnlich wie in ''Inception'' stattfindenden politisch-manipulativen Nutzbarmachung auch therapeutisch wirken, was in ''Inception'' implizit ebenfalls vorhanden ist (vgl. Mayo 2020, 259; Ariadnes Unterstützung Cobbs, vgl. auch Rogy 2018, 171; die positive Veränderung von Fischers Einstellung zu seinem Vater, vgl. Jahraus 2010, 4).  
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Ein wichtiges Element bildet dabei die Variation der ‚Wer im Traum stirbt, erwacht‘-Idee: In ''Inception'' sorgt geträumtes Sterben (außer unter Einfluss eines Sedativs) für Aufwachen vor Ablauf der vorgesehenen Zeit, während in ''A Nightmare on Elm Street'' und ''Dreamscape'' der geträumte Tod meist auch den Tod in der Wachwelt nach sich zieht. Auch ein Schlusstwist (Schubert: „pseudo-twist“, 2019, 147), der den Realitätsstatus noch einmal hinterfragt, ist dieser Art von Filmen mit geteilten Träumen gemeinsam, ebenso die gehäufte Verwendung des Wortes ''mind'' (vgl. Bumeder 2014, 307–310), was dessen Bedeutung hervorhebt und sie konzeptionell als ''mindgames'' (nach Elsaesser) bzw. Bewusstseinsfilme (vgl. Bumeder 2014, 50; zur Begriffsdifferenzierung ebd., 39–54) oder ''puzzle films'' (nach Bordwell, Eichner 2014, 184) ausweist.
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Ein wichtiges Element bildet dabei die Variation der ‚Wer im Traum stirbt, erwacht‘-Idee: In ''Inception'' sorgt geträumtes Sterben (außer unter Einfluss eines Sedativs) für Aufwachen vor Ablauf der vorgesehenen Zeit, während in ''A Nightmare on Elm Street'' und ''Dreamscape'' der geträumte Tod meist auch den Tod in der Wachwelt nach sich zieht. Auch ein Schlusstwist (Schubert: „pseudo-twist“, 2019, 147), der den Realitätsstatus noch einmal hinterfragt, ist dieser Art von Filmen mit geteilten Träumen gemeinsam, ebenso die gehäufte Verwendung des Wortes ''mind'' (vgl. Bumeder 2014, 307–310), was dessen Bedeutung hervorhebt und sie konzeptionell als ''mindgames'' (nach Elsaesser) bzw. ''Bewusstseinsfilme'' (vgl. Bumeder 2014, 50; zur Begriffsdifferenzierung ebd., 39–54) oder ''puzzle films'' (nach Bordwell, Eichner 2014, 184) ausweist.
    
In Anlehnung an Jahraus (‚konservativ‘ vs. ‚progressiv‘) unterscheidet Bumeder verschiedene Möglichkeiten, wie solche dargestellten Träume betreten werden können: ‚mental oder medizinisch-chemisch‘ vs. ‚medial bzw. medientechnisch‘ (vgl. Bumeder 2014, 124–134), wobei ''Inception'' zu letzterer Art in markierter Form gehört (vgl. ebd., 126). Wie beschrieben wird ''Inception'' zwar u.a. als Science Fiction (SF) bezeichnet, doch mutet die dargestellte Welt realistisch an, abgesehen von der den Traum einleitenden und aufrechterhaltenden Technologie. Damit ist sie wie das Genre „durch ein Novum aus[ge]zeichnet […], ein wunderbares, (noch) nicht mögliches Element, das die Handlungswelt entscheidend prägt“ (Spiegel 2018, 2 f.).   
 
In Anlehnung an Jahraus (‚konservativ‘ vs. ‚progressiv‘) unterscheidet Bumeder verschiedene Möglichkeiten, wie solche dargestellten Träume betreten werden können: ‚mental oder medizinisch-chemisch‘ vs. ‚medial bzw. medientechnisch‘ (vgl. Bumeder 2014, 124–134), wobei ''Inception'' zu letzterer Art in markierter Form gehört (vgl. ebd., 126). Wie beschrieben wird ''Inception'' zwar u.a. als Science Fiction (SF) bezeichnet, doch mutet die dargestellte Welt realistisch an, abgesehen von der den Traum einleitenden und aufrechterhaltenden Technologie. Damit ist sie wie das Genre „durch ein Novum aus[ge]zeichnet […], ein wunderbares, (noch) nicht mögliches Element, das die Handlungswelt entscheidend prägt“ (Spiegel 2018, 2 f.).   
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Die wirkmächtigsten weiteren Genreelemente entstammen sicherlich dem erwähnten Heist-Movie, dem auch viele Begriffe im Austausch des Teams zugehören (wie mark, thief, forger). Cobbs Hintergrundgeschichte birgt Drama-Elemente. Knöppler meint lakonisch: „In a nutshell, ''Inception'' is a heist thriller with a redemption story, only it takes place inside someone’s head“ (2015, 42). Insbesondere das Szenario um die verschneite ‚Bergfestung‘ mit Ski-Verfolgungsjagden lässt an diverse, meist von Willy Bogner choreografierte James-Bond-Filme denken wie ''On Her Majesty’s Secret Service'' (1969; vgl. ebenso Fisher 2011, 40) und die Eröffnungssequenzen von ''The Spy Who Loved Me'' (1977) und ''A View to a Kill'' (1984), die Klettersequenz zudem an ''For Your Eyes Only'' (1981; vgl. auch allgemein zur Bond-Parallele Koebner 2018, 164). Taubin erinnert es dagegen an ''[["Spellbound" (Alfred Hitchcock)|Spellbound]]'' (vgl. Taubin und Nolan 2010, 32).  
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Die wirkmächtigsten weiteren Genreelemente entstammen sicherlich dem erwähnten Heist-Movie, dem auch viele Begriffe im Austausch des Teams zugehören (wie ''mark'', ''thief'', ''forger''). Cobbs Hintergrundgeschichte birgt Drama-Elemente. Knöppler meint lakonisch: „In a nutshell, ''Inception'' is a heist thriller with a redemption story, only it takes place inside someone’s head“ (2015, 42). Insbesondere das Szenario um die verschneite ‚Bergfestung‘ mit Ski-Verfolgungsjagden lässt an diverse, meist von Willy Bogner choreografierte James-Bond-Filme denken wie ''On Her Majesty’s Secret Service'' (1969; vgl. ebenso Fisher 2011, 40) und die Eröffnungssequenzen von ''The Spy Who Loved Me'' (1977) und ''A View to a Kill'' (1984), die Klettersequenz zudem an ''For Your Eyes Only'' (1981; vgl. auch allgemein zur Bond-Parallele Koebner 2018, 164). Taubin erinnert es dagegen an ''[["Spellbound" (Alfred Hitchcock)|Spellbound]]'' (vgl. Taubin und Nolan 2010, 32).  
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Außer der genannten Invasions-Tradition wurde nach dem Erscheinen von verschiedener Seite eine Parallelität zu dem japanischen Anime-Film ''Paprika'' (2006) vermutet (vgl. differenzierter Vergleich in Wardlow 2017). Des Weiteren finden sich in dem Scrooge-McDuck-(Dagobert-Duck-)Comic ''The Dream of a Lifetime'' (2002) von Don Rosa Ähnlichkeiten (vgl. blinkuldhc 2010, Jardin 2010, O’Neal 2010), die bis auf die Zugfahrt als Traumebene (vgl. Rosa 2019, 200, Panel 3.2, 4.1 f.), eine ähnliche Maschine („brain-scanner“, vgl. Rosa 2019, 186, Panel 3.1) sowie die Intention der Panzerknacker, Zugang zu Dagoberts Geld durch das Eindringen in seine Träume zu erlangen, reichen. Relativ neuartig an ''Inception'' in Bezug auf ''Traum-im-Traum-Strukturen'' ist die Kombination von vielen Traumebenen und geteiltem Träumen: „''Inception''’s greatest innovation is its nested narrative structure“ (Mayo 2020, 259), wobei in dem Film bis auf Einstieg und Ausstieg (in Anlehnung an Bumeder) die Orientierung der Ebenen erleichtert ist. Nachfolger ähnlicher Bauart ist etwa Anna (Mindscape, 2013, Regie: Jorge Dorado). Bumeder listet diverse Parodien (vgl. 2014, 75), u.a. in den TV-Serien The Simpsons und South Park.4
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Außer der genannten Invasions-Tradition wurde nach dem Erscheinen von verschiedener Seite eine Parallelität zu dem japanischen Anime-Film ''Paprika'' (2006) vermutet (vgl. differenzierter Vergleich in Wardlow 2017). Des Weiteren finden sich in dem Scrooge-McDuck-(Dagobert-Duck-)Comic ''The Dream of a Lifetime'' (2002) von Don Rosa Ähnlichkeiten (vgl. blinkuldhc 2010, Jardin 2010, O’Neal 2010), die bis auf die Zugfahrt als Traumebene (vgl. Rosa 2019, 200, Panel 3.2, 4.1 f.), eine ähnliche Maschine („brain-scanner“, vgl. Rosa 2019, 186, Panel 3.1) sowie die Intention der Panzerknacker, Zugang zu Dagoberts Geld durch das Eindringen in seine Träume zu erlangen, reichen. Relativ neuartig an ''Inception'' in Bezug auf ''Traum-im-Traum-Strukturen'' ist die Kombination von vielen Traumebenen und geteiltem Träumen: „''Inception''’s greatest innovation is its nested narrative structure“ (Mayo 2020, 259), wobei in dem Film bis auf Einstieg und Ausstieg (in Anlehnung an Bumeder) die Orientierung der Ebenen erleichtert ist. Nachfolger ähnlicher Bauart ist etwa ''Anna'' (''Mindscape'', 2013, Regie: Jorge Dorado). Bumeder listet diverse Parodien (vgl. 2014, 75), u.a. in den TV-Serien ''The Simpsons'' und ''South Park''.
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Der Name des ''limbo'', des „unconstructed dream space“ (In 1:05:50) unterhalb der vorbereiteten Ebenen, erinnert konzeptuell an die katholische Bezeichnung (‚Limbus‘) für Vorhölle oder Fegefeuer und könnte außerdem in Verbindung mit [["Divina Commedia" (Dante Alighieri)|Dantes ''Purgatorio'']] gelesen werden. Die dargestellten Konstruktionen ‚unmöglicher‘ Welten mittels der Penrose-Treppe und des ''infinity mirror'' lassen gleichfalls an darauf beruhende zeichnerische Darstellungen M.C. Eschers denken (vgl. zu Traumanalogien im Werk von Escher Kreuzer 2014, 368–371; in ''Inception'' Kiss 2012, 41; Knöppler 2015, 43; Malomfălean 2015, 151; Elsaesser 2018, 24), wobei festzustellen ist, dass diese an sich keine (markierten) Traumdarstellungen sind, sondern lediglich eine traumähnliche Wirkung erzielen können. Auch Lewis Carrolls Through the Looking-Glass (1871) behandelt einander potenziell enthaltendes geteiltes Träumen, doch steht dabei die Paradoxie im Vordergrund. Dennoch besteht eine thematische Verbindung, denn ebenso wie Alice sich dort die Frage stellen muss, in wessen Traum sie sich befindet, ist „[t]he question of whether Cobb is still dreaming or not at the film’s end […] ultimately too simple. For there’s also the problem of whose dream Cobb might be in, if not his ‘own’“ (Fisher 2011, 45). Édith Piafs Chanson ''Non, je ne regrette rien'' wird nicht nur zum Wecksignal und musikalischen Leitmotiv, das in verschiedenen Träumen in unterschiedlicher Verformung (Hall, Ton-Abblende) Anwendung findet (Ebene 3 des Eingangstraums, zweiter Lerntraum, ''inception'', Abspann), sondern klingt auch inhaltlich nach, steht der Text doch im Widerspruch zu Cobbs zunächst unbewältigter Vergangenheit.  
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Der Name des ''limbo'', des „unconstructed dream space“ (In 1:05:50) unterhalb der vorbereiteten Ebenen, erinnert konzeptuell an die katholische Bezeichnung (‚Limbus‘) für Vorhölle oder Fegefeuer und könnte außerdem in Verbindung mit [["Divina Commedia" (Dante Alighieri)|Dantes ''Purgatorio'']] gelesen werden. Die dargestellten Konstruktionen ‚unmöglicher‘ Welten mittels der Penrose-Treppe und des ''infinity mirror'' lassen gleichfalls an darauf beruhende zeichnerische Darstellungen M.C. Eschers denken (vgl. zu Traumanalogien im Werk von Escher Kreuzer 2014, 368–371; in ''Inception'' Kiss 2012, 41; Knöppler 2015, 43; Malomfălean 2015, 151; Elsaesser 2018, 24), wobei festzustellen ist, dass diese an sich keine (markierten) Traumdarstellungen sind, sondern lediglich eine traumähnliche Wirkung erzielen können. Auch Lewis Carrolls ''Through the Looking-Glass'' (1871) behandelt einander potenziell enthaltendes geteiltes Träumen, doch steht dabei die Paradoxie im Vordergrund. Dennoch besteht eine thematische Verbindung, denn ebenso wie Alice sich dort die Frage stellen muss, in wessen Traum sie sich befindet, ist „[t]he question of whether Cobb is still dreaming or not at the film’s end […] ultimately too simple. For there’s also the problem of whose dream Cobb might be in, if not his ‘own’“ (Fisher 2011, 45). Édith Piafs Chanson ''Non, je ne regrette rien'' wird nicht nur zum Wecksignal und musikalischen Leitmotiv, das in verschiedenen Träumen in unterschiedlicher Verformung (Hall, Ton-Abblende) Anwendung findet (Ebene 3 des Eingangstraums, zweiter Lerntraum, ''inception'', Abspann), sondern klingt auch inhaltlich nach, steht der Text doch im Widerspruch zu Cobbs zunächst unbewältigter Vergangenheit.  
    
Potenziell sind traum- und filmbezogene Verweise unendlich, oder in Nolans Worten: „This is a story about people sharing a dream, so you want to be limitless in your references“ (Taubin und Nolan 2010, 32); er selbst zählt dazu retrospektiv auch ''L’année dernière a Marienbad'' (1961, Regie: Alain Resnais).
 
Potenziell sind traum- und filmbezogene Verweise unendlich, oder in Nolans Worten: „This is a story about people sharing a dream, so you want to be limitless in your references“ (Taubin und Nolan 2010, 32); er selbst zählt dazu retrospektiv auch ''L’année dernière a Marienbad'' (1961, Regie: Alain Resnais).
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Eine der wichtigsten Eigenschaften der Träume in ''Inception'' ist, dass oft ein – wenn auch nicht unbedingt sofort und bei allen Teilnehmenden vorhandenes – Bewusstsein über den Status als Traum vorliegt, wodurch die in jüngerer Zeit mehr in den Fokus gerückte Praxis des [["Les rêves et les moyens de les diriger" (Marie Jean Léon Lecoq d’Hervey de Saint-Denys)|''lucid dreaming'' (Klarträumens)]] thematisiert wird (vgl. zu verschiedenen möglichen Rollen in entsprechenden Darstellungen Buchheit 2020). Nicht immer wird das Träumen direkt eindeutig markiert. Gerade die prekären Aspekte machen aber den Reiz der Technik in dem Film aus, dann nämlich, wenn der Traumstatus in Erinnerung an den ‚Welt als Traum‘-Gedanken nicht oder falsch erkannt wird oder, wie am Ende, sogar ungeklärt bleibt, spannt sich ein Bogen zu grundlegenden ontologischen und epistemologischen Fragestellungen wie: Ist unsere Welt real? Träumen wir vielleicht gerade? Können wir überhaupt Wissen darüber erlangen?
 
Eine der wichtigsten Eigenschaften der Träume in ''Inception'' ist, dass oft ein – wenn auch nicht unbedingt sofort und bei allen Teilnehmenden vorhandenes – Bewusstsein über den Status als Traum vorliegt, wodurch die in jüngerer Zeit mehr in den Fokus gerückte Praxis des [["Les rêves et les moyens de les diriger" (Marie Jean Léon Lecoq d’Hervey de Saint-Denys)|''lucid dreaming'' (Klarträumens)]] thematisiert wird (vgl. zu verschiedenen möglichen Rollen in entsprechenden Darstellungen Buchheit 2020). Nicht immer wird das Träumen direkt eindeutig markiert. Gerade die prekären Aspekte machen aber den Reiz der Technik in dem Film aus, dann nämlich, wenn der Traumstatus in Erinnerung an den ‚Welt als Traum‘-Gedanken nicht oder falsch erkannt wird oder, wie am Ende, sogar ungeklärt bleibt, spannt sich ein Bogen zu grundlegenden ontologischen und epistemologischen Fragestellungen wie: Ist unsere Welt real? Träumen wir vielleicht gerade? Können wir überhaupt Wissen darüber erlangen?
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Der Umstand, dass in den Träumen Dialoge wie in der Wachwelt geführt werden – im Übrigen nimmt bei den Erklärungen zur Traumtechnik das telling großen Raum ein –, dabei (zunächst) kaum als traumtypisch angesehene inhaltliche Bizarrerien auftreten („how undreamlike the dreams in the film are“, Fisher 2011, 40) und diese sich auf einzelne raumzeitliche Phänomene wie Zeitdehnung und Verformung des Raums im Sinne mathematisch-physikalischer Paradoxien beschränken (Eichner nennt noch Eames’ Gestaltwandel und Cobbs Halluzinationen, vgl. 2014, 183; Brusberg-Kiermeier das Schauspiel, vgl. 2016, 239), ist zugleich auch medial erklärbar. Zum einen bedeutet es einen geringeren Unterschied zum Drehen von Wachwelt-Sequenzen, zum anderen folgt ''Inception'' zum Teil der filmhistorischen Tradition des ‚retroaktiven Modus‘, die Zuschauende durch nachfolgende Offenbarung erst in den Traumstatus einweiht und die vorherige Täuschung erkennbar macht (Brütsch 2011b nennt es ‚filmischer Prototyp‘ des unzuverlässigen Erzählens); vermeintliche Außenperspektiven zeigen sich dann als Innenperspektiven (unsichtbare interne Fokalisierung). Außerdem steht ''Inception'' damit in der Reihe von Bewusstseinsfilmen, die in den 1990–2010er Jahren einen Boom erlebt haben und sich filmnarratologisch durch Fokussierung auf Innenwelten, Täuschung und narrative Unzuverlässigkeit auszeichnen. Nicht vergessen werden sollten die dennoch spektakulären Effekte in Erinnerung an das frühe cinema of attractions (vgl. Brütsch 2011a, 394 nach Gunning) der sich zerstörenden Traum-Gebäude, der Verformung der Pariser Boulevards oder visuellen Paradoxa, die zugleich, wie der scheinbar unendliche Spiegel als ''mise en abyme'', als Metaphern für Traum im Traum wie Weltenkonstruktion verstanden werden können.
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Der Umstand, dass in den Träumen Dialoge wie in der Wachwelt geführt werden – im Übrigen nimmt bei den Erklärungen zur Traumtechnik das ''telling'' großen Raum ein –, dabei (zunächst) kaum als traumtypisch angesehene inhaltliche Bizarrerien auftreten („how undreamlike the dreams in the film are“, Fisher 2011, 40) und diese sich auf einzelne raumzeitliche Phänomene wie Zeitdehnung und Verformung des Raums im Sinne mathematisch-physikalischer Paradoxien beschränken (Eichner nennt noch Eames’ Gestaltwandel und Cobbs Halluzinationen, vgl. 2014, 183; Brusberg-Kiermeier das Schauspiel, vgl. 2016, 239), ist zugleich auch medial erklärbar. Zum einen bedeutet es einen geringeren Unterschied zum Drehen von Wachwelt-Sequenzen, zum anderen folgt ''Inception'' zum Teil der filmhistorischen Tradition des ‚retroaktiven Modus‘, die Zuschauende durch nachfolgende Offenbarung erst in den Traumstatus einweiht und die vorherige Täuschung erkennbar macht (Brütsch 2011b nennt es ‚filmischer Prototyp‘ des unzuverlässigen Erzählens); vermeintliche Außenperspektiven zeigen sich dann als Innenperspektiven (unsichtbare interne Fokalisierung). Außerdem steht ''Inception'' damit in der Reihe von Bewusstseinsfilmen, die in den 1990–2010er Jahren einen Boom erlebt haben und sich filmnarratologisch durch Fokussierung auf Innenwelten, Täuschung und narrative Unzuverlässigkeit auszeichnen. Nicht vergessen werden sollten die dennoch spektakulären Effekte in Erinnerung an das frühe ''cinema of attractions'' (vgl. dazu Brütsch 2011a, 394 nach Gunning) der sich zerstörenden Traum-Gebäude, der Verformung der Pariser Boulevards oder visuellen Paradoxa, die zugleich, wie der scheinbar unendliche Spiegel als ''mise en abyme'', als Metaphern für Traum im Traum wie Weltenkonstruktion verstanden werden können.
    
Neben dem Klarträumen zeigt der Film weitere Traumkonzepte, die auch an bekannte Traumtheorien gebunden sind. Die eben beschriebene wachwelt-ähnliche Gestaltung der Träume bedingt auch, dass Traum bzw. das Unterbewusstsein der Träumenden topografisch als Orte (Landschaft, Architektur, Aufzug) realisiert sind, wobei ganze Städte kreiert werden, mit der Traumebene instabil werden und ‚zusammenstürzen‘ (vgl. zur metropolen Zerfallsästhetik Koebner 2018, 165; zur Verwendung von Landschaftssymbolik in ‚inneren Topografien‘ Mayo 2020, 259–261; in ''Inception'' Knöppler 2015; Malomfălean 2015, 150; im Kontext von Städteträumen Oster 2022, 578–580). Sie werden aus Erinnerungsbestandteilen erstellt (Tagesreste-Konzept) und können ‚von außen‘ beeinflusst werden (Leibreiz-Konzept). Die Besonderheit liegt jedoch darin, wie beim ‚Wassereinbruch‘ in der ''extraction'' oder der ‚Schwerelosigkeit‘ in einer tieferen Traumebene in der ''inception'', dass dies von einer weiteren Traumebene aus geschieht, wodurch Traumtheorien immanent reflektiert werden. Objekte nehmen darin auch symbolische Funktion ein, so der Aufzug als Mittel, ‚in die Tiefen‘ von Cobbs Unterbewusstsein vorzudringen, und die Metaphorik des Einschließens von Geheimnissen in geträumten ‚Safes‘ als ‚(T)Räume im (T)Raum‘.  
 
Neben dem Klarträumen zeigt der Film weitere Traumkonzepte, die auch an bekannte Traumtheorien gebunden sind. Die eben beschriebene wachwelt-ähnliche Gestaltung der Träume bedingt auch, dass Traum bzw. das Unterbewusstsein der Träumenden topografisch als Orte (Landschaft, Architektur, Aufzug) realisiert sind, wobei ganze Städte kreiert werden, mit der Traumebene instabil werden und ‚zusammenstürzen‘ (vgl. zur metropolen Zerfallsästhetik Koebner 2018, 165; zur Verwendung von Landschaftssymbolik in ‚inneren Topografien‘ Mayo 2020, 259–261; in ''Inception'' Knöppler 2015; Malomfălean 2015, 150; im Kontext von Städteträumen Oster 2022, 578–580). Sie werden aus Erinnerungsbestandteilen erstellt (Tagesreste-Konzept) und können ‚von außen‘ beeinflusst werden (Leibreiz-Konzept). Die Besonderheit liegt jedoch darin, wie beim ‚Wassereinbruch‘ in der ''extraction'' oder der ‚Schwerelosigkeit‘ in einer tieferen Traumebene in der ''inception'', dass dies von einer weiteren Traumebene aus geschieht, wodurch Traumtheorien immanent reflektiert werden. Objekte nehmen darin auch symbolische Funktion ein, so der Aufzug als Mittel, ‚in die Tiefen‘ von Cobbs Unterbewusstsein vorzudringen, und die Metaphorik des Einschließens von Geheimnissen in geträumten ‚Safes‘ als ‚(T)Räume im (T)Raum‘.  
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Zusätzlich wird das Unterbewusstsein in Analogie zum Immunsystem des menschlichen Körpers inszeniert, in dem wehrhafte projections Eindringlinge angreifen. Damit und auch durch die gezeigte Manipulierbarkeit und Kapitalisierbarkeit des Wissens durch Zutritt zum Unterbewusstsein via Traum werden die mehrlagigen Träume wortwörtlich zu Schlachtfeldern (vgl. ebenso Fitsch 2018, 117) mit Kämpfen, Explosionen, Anschlägen und geträumten Toden, wobei die moralische Komponente der Traumspionage kaum hinterfragt wird (vgl. Koebner 2018, 163). Zugleich gilt das ritualisierte Inszenieren von Träumen (Trauminkubation, vgl. Engel 2017, 34–36) auch therapeutischen Zwecken wie der Heilung von vergangenen Versehrungen im Kontext des Hollywood-Bewusstseinsfilms (vgl. zum therapeutischen Zweck auch Floury 2011, 234). Knöppler argumentiert, dass abseits einer vereinfachenden Bewusstseinsrepräsentation dabei eher der Versuch einer Selbstkonstruktion (Cobbs) verdeutlicht werden soll (vgl. 2015, 45). Dromms Abgleich mit empirischer Traumforschung zeigt dagegen oft Unzulänglichkeiten (vgl. Dromm 2012; vgl. anders Bulkeley 2010). Nolan zufolge war eine getreue Wiedergabe gar nicht seine Absicht: „No, it’s all just stuff I made up“ (Taubin und Nolan 2010, 34).
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Zusätzlich wird das Unterbewusstsein in Analogie zum Immunsystem des menschlichen Körpers inszeniert, in dem wehrhafte ''projections'' Eindringlinge angreifen. Damit und auch durch die gezeigte Manipulierbarkeit und Kapitalisierbarkeit des Wissens durch Zutritt zum Unterbewusstsein via Traum werden die mehrlagigen Träume wortwörtlich zu Schlachtfeldern (vgl. ebenso Fitsch 2018, 117) mit Kämpfen, Explosionen, Anschlägen und geträumten Toden, wobei die moralische Komponente der Traumspionage kaum hinterfragt wird (vgl. Koebner 2018, 163). Zugleich gilt das ritualisierte Inszenieren von Träumen (Trauminkubation, vgl. Engel 2017, 34–36) auch therapeutischen Zwecken wie der Heilung von vergangenen Versehrungen im Kontext des Hollywood-Bewusstseinsfilms (vgl. zum therapeutischen Zweck auch Floury 2011, 234). Knöppler argumentiert, dass abseits einer vereinfachenden Bewusstseinsrepräsentation dabei eher der Versuch einer Selbstkonstruktion (Cobbs) verdeutlicht werden soll (vgl. 2015, 45). Dromms Abgleich mit empirischer Traumforschung zeigt dagegen oft Unzulänglichkeiten (vgl. Dromm 2012; vgl. anders Bulkeley 2010). Nolan zufolge war eine getreue Wiedergabe gar nicht seine Absicht: „No, it’s all just stuff I made up“ (Taubin und Nolan 2010, 34).
    
Das topografische Verständnis von (geteilten) Träumen mit seiner Tiefensymbolik (vgl. auch Mayo 2020, 241) kann in Anlehnung an Freuds ‚topografisches Modell‘ gesehen werden, in dem das Unbewusste den Teil des ‚Eisbergs‘ darstellt, der sich unter der Oberfläche befindet, oder an Jungs ‚Haus‘-Metapher (vgl. Knöppler 2015, 44, bzw. sogar, mit Fiedler, als Teil eines Gothic Manor, vgl. ebd.). „Christopher Nolan’s film presents the aspect of the Freudian unconscious with all its twists and turns“ (Floury 2011, 233): Weitere (populär-)psychoanalytische Referenzen (vgl. so auch Jahraus 2010, 2; Fisher 2011, 45; Knöppler 2015, 44, 46) umfassen die Rolle von Objekten, Verdrängung, schwieriges Vaterverhältnis, (scheiternde?) Wunscherfüllung sowie die Auffassung, dass geträumte Personen jeweils nur Ausprägungen der Persönlichkeit des träumenden Subjekts sein können (Jungs ‚Subjektstufen‘; vgl. Jung 1960, 96; 1972, 86; Sharp 1991, 128 f.; Engel 2018, 41); außerdem ist der Limbus als ‚kollektives Unbewusstes‘ lesbar. Damit zeigt ''Inception'' eine Tendenz gegenwärtiger Bewusstseinsfilme, die sich nicht auf eine inhärente Traumauffassung beschränken, sondern darin vielmehr eklektisch sind. Traum in ''Inception'' ist also offenbarend (in Bezug auf Charakter und Psyche der Träumenden) wie verdeckend (hinsichtlich von Geheimnissen, Täuschungen und des Traumstatus), dient der plotbezogenen fortschreitenden Informationsvergabe und dem Spannungsaufbau, ist analysierbar wie manipulierbar, spektakelhaft und dennoch mitunter schwer von der Wachwelt zu unterscheiden.
 
Das topografische Verständnis von (geteilten) Träumen mit seiner Tiefensymbolik (vgl. auch Mayo 2020, 241) kann in Anlehnung an Freuds ‚topografisches Modell‘ gesehen werden, in dem das Unbewusste den Teil des ‚Eisbergs‘ darstellt, der sich unter der Oberfläche befindet, oder an Jungs ‚Haus‘-Metapher (vgl. Knöppler 2015, 44, bzw. sogar, mit Fiedler, als Teil eines Gothic Manor, vgl. ebd.). „Christopher Nolan’s film presents the aspect of the Freudian unconscious with all its twists and turns“ (Floury 2011, 233): Weitere (populär-)psychoanalytische Referenzen (vgl. so auch Jahraus 2010, 2; Fisher 2011, 45; Knöppler 2015, 44, 46) umfassen die Rolle von Objekten, Verdrängung, schwieriges Vaterverhältnis, (scheiternde?) Wunscherfüllung sowie die Auffassung, dass geträumte Personen jeweils nur Ausprägungen der Persönlichkeit des träumenden Subjekts sein können (Jungs ‚Subjektstufen‘; vgl. Jung 1960, 96; 1972, 86; Sharp 1991, 128 f.; Engel 2018, 41); außerdem ist der Limbus als ‚kollektives Unbewusstes‘ lesbar. Damit zeigt ''Inception'' eine Tendenz gegenwärtiger Bewusstseinsfilme, die sich nicht auf eine inhärente Traumauffassung beschränken, sondern darin vielmehr eklektisch sind. Traum in ''Inception'' ist also offenbarend (in Bezug auf Charakter und Psyche der Träumenden) wie verdeckend (hinsichtlich von Geheimnissen, Täuschungen und des Traumstatus), dient der plotbezogenen fortschreitenden Informationsvergabe und dem Spannungsaufbau, ist analysierbar wie manipulierbar, spektakelhaft und dennoch mitunter schwer von der Wachwelt zu unterscheiden.
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*Bumeder, Christian: „Mediale Inception“. Zu einer Theorie des Bewusstseinsfilms. Würzburg: Königshausen und Neumann 2014.
 
*Bumeder, Christian: „Mediale Inception“. Zu einer Theorie des Bewusstseinsfilms. Würzburg: Königshausen und Neumann 2014.
 
*Dromm, Keith: Do Our Dreams Occur While We Sleep? In: David Kyle Johnson (Hg.): Inception and Philosophy. Because It’s Never Just a Dream. Hoboken, N.J.: Wiley 2012, 231–246.
 
*Dromm, Keith: Do Our Dreams Occur While We Sleep? In: David Kyle Johnson (Hg.): Inception and Philosophy. Because It’s Never Just a Dream. Hoboken, N.J.: Wiley 2012, 231–246.
*<nowiki>*Durst, Uwe: Theorie der phantastischen Literatur. Aktualis., korrig. u. erw. Auflage. Berlin: LIT-Verlag 2010 [1998].</nowiki>
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*Durst, Uwe: Theorie der phantastischen Literatur. Aktualis., korrig. u. erw. Auflage. Berlin: LIT-Verlag 2010 [1998].
 
*Eichner, Susanne: Textuality and Agency – Exemplary Analyses. In: Dies.: Agency and Media Reception: Experiencing Video Games, Film, and Television. Wiesbaden: Springer 2014, 175–217.
 
*Eichner, Susanne: Textuality and Agency – Exemplary Analyses. In: Dies.: Agency and Media Reception: Experiencing Video Games, Film, and Television. Wiesbaden: Springer 2014, 175–217.
 
*Elsaesser, Thomas: Contingency, causality, complexity: distributed agency in the mind-game film. In: New Review of Film and Television Studies 16 (2018): 1–39; https://doi.org/10.1080/17400309.2017.1411870.
 
*Elsaesser, Thomas: Contingency, causality, complexity: distributed agency in the mind-game film. In: New Review of Film and Television Studies 16 (2018): 1–39; https://doi.org/10.1080/17400309.2017.1411870.
 
*Engel, Manfred: Towards a Poetics of Dream Narration (with examples by Homer, Aelius Aristides, Jean Paul, Heine and Trakl). In: Bernard Dieterle/Manfred Engel (Hg.): Writing the Dream/Écrire le rêve. Würzburg: Königshausen & Neumann 2017, 19–44.
 
*Engel, Manfred: Towards a Poetics of Dream Narration (with examples by Homer, Aelius Aristides, Jean Paul, Heine and Trakl). In: Bernard Dieterle/Manfred Engel (Hg.): Writing the Dream/Écrire le rêve. Würzburg: Königshausen & Neumann 2017, 19–44.
*Engel, Manfred: Towards a Theory of Dream Theories (with an Excursus on C.G. Jung). In: Bernard Dieterle/Manfred Engel (Hg.): Theorizing the Dream/Savoir et théories du rêve. Würzburg: Königshausen & Neumann 2018, 19–42.
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*Ders.: Towards a Theory of Dream Theories (with an Excursus on C.G. Jung). In: Bernard Dieterle/Manfred Engel (Hg.): Theorizing the Dream/Savoir et théories du rêve. Würzburg: Königshausen & Neumann 2018, 19–42.
 
*Fisher, Mark: The Lost Unconscious: Delusions and Dreams in ''Inception''. In: Film Quarterly 63 (2011), 37–45.
 
*Fisher, Mark: The Lost Unconscious: Delusions and Dreams in ''Inception''. In: Film Quarterly 63 (2011), 37–45.
 
*Fitsch, Hannah: Technische Dystopien und Utopien im Science Fiction. In: Alfred Krovoza/Christine Walde (Hg.): Traum und Schlaf. Ein interdisziplinäres Handbuch. Stuttgart: J.B. Metzler 2018, 117–119.
 
*Fitsch, Hannah: Technische Dystopien und Utopien im Science Fiction. In: Alfred Krovoza/Christine Walde (Hg.): Traum und Schlaf. Ein interdisziplinäres Handbuch. Stuttgart: J.B. Metzler 2018, 117–119.
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*Genette, Gérard: Die Erzählung. Übersetzt von Andreas Knop, hg. von Jochen Vogt unter Mitarbeit von Isabel Kranz. 3., durchges., und korrig. Aufl. Paderborn: Wilhelm Fink UTB 2010.
 
*Genette, Gérard: Die Erzählung. Übersetzt von Andreas Knop, hg. von Jochen Vogt unter Mitarbeit von Isabel Kranz. 3., durchges., und korrig. Aufl. Paderborn: Wilhelm Fink UTB 2010.
 
*Green, C. E.: Lucid Dreams. Oxford: Institute of Psychophysical Research 1968.
 
*Green, C. E.: Lucid Dreams. Oxford: Institute of Psychophysical Research 1968.
*Green, Celia/McCreery, Charles: Lucid Dreaming. The Paradox of Consciousness During Sleep. London/New York: Routledge 1994.
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*Dies./McCreery, Charles: Lucid Dreaming. The Paradox of Consciousness During Sleep. London/New York: Routledge 1994.
 
*Hänselmann, Matthias C.: Potenzierte Träume. Die Traumstaffelung als narratives Verfahren in Literatur und Film. In: ffk Journal 4 (2019), 17–32.
 
*Hänselmann, Matthias C.: Potenzierte Träume. Die Traumstaffelung als narratives Verfahren in Literatur und Film. In: ffk Journal 4 (2019), 17–32.
 
*Haupt, Sabine: ‚Traumkino‘. Die Visualisierung von Gedanken. Zur Intermedialität von Neurologie, optischen Medien und Literatur. In: Dies./Ulrich Stadler (Hg.): Das Unsichtbare sehen. Bildzauber, optische Medien und Literatur. Zürich: Edition Voldemeer 2006, 87–125.
 
*Haupt, Sabine: ‚Traumkino‘. Die Visualisierung von Gedanken. Zur Intermedialität von Neurologie, optischen Medien und Literatur. In: Dies./Ulrich Stadler (Hg.): Das Unsichtbare sehen. Bildzauber, optische Medien und Literatur. Zürich: Edition Voldemeer 2006, 87–125.
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*Sharp, Daryl: Subjective level. In: Jung Lexicon. A Primer of Terms & Concepts. Toronto, Canada: Inner City Books 1991, 128–129.
 
*Sharp, Daryl: Subjective level. In: Jung Lexicon. A Primer of Terms & Concepts. Toronto, Canada: Inner City Books 1991, 128–129.
 
*Spiegel, Simon: Die Gegenwart des Zukünftigen – Science-Fiction. In: Alexander Geimer/Carsten Heinze/Rainer Winter (Hg.): Handbuch Filmsoziologie. Wiesbaden: Springer Fachmedien 2018, 1–18.
 
*Spiegel, Simon: Die Gegenwart des Zukünftigen – Science-Fiction. In: Alexander Geimer/Carsten Heinze/Rainer Winter (Hg.): Handbuch Filmsoziologie. Wiesbaden: Springer Fachmedien 2018, 1–18.
*Steierer, Benedikt: „Deine Welt ist nicht real!“. Überlegungen zu Traum – Bewusstsein – Film und zur filmischen Produktion von Präsenz in Christopher Nolans ‚Inception‘. In: Tanja Prokić/Anne Kolb/ Oliver Jahraus (Hg.): Wider die Repräsentation. Präsens/z Erzählen in Literatur, Film und bildender Kunst. Frankfurt a. M.: Peter Lang 2011, 270–96.
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*Steierer, Benedikt: „Deine Welt ist nicht real!“. Überlegungen zu Traum – Bewusstsein – Film und zur filmischen Produktion von Präsenz in Christopher Nolans ‚Inception‘. In: Tanja Prokić/Anne Kolb/Oliver Jahraus (Hg.): Wider die Repräsentation. Präsens/z Erzählen in Literatur, Film und bildender Kunst. Frankfurt a. M.: Peter Lang 2011, 270–96.
 
*Strank, Willem: Twist Ending. In: Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (Hg.): Das Lexikon der Filmbegriffe, 10.03.2022; https://filmlexikon.uni-kiel.de/doku.php/t:twistending-8845.
 
*Strank, Willem: Twist Ending. In: Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (Hg.): Das Lexikon der Filmbegriffe, 10.03.2022; https://filmlexikon.uni-kiel.de/doku.php/t:twistending-8845.
 
*Wardlow, Ciara: The Synergy of ‘Inception’ and ‘Paprika’. In: Film School Rejects (blog), 02.03.2017; https://filmschoolrejects.com/inception-paprika-synergy/.
 
*Wardlow, Ciara: The Synergy of ‘Inception’ and ‘Paprika’. In: Film School Rejects (blog), 02.03.2017; https://filmschoolrejects.com/inception-paprika-synergy/.
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