"Divina Commedia" (Dante Alighieri): Unterschied zwischen den Versionen
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"Divina Commedia" (Dante Alighieri) (Quelltext anzeigen)
Version vom 13. August 2022, 08:28 Uhr
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Durch den expliziten Verweis auf den Schlaf lädt Dante seine Leser:innen dazu ein, den darauffolgenden plötzlichen Ortswechsel (statt im Wald findet er sich nun im ersten Höllenkreis wider) als ein Hinübergleiten in den Schlaf und ‚Erwachen im Traum‘ zu deuten. Allerdings ist die Ausweisung als Traum oder Vision weniger offensichtlich als bei Colonna. Darüber hinaus wurde auch der erste Vers („Nel mezzo del camin di nostra vita“/ „In der Mitte unserer Lebensbahn“) als Verweis auf einen Traumzustand gedeutet – in Anlehnung an die antike Mythologie, in der der Schlaf als Zwischenzustand zwischen Leben und Tod figurierte (Harst 2018, 218). Frühe Kommentatoren haben in diesem Vers zudem eine Zeitangabe erkannt, die auf den frühen Morgen hindeutet – den Augenblick, in dem Menschen vermehrt prophetische Träume erfahren (Barucci 2012, 34). | Durch den expliziten Verweis auf den Schlaf lädt Dante seine Leser:innen dazu ein, den darauffolgenden plötzlichen Ortswechsel (statt im Wald findet er sich nun im ersten Höllenkreis wider) als ein Hinübergleiten in den Schlaf und ‚Erwachen im Traum‘ zu deuten. Allerdings ist die Ausweisung als Traum oder Vision weniger offensichtlich als bei Colonna. Darüber hinaus wurde auch der erste Vers („Nel mezzo del camin di nostra vita“/ „In der Mitte unserer Lebensbahn“) als Verweis auf einen Traumzustand gedeutet – in Anlehnung an die antike Mythologie, in der der Schlaf als Zwischenzustand zwischen Leben und Tod figurierte (Harst 2018, 218). Frühe Kommentatoren haben in diesem Vers zudem eine Zeitangabe erkannt, die auf den frühen Morgen hindeutet – den Augenblick, in dem Menschen vermehrt prophetische Träume erfahren (Barucci 2012, 34). | ||
Am Ende der ''Commedia'' beschreibt Dante seine Begegnung mit Gott als einen Traum, an dessen erregende Bilder er sich im Nachhinein nicht erinnern kann, sodass er sie auch sprachlich nicht wiedergeben | Am Ende der ''Commedia'' beschreibt Dante seine Begegnung mit Gott als einen Traum, an dessen erregende Bilder er sich im Nachhinein nicht erinnern kann, sodass er sie auch sprachlich nicht wiedergeben zu vermag: | ||
{| style="border: 0px; background-color: #ffffff; border-left: 2px solid #7b879e; margin-bottom: 0.4em; margin-left: 0.1em; margin-right: auto; width: auto;" border="0" cellspacing="0" cellpadding="0" | {| style="border: 0px; background-color: #ffffff; border-left: 2px solid #7b879e; margin-bottom: 0.4em; margin-left: 0.1em; margin-right: auto; width: auto;" border="0" cellspacing="0" cellpadding="0" | ||
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: <span style="color: #7b879e;">nel core il dolce che nacque da essa (''Paradiso'' XXXIII, 58-61). | : <span style="color: #7b879e;">nel core il dolce che nacque da essa (''Paradiso'' XXXIII, 58-61). | ||
: <span style="color: #7b879e;">Wie einer, der im Traume etwas sieht / und nach dem Traum bleibt die erfahrene Empfindung / und das übrige kehrt nicht ins Gedächtnis zurück, / so bin ich, denn mein Gesicht ist fast ganz vergangen, / und noch immer träufelt mir ins Herz die Süße, / die von ihm ausging.</span> | : <span style="color: #7b879e;">Wie einer, der im Traume etwas sieht/ und nach dem Traum bleibt die erfahrene Empfindung/ und das übrige kehrt nicht ins Gedächtnis zurück,/ so bin ich, denn mein Gesicht ist fast ganz vergangen,/ und noch immer träufelt mir ins Herz die Süße,/ die von ihm ausging.</span> | ||
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Erneut impliziert der Erzähler damit, dass die Reise durch die Jenseitsreiche, dessen Abschluss die Begegnung mit Gott darstellt, als eine Traumerfahrung verstanden werden kann, die der Ich-Erzähler nachträglich wiederzugeben versucht. Da diese Traummarkierungen sich jedoch beide als ambivalent präsentieren, bleibt es letztlich der Leser:in überlassen, zu entscheiden, ob der Traum nur als Parabel verstanden wird, in der die Erfahrung des Göttlichen ''wie'' ein Traum erscheint, ob die Eingangspassage als ein Einschlafen und im Traum ‚wieder Erwachen‘ gelesen wird, oder ob die Reise nicht als nächtliche Vision sondern als überirdisches Erlebnis interpretiert wird. | Erneut impliziert der Erzähler damit, dass die Reise durch die Jenseitsreiche, dessen Abschluss die Begegnung mit Gott darstellt, als eine Traumerfahrung verstanden werden kann, die der Ich-Erzähler nachträglich wiederzugeben versucht. Da diese Traummarkierungen sich jedoch beide als ambivalent präsentieren, bleibt es letztlich der Leser:in überlassen, zu entscheiden, ob der Traum nur als Parabel verstanden wird, in der die Erfahrung des Göttlichen ''wie'' ein Traum erscheint, ob die Eingangspassage als ein Einschlafen und im Traum ‚wieder Erwachen‘ gelesen wird, oder ob die Reise nicht als nächtliche Vision sondern als überirdisches Erlebnis interpretiert wird. | ||
===Markierte Träume in der ''Commedia''=== | ===Markierte Träume in der ''Commedia''=== | ||
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In Vergils Deutung verweist der Traum von der Sirene auf ein erotisch-sexuelles Begehren. Damit schließt Dante an das mittelalterliche Motiv der Sirene als Allegorie der Lust an (Münchberg 2020, 293). Wenige Gesänge später taucht das Motiv der Sirene noch einmal auf, als Beatrice Dante Vorwürfe ob seines Lebenswandels und seiner Zuwendung zu einer anderen Frau macht. In Beatrices Worten sind die Sirenen mit „cose fallaci“ (''Purgatorio'' XXXI, 56), trügerischen Dingen, assoziiert, von denen sich Dante verführen ließ. Erneut deutet der Traum somit auf ein nachfolgendes Ereignis hin. | In Vergils Deutung verweist der Traum von der Sirene auf ein erotisch-sexuelles Begehren. Damit schließt Dante an das mittelalterliche Motiv der Sirene als Allegorie der Lust an (Münchberg 2020, 293). Wenige Gesänge später taucht das Motiv der Sirene noch einmal auf, als Beatrice Dante Vorwürfe ob seines Lebenswandels und seiner Zuwendung zu einer anderen Frau macht. In Beatrices Worten sind die Sirenen mit „cose fallaci“ (''Purgatorio'' XXXI, 56), trügerischen Dingen, assoziiert, von denen sich Dante verführen ließ. Erneut deutet der Traum somit auf ein nachfolgendes Ereignis hin. | ||
====Dritter Traum==== | ====Dritter Traum==== | ||
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In diesem Beispiel wird die allegorische Bedeutung des Traums nicht von einer physiologisch untermauerten Erklärung Vergils überlagert. Relativ eindeutig erscheint so die symbolische Antithese zwischen den beiden Frauen, die die zwei philosophischen Konzeptionen der ''vita activa'' und der ''vita contemplativa'' verkörpern. Gleichzeitig kann dem Traum abermals eine proleptische, bzw. prophetische Dimension zugeschrieben werden, da die beiden Frauen im Traum für die beiden Frauen stehen, denen Dante kurz darauf im irdischen Paradies begegnet: Matelda, die am Ufer des Flusses Lethe Blumen pflückt, und Beatrice, seine verstorbene Geliebte. Mit dieser wird das Motiv des Spiegels wieder aufgegriffen: Als Dante seiner Geliebten voll Reue angesichts ihrer Vorwürfe gegenübersteht, blickt er in ihre Augen, in denen sich das Abbild eines Greifs spiegelt – „Come in lo specchio il sol, non altrimenti / la doppia fiera dentro vi raggiava“ (Purgatorio XXXI, 121-122) / „Wie die Sonne im Spiegel, nicht anders erstrahlte / das zweifache Tier darin“ – ein Verweis auf die bevorstehende Begegnung mit dem Göttlichen. | In diesem Beispiel wird die allegorische Bedeutung des Traums nicht von einer physiologisch untermauerten Erklärung Vergils überlagert. Relativ eindeutig erscheint so die symbolische Antithese zwischen den beiden Frauen, die die zwei philosophischen Konzeptionen der ''vita activa'' und der ''vita contemplativa'' verkörpern. Gleichzeitig kann dem Traum abermals eine proleptische, bzw. prophetische Dimension zugeschrieben werden, da die beiden Frauen im Traum für die beiden Frauen stehen, denen Dante kurz darauf im irdischen Paradies begegnet: Matelda, die am Ufer des Flusses Lethe Blumen pflückt, und Beatrice, seine verstorbene Geliebte. Mit dieser wird das Motiv des Spiegels wieder aufgegriffen: Als Dante seiner Geliebten voll Reue angesichts ihrer Vorwürfe gegenübersteht, blickt er in ihre Augen, in denen sich das Abbild eines Greifs spiegelt – „Come in lo specchio il sol, non altrimenti / la doppia fiera dentro vi raggiava“ (Purgatorio XXXI, 121-122) / „Wie die Sonne im Spiegel, nicht anders erstrahlte / das zweifache Tier darin“ – ein Verweis auf die bevorstehende Begegnung mit dem Göttlichen. | ||
===Dantes Traumpoetik=== | ===Dantes Traumpoetik=== | ||
Durch die verschiedenen Traumebenen ergibt sich eine „Schachtelung der Wahrnehmungsebenen“ (Harst 2018, 218). Weitere Verweise auf den Traum verstärken diese Wirkung: So beispielsweise Beatrices Überlegungen über die Sphäre des irdischen Lebens, als eine, in der selbst Theologen und Kirchenleute träumen, also nicht die Wahrheit schauen oder erfahren – „là giù, non dormendo, si sogna“, (''Paradiso'' XXIX, 82) / „darüber wird nun dort unten, ohne zu schlafen, geträumt“ – eine mögliche Allusion auf die generelle Konzeption des irdischen, menschlichen Lebens als Traumkonstrukt (vgl. Harst 2018, 218f.). Die Jenseitsreise hingegen bereitet Dante auf eine Erfahrung mit Offenbarungscharakter vor: Im Spiel mit Traum- und Wirklichkeitsebenen erscheint die Begegnung mit Gott also gleichermaßen als Traumvision und als eine jede Wirklichkeit übertreffende Wahrheit. In diesem Sinne bezeichnet Karlheinz Stierle den Höhepunkt der Jenseitsreise als einen „totalisierten Traum, der die Differenz von Traum und Wachen aufhebt“ (Stierle 2017, 157) Damit greift Dante auch auf innovative Weise auf die mittelalterliche Tradition des prophetischen Traums zurück. | Durch die verschiedenen Traumebenen ergibt sich eine „Schachtelung der Wahrnehmungsebenen“ (Harst 2018, 218). Weitere Verweise auf den Traum verstärken diese Wirkung: So beispielsweise Beatrices Überlegungen über die Sphäre des irdischen Lebens, als eine, in der selbst Theologen und Kirchenleute träumen, also nicht die Wahrheit schauen oder erfahren – „là giù, non dormendo, si sogna“, (''Paradiso'' XXIX, 82) / „darüber wird nun dort unten, ohne zu schlafen, geträumt“ – eine mögliche Allusion auf die generelle Konzeption des irdischen, menschlichen Lebens als Traumkonstrukt (vgl. Harst 2018, 218f.). Die Jenseitsreise hingegen bereitet Dante auf eine Erfahrung mit Offenbarungscharakter vor: Im Spiel mit Traum- und Wirklichkeitsebenen erscheint die Begegnung mit Gott also gleichermaßen als Traumvision und als eine jede Wirklichkeit übertreffende Wahrheit. In diesem Sinne bezeichnet Karlheinz Stierle den Höhepunkt der Jenseitsreise als einen „totalisierten Traum, der die Differenz von Traum und Wachen aufhebt“ (Stierle 2017, 157) Damit greift Dante auch auf innovative Weise auf die mittelalterliche Tradition des prophetischen Traums zurück. | ||
In dieser Auffassung des Traums und der Ausarbeitung der Reise durch die Jenseitsreiche als traumhafte Erfahrung spiegelt sich auch Dantes Poetik des Traums, sowie, allgemeiner, seine Auffassung des Dichtens. Mit Karlheinz Stierle ist Dantes ''Commedia'' „in wesentlicher Hinsicht eine poetische Phänomenologie des Traums“ (2017, 149), da Dante in seiner monumentalen Erzählung „eine ganze Skala der Grenzsituationen des Bewusstseins [entfaltet]“ (153). Dabei bringt Dante den Traum wiederholt in Verbindung mit dem Dichten, bzw. dem Kunstschaffen an sich. Beide erscheinen als „Hervorbringungen einer produktiven Subjektivität“ (158) – das Träumen wird in diesem Sinn von Dante auch als Metapher des Schreibens als künstlerischer Prozess inszeniert. Wie weiter oben ausgeführt, finden sich alle binnenfiktionalen, vom Ich-Erzähler geträumten Träume im zweiten Teil des Werks. Dadurch verdichten sich im ''Purgatorio'' die Traumelemente, während gleichzeitig das „visionäre Sehen“ mit „läuternde[m] Aufstieg“ und „dichterische[m] Schaffen“ verschränkt wird (Harst 2018, 223). In diesem Sinn kann „Dantes Reise als selbstbewusst erdichtete Erlösung – ein souverän ‚gelenkter Traum‘ – erscheinen“ (224). | In dieser Auffassung des Traums und der Ausarbeitung der Reise durch die Jenseitsreiche als traumhafte Erfahrung spiegelt sich auch Dantes Poetik des Traums, sowie, allgemeiner, seine Auffassung des Dichtens. Mit Karlheinz Stierle ist Dantes ''Commedia'' „in wesentlicher Hinsicht eine poetische Phänomenologie des Traums“ (2017, 149), da Dante in seiner monumentalen Erzählung „eine ganze Skala der Grenzsituationen des Bewusstseins [entfaltet]“ (153). Dabei bringt Dante den Traum wiederholt in Verbindung mit dem Dichten, bzw. dem Kunstschaffen an sich. Beide erscheinen als „Hervorbringungen einer produktiven Subjektivität“ (158) – das Träumen wird in diesem Sinn von Dante auch als Metapher des Schreibens als künstlerischer Prozess inszeniert. Wie weiter oben ausgeführt, finden sich alle binnenfiktionalen, vom Ich-Erzähler geträumten Träume im zweiten Teil des Werks. Dadurch verdichten sich im ''Purgatorio'' die Traumelemente, während gleichzeitig das „visionäre Sehen“ mit „läuternde[m] Aufstieg“ und „dichterische[m] Schaffen“ verschränkt wird (Harst 2018, 223). In diesem Sinn kann „Dantes Reise als selbstbewusst erdichtete Erlösung – ein souverän ‚gelenkter Traum‘ – erscheinen“ (224). | ||
==Fazit== | ==Fazit== | ||
Dantes ''Divina Commedia'' wird vom Mittelalter bis heute v.a. in Italien, aber auch international rezipiert und in den unterschiedlichsten Medienformaten adaptiert (Heimgartner/Schmitz-Emans 2017; Scharold 2014). Gerade in den letzten Jahren kann man im Bereich der Populärmedien eine „Dante-''renaissance''“ beobachten (Lazzarin/Dutel 2018, 9). In der Beschäftigung mit Dantes Werk, zeigen sich Autor:innen und Künstler:innen einerseits vom ''Inferno'', also dem ersten Teil der Reise (Meier 2021), andererseits von der Traumthematik allgemein, inspiriert. Für die Kultur- und Mediengeschichte des Traums kann die ''Commedia'' in der Tat als Klassiker gehandelt werden, allerdings weniger aufgrund der drei markierten Träume im ''Purgatorio'' als aufgrund der traumhaften Rahmung der Binnenhandlung. Dies gilt z.B. für Christine de Pizans ''Le Livre du Chemin de long estude'' (1402), das seinen Ursprung eindeutig in der Rezeption der ''Commedia'' findet, dabei jedoch eindeutiger als eine Traumreise herausgestellt wird. Auch J.L. Borges oder Ingeborg Bachmann rezipieren Dantes Traumwerk (vgl. Harst 2018; Spiller 2022). Dabei verwendet Dante wenig bis keine der topisch gewordenen Elemente zur literarischen Inszenierung des Traums, wie verzerrte Raum-Zeit-Koordinatoren, surreale Erscheinungen oder ein Aufheben der Gesetzmäßigkeiten des ''Logos'' (Engel 2003, 153f.; Kreuzer 2014, 72f.). Vielmehr hat sich die Struktur der Traumreise als Modell konstituiert, das sich durch eine stetige, lineare räumliche Progression und eine episodenhafte Struktur auszeichnet. Besonders in der Kinder- und Jugendliteratur findet man dieses Modell wieder (z.B. in ''Nußknacker und Mausekönig'', [["Alice's Adventures in Wonderland" / "Through the Looking-Glass" (Lewis Carroll)|''Alice’s Adventures in Wonderland'']], ''Peterchens Mondfahrt'', ''Wo die Wilden Kerle wohnen''). | Dantes ''Divina Commedia'' wird vom Mittelalter bis heute v.a. in Italien, aber auch international rezipiert und in den unterschiedlichsten Medienformaten adaptiert (Heimgartner/Schmitz-Emans 2017; Scharold 2014). Gerade in den letzten Jahren kann man im Bereich der Populärmedien eine „Dante-''renaissance''“ beobachten (Lazzarin/Dutel 2018, 9). In der Beschäftigung mit Dantes Werk, zeigen sich Autor:innen und Künstler:innen einerseits vom ''Inferno'', also dem ersten Teil der Reise (Meier 2021), andererseits von der Traumthematik allgemein, inspiriert. Für die Kultur- und Mediengeschichte des Traums kann die ''Commedia'' in der Tat als Klassiker gehandelt werden, allerdings weniger aufgrund der drei markierten Träume im ''Purgatorio'' als aufgrund der traumhaften Rahmung der Binnenhandlung. Dies gilt z.B. für Christine de Pizans ''Le Livre du Chemin de long estude'' (1402), das seinen Ursprung eindeutig in der Rezeption der ''Commedia'' findet, dabei jedoch eindeutiger als eine Traumreise herausgestellt wird. Auch J.L. Borges oder Ingeborg Bachmann rezipieren Dantes Traumwerk (vgl. Harst 2018; Spiller 2022). Dabei verwendet Dante wenig bis keine der topisch gewordenen Elemente zur literarischen Inszenierung des Traums, wie verzerrte Raum-Zeit-Koordinatoren, surreale Erscheinungen oder ein Aufheben der Gesetzmäßigkeiten des ''Logos'' (Engel 2003, 153f.; Kreuzer 2014, 72f.). Vielmehr hat sich die Struktur der Traumreise als Modell konstituiert, das sich durch eine stetige, lineare räumliche Progression und eine episodenhafte Struktur auszeichnet. Besonders in der Kinder- und Jugendliteratur findet man dieses Modell wieder (z.B. in ''Nußknacker und Mausekönig'', [["Alice's Adventures in Wonderland" / "Through the Looking-Glass" (Lewis Carroll)|''Alice’s Adventures in Wonderland'']], ''Peterchens Mondfahrt'', ''Wo die Wilden Kerle wohnen''). | ||
<div style="text-align: right;">[[Autoren|Sophia Mehrbrey]]</div> | <div style="text-align: right;">[[Autoren|Sophia Mehrbrey]]</div> |