"Malina" (Ingeborg Bachmann): Unterschied zwischen den Versionen
Zur Navigation springen
Zur Suche springen
"Malina" (Ingeborg Bachmann) (Quelltext anzeigen)
Version vom 22. Februar 2022, 13:24 Uhr
, 22. Februar 2022→Erster Traum ("Friedhof der ermordeten Töchter")
Zeile 219: | Zeile 219: | ||
===Erster Traum ("Friedhof der ermordeten Töchter")=== | ===Erster Traum ("Friedhof der ermordeten Töchter")=== | ||
Die einzelnen Träume kreisen immer wieder um ähnliche Themen, wobei hier besonders die Figur des zerstörerischen Vaters auffällt, der seine Tochter mal verstummen lassen (vgl. etwa Traum 3) oder entmündigen (vgl. etwa Traum 34), mal töten möchte: "Nichts ist dem Vater unangenehm, so etwas wie ein Gewissen kennt er nicht, er schämt sich für nichts, im Gegenteil, lebt sich aus in den Gewaltexzessen, die seinem Wesen entsprechen | Die einzelnen Träume kreisen immer wieder um ähnliche Themen, wobei hier besonders die Figur des zerstörerischen Vaters auffällt, der seine Tochter mal verstummen lassen (vgl. etwa Traum 3) oder entmündigen (vgl. etwa Traum 34), mal töten möchte: "Nichts ist dem Vater unangenehm, so etwas wie ein Gewissen kennt er nicht, er schämt sich für nichts, im Gegenteil, lebt sich aus in den Gewaltexzessen, die seinem Wesen entsprechen" (Hartwig 2017, 162). | ||
Dies gilt vor allem für den ersten, | Dies gilt vor allem für den ersten, verhältnismäßig kurzen Traum, der als besonders programmatisch für die weiteren Traumepisoden verstanden werden kann: Hinter einem großen Fenster liegt ein See mit zahlreichen Friedhöfen; das Ich befindet sich dabei neben dem Vater und einem Totengräber auf dem "Friedhof der ermordeten Töchter" (M 502). | ||
Die übermächtige, inzestuöse Vaterfigur erscheint zwar erst relativ spät im sechsten der zehn Sätze als Personifikation der männlich-patriarchalen Gewalt, die sich ebenso im "Friedhof der ermordeten Töchter" räumlich manifestiert ( | Die übermächtige, inzestuöse Vaterfigur erscheint zwar erst relativ spät im sechsten der zehn Sätze als Personifikation der männlich-patriarchalen Gewalt, die sich ebenso im "Friedhof der ermordeten Töchter" räumlich manifestiert (Lennox 2006, 111) – ein Ort, der auch in Bachmanns Romanfragment des ''Buch Franza'' (vgl. Bachmann 1995b, 229) sowie den frühesten Textstufen von ''Malina'' (sogar ohne Verweis auf den Vater) vorkommt (M 100). Übergibt der Vater hier das Ich noch an den Totengräber, hat er seine Tochter im folgenden Traum in "die größte Gaskammer der Welt" (M 503) eingeschlossen, und versucht sie mit den unterschiedlichsten 'Todesarten' (symbolisch) zu entmündigen oder (tatsächlich) zu ermorden. | ||
Zwar ist diese verstörende Assoziation des Vaters mit Inzest und Naziverbrechen (wenn auch mit der künstlerischen Freiheit der Schriftstellerei) letztlich biographisch kaum zu überprüfen ( | Zwar ist diese verstörende Assoziation des Vaters mit Inzest und Naziverbrechen (wenn auch mit der künstlerischen Freiheit der Schriftstellerei) letztlich biographisch kaum zu überprüfen (Hartwig 2017, 167 f.), doch bleibt die inszenierte Nähe zu Bachmanns Lebens auffällig; so wurde beispielsweise diese (auch erneut in Traum 15 und 28 auftauchende) Seelandschaft immer wieder auch mit Bachmanns Kärntner Heimat in Verbindung gebracht (vgl. etwa Höller 2009, 36). | ||
===Dritter Traum ("Hinabfallen ins Unbewusste")=== | ===Dritter Traum ("Hinabfallen ins Unbewusste")=== |